Londoner Schuldenabkommen

Das Londoner Schuldenabkommen ist ein 1953 in der britischen Hauptstadt geschlossener Vertrag zwischen Westdeutschland und seinen damaligen Gläubigern über den Umgang mit der deutschen Verschuldung. Die unterzeichnenden Gläubiger gewährten Deutschland darin einen umfassenden Schuldenerlass und eine großzügige Regelung, wie die verbleibenden Schulden zurückzuzahlen seien.

Wer waren die Unterzeichner?

 Die Erstunterzeichner des Abkommens waren:

  • Belgien
  • Ceylon (Sri Lanka)
  • Dänemark
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Großbritannien
  • Irland
  • Jugoslawien
  • Kanada
  • Lichtenstein
  • Luxemburg
  • Norwegen
  • Pakistan
  • Schweden
  • Schweiz
  • Spanien
  • Südafrika
  • USA

Später unterzeichneten noch weitere Gläubigerstaaten das Abkommen.

Das Abkommen wurde am 27. Februar 1953 unterzeichnet und trat am 16. September des selben Jahres in Kraft.

Ausgangslage

Im Jahr 1952 hatte die damals noch junge Bundesrepublik Deutschland Auslandsschulen in Höhe von 29,7 Milliarden Deutsche Mark. Etwas weniger als die Hälfte dieser Forderungen, 13,5 Milliarden DM, waren Schulden aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, hauptsächlich aus Anleihen zur Begleichung der Reparationen aus dem ersten Weltkrieg. Die restlichen Schulden stammten aus der Wirtschaftshilfe nach 1945, ein Großteil davon aus den Vereinigten Staaten. Diese waren daher auch der mit Abstand größte Gläubiger der BRD.

Schuldenerlass für Deutschland

Im Rahmen des Abkommens wurde ein Erlass von über 50 Prozent der Vor- und Nachkriegsschulden beschlossen. Auch für die verbleibenden Schulden in Höhe von 14,45 Milliarden DM wurde eine für die BRD günstige Regelung getroffen: 2,5 Milliarden blieben zinsfrei, der Rest wurde zu 4,5 und 5 Prozent langfristig umgeschuldet. Verzugszinsen für die Nichtbedienung der Vorkriegsschulden durch die Nazi-Diktatur wurden nicht berechnet.

Nicht nur Umfang, auch Ausgestaltung historisch einzigartig

Bemerkenswert ist aber nicht nur die quantitative Dimension. Vor allem die die qualitativen Aspekte des Abkommens sind erwähnenswert

  • Alle Schulden Deutschlands wurden in einem einheitlichen Verfahren geregelt und zu gleichen Teilen reduziert.
  • Deutschland sollte seinen Schuldendienst nur aus laufenden Überschüssen, also aus Exporteinnahmen, begleichen müssen. So sollte verhindert werden, dass für die Schuldenrückzahlung auf Reserven zurückgegriffen oder neue Kredite aufgenommen werden müssten. Entsprechend sah das Abkommen die Möglichkeit vor, dass Deutschland seinen Schuldendienst aussetzen könne, sollte es keine Überschüsse erzielen.
  • Für Streitfälle über die Auslegung des Abkommens wurde ein Schiedsgerichtshof in Koblenz eingerichtet.

Kontext

Natürlich darf bei der Betrachtung des Londoner Schuldenabkommens nicht der politische Kontext außer Acht gelassen werden. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs hatten die West-Alliierten, die gleichzeitig die entscheidenden Gläubiger waren, ein Interesse daran, West-Deutschland zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Gegenmodell zum Kommunismus zu machen. Ihre Rechnung ging auf: Die Regelungen im Londoner Schuldenabkommen von 1953 legten einen Grundstein für den folgenden wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland.

Nur so ist zu verstehen, warum die Bundesrepublik eine derart großzügige Regelung erhielt. Bis heute hat kein Staat der Welt von einem vergleichsweise niedrigen Verschuldungsniveau aus einen so weitreichenden Schuldenerlass erhalten wie Deutschland. Die Auslandsschulden Deutschlands lagen 1953 bei 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Der von der EU heute festgelegten Grenzwert liegt bei 60 Prozent. Und unter den Ländern, die sich für die Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder qualifizierten, lag diese Quote im Jahr 2000 mit durchschnittlich 168 Prozent deutlich höher.

Entschuldung ist möglich – wenn der politische Wille da ist

Das Londoner Schuldenabkommen zeigt auf eindrückliche Art, dass Entschuldung möglich ist – wenn nur der politische Wille da ist. Es ist ein historisches Beispiel wie umfassend, nachhaltig und erfolgreich ein Schuldenerlass sein kann.

Das Londoner Schuldenabkommen ist jedoch keine Vorlage, die eins zu eins auf heutige Schuldenkrisen angewendet werden kann. Dennoch können einzelne Aspekte des Ablaufs und der getroffenen Regelungen eine Inspiration für zukünftige Entschuldungsverhandlungen sein.

 

Weitere Informationen: