Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, liebe Mitträger von erlassjahr.de,

im Dezember haben wir gemeinsam das 20-jährige Jubiläum unserer Vereinsgründung gefeiert. Viele Höhen und Tiefen hat das Bündnis in diesen Jahren erlebt. Immer wieder waren wir dem damals formulierten Satzungsziel, ein geordnetes Staaten­insolvenzverfahren zu schaffen, sehr nah gekommen. Immer wieder fehlte letztlich jedoch der politische Wille, den entscheidenden Schritt zu gehen.

Doch nun ist die Schaffung geordneter Entschuldungsverfahren wieder hoch aktuell! Denn das Jahr 2021 endete mit einem großen Erfolg für die deutsche Entschuldungsbewegung: Erstmalig seit 2009 hat es die Forderung nach der Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens wieder in den ­Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geschafft!

Ohne Schuldenerlasse droht der Kollaps im Globalen Süden

Dem müssen nun schnell Taten folgen – denn ­Kristalina Georgieva, Chefin des Internationalen Währungsfonds, warnte noch im Dezember: Sollten Schuldenerlasse nicht rasch und zeitig möglich gemacht werden und private Gläubiger an den Tisch gezwungen werden, sei mit einem wirtschaftlichen und sozialen Kollaps im Globalen Süden zu rechnen. Auch der neue Schuldenreport 2022 zeigt, dass dreimal so viele Länder wie noch vor der Pandemie bereits in einer Schuldenkrise oder unmittelbar von Überschuldung bedroht sind.

Darunter sind zum einen Länder wie Kenia oder Sambia, die Teil der Entschuldungsinitiativen der G20 sind. Zum anderen aber auch viele Länder die von den Ini­tiativen ausgeschlossen wurden, wie Tunesien oder Jamaika, weil sie als „zu reich“ – und damit für eine Entschuldung als „zu teuer“ – gelten. Damit sind die Entschuldungsinitiativen der G20 nicht geeignet, um die Schuldenkrise im Globalen Süden zu lösen.

Politischer Handlungsdruck nimmt ab – zivilgesellschaftlicher Druck muss steigen

Viele der Länder konnten ihren Schuldendienst 2021 nur weiter pünktlich bedienen, weil sie den Rechten der Gläubiger Vorrang vor den wirtschaftlichen und sozialen Rechten ihrer Bevölkerung einräumten. Sprich: Die Rückzahlung von Schulden war den Ländern auf Druck ihrer Gläubiger wichtiger als Ausgaben für zum Beispiel Bildung und Entwicklung. Und in den nächsten Jahren wird die Lage noch ernster: Denn das Schuldenmoratorium DSSI, welches einigen Ländern für die Pandemiebekämpfung Luft zum Atmen verschafft hatte, ist zum 31. Dezember 2021 ausgelaufen. Der eingesparte Schuldendienst wird spätestens ab 2023 fällig – dann müssen die Länder zahlen. Obwohl die meisten von ihnen auch dann noch mit den Folgen der pandemiebedingten Rezession zu kämpfen haben werden.

Trotz dieser düsteren Prognose ist der politische Handlungswille in den vergangenen Monaten jedoch wieder erheblich abgeflaut: Denn die große Staatspleitenwelle, die unter anderem durch die Entschuldungsbewegung vorhergesagt wurde, ist bislang ausgeblieben. Allerdings keineswegs, weil es den Ländern wirtschaftlich deutlich besser gegangen wäre als befürchtet – sondern vor allem durch die Bereitstellung vor allem multilateraler Krisenfinanzierungen, die die Schuldenkrise nur weiter in die Zukunft verschoben haben. Die nachhaltige Überwindung der Schuldenkrise im Globalen Süden bleibt damit auch 2022 eine große Herausforderung für die Nord-Süd-Gerechtigkeit.

Um die Politik auch in Zeiten dieser „trügerischen Ruhe“ zum Handeln zu bewegen, bleibt zivilgesellschaftliches Engagement unerlässlich! Immer wieder haben Länder des Globalen Südens selbst Vorschläge für Maßnahmen gemacht, die ihnen einen Ausweg aus der Schuldenkrise bieten würde. Doch viel zu oft bleiben sie ungehört – denn ein Großteil der betroffenen Staaten ist von den entscheidungstragenden Foren wie zum Beispiel der G20 ausgeschlossen.

Unsere Aufgabe hier in Deutschland muss sein, diese Stimmen aus dem Globalen Süden zu unterstützen und die Bundesregierung immer wieder an ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu erinnern!

Ausblick: Deutsche G7-Präsidentschaft

2022 hat die Bundesregierung die Präsidentschaft der G7 inne – eine zentrale Gelegenheit, um Worten Taten folgen zu lassen! Vom 26.-28. Juni 2022 findet im bayrischen Elmau der Gipfel der Staats- und ­Regierungschef*innen statt, vorab bereits die Treffen der G7-Fachminister*innen. Bei all diesen Events wird unser Bündnis durch Aktionen und Fachveranstaltungen lautstark auf die ungelöste Schuldenkrise und die Verantwortung der G7 aufmerksam machen. Auch beim Katholikentag in Stuttgart wollen wir das Thema auf die Bühne holen.

Schon bei der deutschen G7-Präsidentschaft 2015 schickten wir mit der Kampagne „Höchste Zeit für die Lösung der Schuldenkrise“ einen Weckruf an den damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dieser vernahm die Forderungen der globalen Zivilgesellschaft auch durch seine Teilnahme am Kampagnen­gottesdienst in Dresden, dem damaligen Ort des G7-Finanzministertreffens. Heute müssen wir zwar nicht mehr darum bitten, dass die Gefahr einer globalen Schuldenkrise überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Doch dass daraus hinreichende politische Schritte entstehen, dafür müssen wir weiterhin vehement eintreten!

Neue Materialien für die Informationsarbeit

Und damit das Thema faire Entschuldung auch bei Ihnen und Euch vor Ort präsent bleibt, haben wir eine Reihe neuer Materialien im Angebot:

Frisch aus dem Druck steht die neue Posterausstellung „Entwicklung braucht Entschuldung“ im kunterbunten Design für die Informationsarbeit bereit. Auf 15 Postern geht es unter anderem um Klima und Schulden, die Auswirkungen der Corona-Pandemie, den biblischen Ursprung des Erlassjahres, die Rolle Deutschlands in der Schuldenpolitik oder um die Frage, wer überhaupt über faire Entschuldung entscheidet. Die Ausstellung ist in den Formaten A1 und A2 erhältlich und kann ab sofort unter ­­www.erlassjahr.de/poster bestellt werden.

Auch die Roll-Up-Ausstellung „Stimmen der Schuldenkrise“ wurde aktualisiert und um neue Roll-Ups zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie erweitert. Gleiches gilt für die beiden Aktionen „Schuldenfalle“ und „Schulden-Jenga“, die das Problem von Überschuldung spielerisch näherbringen. Für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit haben wir ein „Who is Who“ der internationalen Schuldenkrise entwickelt und außerdem die beliebte Aktivität „Ein Schritt vorwärts“ durch neue Rollenkarten ergänzt.

Daneben bieten wir auch 2022 wieder viele Dialog- und Informationsmöglichkeiten an: im neuen digitalen „erlassjahr.de-Café“, in dem es Raum für jede Schulden-Frage gibt, bei Fachgesprächen mit der deutschen und internationalen Politik, mit dem brandneuen Handbuch „Von Gläubigern und Schuldnern – Informationen und Ideen zur Lösung der Schuldenkrise im Globalen Süden“ (erscheint im Februar) und dem Schuldenreport 2022 (erscheint am 26.01.), durch Vorträge in ganz Deutschland oder die Jahrestagung am 14. und 15. Oktober 2022 in Göttingen.

Gemeinsam stark für faire Entschuldung

Auch 2022 gilt: Unser Bündnis ist nur so stark wie die Säulen, die es tragen! Lassen Sie, lasst uns gemeinsam auch in diesem Jahr lautstark fordern: ­Entwicklung braucht Entschuldung!

Mit herzlichen Grüßen im Namen des gesamten Teams von ­erlassjahr.de

Ihre/Eure
Kristina Rehbein

(Januar 2022)

Der Jahrestext als PDF