Finanzminister Schäuble fordert Staateninsolvenzverfahren

Nach den deutlichen Worten des Bundespräsidenten, und dem Hinweis des Entwicklungsministeriums, die Kanzlerin sei eine starke Fürsprecherin einer Internationalen Insolvenzordnung, hat sich nun auch der Bundesfinanzminister eindeutig und positiv positioniert. Im Spiegel-Interview von dieser Woche sagt er:

„SPIEGEL: Währungskommissar Olli Rehn hat vorgeschlagen, für weitere drohende Staatspleiten einen Fonds einzurichten. Was Halten Sie davon?

Schäuble: Wenn wir ein Verfahren für ähnliche Fälle wie Griechenland brauchen, müssen wir auch über die Frage reden, wie wir die Gläubiger an den Kosten beteiligen können. Bei jeder Insolvenz eines Unternehmens müssen die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, so sollte es auch bei einem Insolvenzverfahren für Staaten sein. Das zu lösen ist das A und O, dann lohnen sich Spekulationen nicht mehr. Dazu aber brauchen Sie keinen Fonds – sondern klare Regeln.“

Der Mann hat recht!

Neuland für die Kanzlerin

“Da habe ich mich noch nicht mit befasst”, so die Kanzlerin auf unsere Forderung, Deutschland solle sich zum “Champion” eines Internationalen Insolvenzverfahrens machen.
Beim inzwischen dritten Gespräch zwischen internationalen Umwelt- und Entwicklungs-NROs und Angela Merkel am Donnerstag Vormittag nahm der Klima-Teil den deutlich größeren Raum ein. Zu den Themen von Entwicklungsfinanzierung unterstrich die Bundeskanzlerin das deutsche Committment für die eingegangenen Entwicklungshilfe-Verpflichtungen: “Wir werden künftig nicht weniger bereitstellen, sondern noch etwas drauflegen”. Auch ihre Aussage zur ODA-Anrechnung von Nicht-Entwicklungshilfeleistungen klang zunächst recht sympathisch (“Entschuldung ist einfach; frisches Geld geben ist schwer. Dass da manches gleich gemacht wird, ist aus der Sicht der betroffenen Länder auch komisch”). Im zweiten Satz erwies sich diese Feststellung aber nicht als Abkehr von der fragwürdigen Praxis, Schuldenerlasse in die Entwicklungshilfe reinzurechnen, sondern im Gegenteil als Neuauflage ihres alten Steckenpferdes, zusätzlich auch die Militärmission in Afghanistan so zu verbuchen. Angesichts der Tatsache, dass im Moment nur die amtierende Entwicklungsministerin solchen schrägen Buchungstricks einen Riegel vorschiebt, kann einem für die Zeit nach der Wahl angst und bange werden.
Zur Forderung nach einem Internationalen Insolvenzverfahren gab es dann doch noch positive Töne von der Regierungsbank, nämlich von dem deutschen G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach. Ihm war das Thema nicht ganz so neu, und er sieht offenbar auch die Brisanz angesichts der massiven Neuverschuldung der ärmeren Länder. Den Satz “Das habe ich notiert und nehme es mit” haben wir aus seinem Mund zwar schon öfter gehört. Es könnte indes sein, dass in diesem Jahr die G8-Konstellation anders ist als früher. Zum einen haben die reichen Länder selbst ein genuines Interesse daran, schleunigst Verfahren für eine effiziente Überwindung von Staats-Überschuldung im Süden zu schaffen. Zum zweiten ließ auch unser italienischer Kollege deutlich erkennen, dass die italienische G8-Präsidentschaft händeringend auf der Suche nach einem guten und kostengünstigen Nord-Süd-Profilierungsthema für den Gipfel ist, nachdem Italien seine Entwicklungshilfe in diesem Jahr um 56% (!) gekürzt hat. Und kosten wird ein faires Entschuldungsverfahren erst mal nichts.

Ein neuer Anlauf für Schiedsverfahren in Afrika

Mitarbeiter von afrikanischen Entschuldungsbewegungen und Kirchen trafen sich am 30. und 31. März mit Parlamentariern und Campaigner/innen aus dem Ausland, um über das Konzept eines Fairen und Transparenten Schiedsverfahren und über seine mögliche Umsetzung in Afrika zu sprechen. Eingeladen hat das Afrikanische Entschuldungs-Netzwerk AFRODAD, mit dem erlassjahr.de seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Zuletzt in Form der “Speakers Tour” mit Vitalice Meja im Sommer 2007.
Im letzten Jahr startete AFRODAD eine kontinentale Kampagne zu FTAP – oder “FTA”, wie AFRODAD ein wenig missverständlich, da leicht mit “Free Trade Agreements” verwechselbar, sagt. Es gibt gute Grundlagendokumente, einhübsches Logo, T-Shirts und Plakate Siehe: http://www.afrodad.org (leider bin ich bei der T-Shirt-Verteilung nicht schnell genug gewesen :-()
Die Kampagne ist von uns und der internationalen Öffentlichkeit bisher nicht allzu intensiv wahrgenommen worden, weil AFRODADs Informationspolitik, vorsichtig ausgedrückt: zurückhaltend war. Das wiederum hing damit zusammen, dass AFRODAD’s Initiative von anderen NROs als nicht radikal genug kritisiert wurde. Auch bei dieser Tagung wurde wieder mit einigen Vertreter/innen von Jubileesouth intensiv darüber debattiert, ob nicht alle Schulden sowieso von vornherein illegitim und überdies längst bezahlt und der Süden schon wegen der jahrhundertelangen Ausbeutung der eigentliche Gläubiger sei. Diese ziemlich sterile Haltung wurde hier von der Mehrheit der Beteiligten zurückgewiesen,und AFRODAD fühlte sich zurecht ermutigt, Debt Arbitration als Alternative für verschuldete afrikanische Länder zu propagieren. Das gilt insbesondere für diejenigen, die jetzt unter dem Einfluss der Finanzkrise die Wahl haben zwischen drastischen Einschnitten bei der Armutsbekämpfung und einem neuen Überschuldungszyklus.

Faires Schiedsverfahren gefordert: Opa Kapajimpanga (AFROODAD), Safia Svarfvar (Schwedische Kirche) und dem UN-Sonderberichterstatter Cephas Lumina
Faires Schiedsverfahren gefordert: Opa Kapajimpanga (AFRODAD), Safia Svarfvar (Schwedische Kirche) und UN-Sonderberichterstatter Cephas Lumina / © erlassjahr.de

Zusammen mit Kollegen der Schwedischen Kirche, die einen wesentlichen Teil zum Budget von AFRODAD beisteuert, JubileeNederland und JubileeScotland haben wir einen Aktionsplan für die nächsten Schritte zum FTAP umrissen: AFRODAD wird dazu gegenüber der Afrikanischen Union und der UN Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) FTAP als alternativen Krisenmechanismus ins Gespräch bringen. Beim G8-Köln-Jubuiläum, werden die Afrikanischen Kollegen neben den eingeladenen Finanzministern ein Wort mitreden. Und alles in allem wurde die Rolle des Afrikanischen Netzwerks als globaler Informationsknoten zu FTAP gestärkt.

EU zur Reform des Schuldenmanagements in Doha: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass!

Am Montag und Dienstag (10./11.11.) haben die Außenminister und einige Regierungschefs im “External Relations Council” der EU die Haltung der Gemeinschaft zum Doha-Prozess formuliert.
Im Schuldenkapitel (pt.42 der Erklärung des Rates) “unterstützt” – so die gute Nachricht – die EU “Diskussionen über erweiterte Umschuldungs-Verfahren.”. Das klingt nicht wie eine Streichung des für ein Internationales Insolvenzverfahren entscheidenden §46 der Abschlusserklärung. Bereits das “Non-Paper” der EU-Kommission hatte sich in diesem Sinne positioniert. Und entsprechend unklar war, warum die Franzosen als Sprecher der EU bei der ersten Abstimmung des Doha-Textes in New York zusammen mit Amerikanern und Japanern für eine Streichung des §46 plädiert hatten.
Die EU wäre aber nicht die EU, wenn sie sich beim diesem hoffnungsvollen Reform-Anlauf nicht sofort selbst wieder ein Bein stellen würde: Die “erweiterten Verfahren” sollen nämlich eine “zentrale Rolle für die Bretton Woods Institutionen” (also Weltbank und IWF) vorsehen. Und sie sollen “auf existierenden Rahmen wie dem Pariser Club” aufbauen. Will sagen: Genau die alten Verfahren, die bislang eine umfassende Schuldenregelung durch ihre Rollen als exklusiver Club (in Paris) und Monopolisten bei der Bewertung von verschuldeten Ländern (Weltbank und IWF) verhindert haben, sollen auch in einem neuen Rahmenwerk eine zentrale Rolle spielen. Im Vergleich dazu klingt sogar das Doha-Statement des Pariser Clubs selbst weltoffen und reformorientiert.
Wie man aufbauend auf einem exklusiven Zirkel von reichen Gläubigern “breite Beteiligung von Schuldnern und Gläubigern sowie eine angemessene Lastenverteilung unter allen Gläubigern” in den angestrebten neuen Verfahren sichern will, ist ein großes europäisches Geheimnis.

Europaparlament fordert Einsatz für ein Internationales Insolvenzverfahren

Mit großer Mehrheit nahm das Europaparlament den Bericht des Entwicklungsausschusses über die Folgemassnahmen der Konferenz von Monterrey (2002) an. Der Bericht enthält zahlreiche Empfehlungen hinsichtlich der europäischen Haltung zu den verschiedenen Themen der Doha-Konferenz. Unter anderem (pt. 23) dringt das EP darauf, dass die EU auf die Schaffung “eines Internationalen Insolvenzverfahrens oder fairem und transparentem Schlichtungsverfahren” hinwirkt. Diese klare Haltung des EP steht bislang in deutlichem Gegensatz zu der Haltung der EU-Delegation im New Yorker Abstimmungsprozess. Diese befürwortet die Streichung des mit der EP-Empfehlung nahezu wortgleichen § 46. (Wieder mal) schade, dass es mit der Demokratie in Europa (noch) nicht so weit her ist.

Umso wichtiger ist die deutsche Regierung von der Notwendigkeit des Internationalen Insolvenzverfahrens zu überzeugen. Verschicken Sie deshalb jetzt gleich eine unserer Aktionspostkarten!