Karibik: Entschuldung ist unvermeidlich. Aber wie kann sie organisiert werden?

Entschuldungstagung mit Nuntius / © Jubilee Caribbean

Die kleinen Inselstaaten der Ostkaribik sind seit Ende des letzten Jahrzehnts einer der Hotspots der sich abzeichnenden globalen neuen Schuldenkrisen. Das hat jüngst sogar die Weltbank eingesehen und bei ihrer Jahrestagung in Lima einen Vorschlag für eine (begrenzte) Entschuldungsinitiative für die Region vorgelegt. Dabei will sie Schulden bei privaten Gläubigern mit einem Abschlag zurückkaufen und dafür den betroffenen Ländern neue Kredite einräumen.

Den Bischöfen und kirchlichen Aktivist/innen, die sich am 20./21.10. in Grenada trafen, um ihrerseits eine Strategie gegenüber dem Schuldenproblem ihrer Staaten zu entwickeln, ist der Vorschlag nicht recht geheuer. Sie erwogen vielmehr den von erlassjahr.de präsentierten Vorschlag für eine umfassende Schuldenstreichung, ähnlich der damaligen HIPC-Initiative für die ärmsten Länder in Afrika und Lateinamerika, sowie einen weiteren Vorschlag der UN Wirtschaftskommission für Lateinamerika.

Praktisches Ergebnis der Tagung in Grenada war die Gründung von Jubilee Caribbean, eines Netzwerks nationaler Jubilee-Komitees, für deren Organisation sich die katholischen und anglikanischen Bischöfe von Dominica, Barbados, Jamaika, Grenada und St. Vincent & den Grenadinen besonders in der Verantwortung wussten.

Besondere Beiträge zur Tagung kamen vom Päpstlichen Nuntius, Erzbischof Giraldi, der daran erinnerte, dass der Papst selbst bei seiner Reise zur UNO ein geordnetes Staateninsolvenzverfahren gefordert hatte; sowie von Grenadas Premierminister Dr. Keith Mitchell. Er beschrieb den immer noch nicht abgeschlossenen Entschuldungsprozess seiner es eigenen Landes: Weil es kein geordnetes und rechtsstaatliches Verfahren gibt, befindet sich Grenada seit mehr als zwei Jahren offiziell im Zahlungsausfall, mit allen entsprechenden Schwierigkeiten bei der externen Finanzierung. Ein solches Schicksal sollte keiner der durch ihre geringe Größe und wenig diversifizierte Wirtschaft sowie die immer wieder auftretenden Naturkatastrophen verletzlichen Volkswirtschaften mehr drohen.

Mindestens 60% Schuldenerlass für Grenada!

Diese Forderung ist eines der Ergebnis des heute zuende gegangenen Workshops des Grenadinischen Kirchenrats in der Insel-Hauptstadt St.George’s. Nur wenn die Schulden des Staates, die aktuell 109% des BIP ausmachen auf weniger als 50% gedrückt werden, hat das Land eine Chance, aus der Überschuldungssituation herauszuwachsen. Und das setzt einen Schuldenschnitt in der Größenordnung von zwei Dritteln voraus.

Zwei Tage lang hatten Mitglieder des Kirchenrats zusammen mit Fachleuten von UNDP, JubileeUSA, dem Karibischen Schuldennetzwerk und erlassjahr.de an einer Beurteilung der Schuldentragfähigkeit der Insel gearbeitet. Bei der Übergabe der Abschlusserklärung erklärte Wirtschaftsminister Oliver Joseph, dass auch die Regierung entschlossen ist, einen weitreichenden Schuldenerlass durchzusetzen, da nach Jahren der anhaltenden Überschudungskrise eine erneute Finanzierung des laufenden Schuldendienstes durch Neukreditaufnahme “keine Option mehr ist”. Und zu unserer Überraschung ließ sogar der anwesende Vertreter des IWF durchblicken, dass auch die Empfehlung des Fonds sich in dieser Größenordnung bewegen.

Der Kirchenrat wird nun sehr detailliert verfolgen, mit welchem Ergebnis die Delegation des Landes von den Gesprächen mit Stab und Leitung des IWF aus Washington in der kommenden Woche zurückkommen wird.

Die Regierung bat den Kirchenrat und seine internationalen Partner um Unterstützung bei der Überzeugung der bilateralen Gläubiger. Deutschland gehört allerdings nicht zu ihnen.

Grenada-Tagebuch IV: Dankbarer Minister und eine Andacht am Kabinettstisch

Minister (mit Jacket) empfängt die Stellungnahme der Zivilgesellschaft
Minister (mit Jacket) empfängt die Stellungnahme der Zivilgesellschaft / © erlassjahr.de

Zum Abschluss des Schulden-Workshops in Grenada hat Pfarrer Osbert James, Stellvertretender Vorsitzender des Kirchenrats von Grenada Wirtschaftsminister Oliver Joseph die Empfehlungen der Zivilgesellschaft für eine faire und umfassende Entschuldung Grenadas übergeben. Der Minister eilte mit dem Dokument in der Hand zurück ins Parlament, wo es diverse Gesetze zu verabschieden gab. Montag morgen werden die Empfehlungen des Kirchenrats für eine unparteiische Entschuldungskonferenz am Konferenztisch debattiert werden.

Praktischerweise wird Father Sean Doggett an dem Morgen die Andacht turnusmäßig zum Beginn der Kabinettssitzung halten. Sitzungen welcher Art auch immer beginnen nämlich Grenada immer mit einer Andacht, und da auf dieser kleinen Insel ohnehin jeder jeden kennt oder man zumindest einen gemeinsamen Bekannten hat, wird Sean vor seiner Andacht das eine oder andere Kabinettsmitglied noch auf die Dringlichkeit der zu besprechenden Vorlage aufmerksam machen können.

Montag Nachmittag gibt es dann eine offizielle Rückmeldung an den Kirchenrat, und wir werden wissen, ob die Regierung unter einer “umfassenden Schuldenreduzierung” dasselbe versteht wie wir, oder vielleicht doch etwas ganz anderes. Heute – so wurden wir informiert – ist die IWF-Mission gelandet. Montag kommt deren Chef nach, und dann werden die Herren aus Washington die Regierung wissen lassen, was Sie sich unter einer umfassenden Schuldenreduzierung vorstellen. Vermutlich etwas sehr anderes.

Hier sind zweieinhalb intensive Arbeitstage nun zuende. Ich muss gleich noch ein paar Sätze in die Kameras des Kirchenrates sagen, und morgen gibt es von unserer Seite noch eine kleine Pressekonferenz. Ansonsten freue ich mich auf einen Sprung ins Meer vor Sonnenuntergang und darauf, meinen Bericht mal nicht auf einem Flughafen zu schreiben, sondern morgen früh auf meinem wunderschönen Balkon, bevor es Sonntag wieder zurück in die offenbar ungemütlich-regnerische Heimat geht.

Grenada-Tagebuch III: Karibisches Entschuldungsnetzwerk gegründet

Zwei bedeutende Entwicklungen prägten den zweiten Tag des Schuldenworkshops in Grenada:

Zunächst formulierte die Zivilgesellschaft der Insel unter Federführung des Nationalen Kirchenrates eine Position zu den bevorstehenden Entschuldungsverhandlungen der Regierungen mit den Gläubigern. Darin wird gewürdigt, dass die Regierung eine umfassende Regelung unter Einbeziehung aller Schulden anstrebt, und sie wird aufgefordert, dafür eine unabhängige Tragfähigkeitsanalyse erstellen. Schließlich rät Ihr das Papier des Kirchenrats, das gesamte Verfahren in Form einer Schuldenkonferenz unter Vorsitz eines unabhängigen Mediators in St. George’s durchzuführen und nicht in irgendwelchen abgelegenen Gläubigerclubs, wie dem in Paris.

Wenn die Gläubiger nicht gänzlich bescheuert sind, lassen sie sich das nicht entgehen.

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© erlassjahr.de

Zum zweiten wurden heute von den “Focal Points” aus Grenada, Dominica, St. Vincent und den Grenadinen, sowie St. Lucia das “Caribbean Debt Network” (CDN) aus der Taufe gehoben. Das bislang lose Netzwerk der Kontaktpersonen, das nach den beiden Seminaren im letzten Jahr zunächst als Mailingliste entstanden war, soll nun verbindlicher organisiert und damit handlungsfähiger werden. Im Mittelpunkt steht natürlich zunächst der sehr spannende Prozess in Grenada. Aber darüber hinaus soll das Netzwerk auch helfen, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Problem der Überschuldung auf allen Inseln zu erhöhen.Eine Weile überlegt wurde, die das hübsche Kind vieler Väter und Mütter denn nun heißen sollte. “Carribbean Association for Sustainable Debt and Development”, abgekürzt CASHDAD wurde vorgeschlagen, aber nicht wirklich gemocht. Meinen eigenen Vorschlag CARIDAD (angelehnt an EURODAD und LATINDADD) fand ich angesichts der Nähe zum Lateinamerikanischen Kontinent auch nicht mehr soll, als mir wieder einfiel, woher mir das Wort bekannt vorkommt: Im Spanischen heisst das so viel wie “Mildtätigkeit” oder “Gnadenbrot”. So blieb es (vorläufig) beim CDN.

Grenada-Tagebuch II: Grenada will eine umfassende Schuldenreduzierung

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Father John unterwegs / © erlassjahr.de

Zum Auftakt der Schulden-Tagung des Grenadinischen Kirchenrats machten Wirtschaftsminister Joseph und der Sonder-Berater für den Entschuldungsprozess Patrick Antoine deutlich, dass die Regierung eine Restrukturierung aller Schulden will. Auf Nachfrage auch noch mal ausdrücklich bestätigt: auch der multilateralen, also bei IWF, BB, IDB und der hier sehr wichtigen Karibischen Entwicklungsbank. Wenn die Grenadiner/innen das in den kommenden Wochen umsetzen, wird die kleine Insel seit 1983 wieder mal Geschichte schreiben.

Gut 20 Aktive aus Grenada sowie von Dominica, St. Lucia und St. Vincent waren angetan von dem Vorhaben der Regierung, die ein ums andere Mal Unterstützung und Beratung durch die Zivilgesellschaft erbat. Wir haben am Nachmittag noch mal zusammengetragen, was unseres Erachtens eine faire und ausreichende Entschuldung ausmachen würde. Morgen machen wir ein Papier in gutem Englisch daraus, und am Freitag früh sehen wir die beiden Offiziellen wieder und präsentieren unsere Forderungen und Vorschläge. Prominent darin: eine unabhängige Schuldentragfähigkeitsanalyse und ein Mediationsverfahren.

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Kurze Verhandlungspause / © erlassjahr.de

Father Sean Doggett, der seit den Zeiten der New-Jewel-Revolution auf der Insel arbeitet und hier praktisch jeden schon mal getauft hat oder zumindest mit Vornahmen kennt, schloss den sehr langen Tag mit einem eindringlichen Gebet, und dann gab es gerade noch genug Tageslicht für einen genussvollen Sprung in den Ozean.

Grenada-Tagebuch I: Treffen mit dem Premierminister

Ab Mittwoch diskutiert unter Federführung der Katholischen Kirche des Landes die Zivilgesellschaft in Grenada über einen Ausweg aus der Schuldenkrise. Premierminister (und in dem kleinen Land in Personalunion auch Finanzminister) Keith Mitchell wollte eigentlich an dem Workshop teilnehmen. Wegen einer gleichzeitig stattfindenden Tagung im Ausland wird ihm das nicht möglich sein.

Auf dem Weg zur Entschuldung Grenadas: Alvin Clouden von der Katholischen Kirchen, Premierminister Keith Mitchell und erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser / © erlassjahr.de

Vertreten wird er am Mittwoch von seinem Wirtschaftsminister. Um sich trotzdem über die Vorschläge der Zivilgesellschaft zu informieren traf er sich heute mit uns in seiner privaten Residenz in St.George’s.

Für einen Minister, der ansonsten vom IWF gesagt bekommt, wir er mit Wirtschaftskrisen umzugehen hat, ist es kein einfacher Schritt, Kirche und Zivilgesellschaft überhaupt in Fragen der Staatsfinanzen als Gegenüber wahrzunehmen. Zunächst mal, so Mitchell gehe es darum, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Und da sei Grenada auf einem guten Weg: Den Schulden von rund 140% des BIP (etwas weniger als Griechenland) rückt die Regierung mit einem rigorosen Sparprogramm zu Leibe. Dass es auch notwendig, sinnvoll und möglich ist, auch die Gläubiger in die Pflicht zu nehmen, werden wir der Regierung in den kommenden Tagen hoffentlich deutlich machen können.

Ansonsten ist die geschichtsträchtige Gewürzinsel ein kleines Paradies. Father Sean Doggett, einer der Organisatoren der Konferenz,  habe ich heute vor Konferenzbeginn ein bisschen von der Schönheit der Insel kennen gelernt, und viel über seine Geschichte erfahren. Sean war Augenzeuge der US-amerikanischen Invasion vor fast genau dreissig Jahren – ebenso wie der Beamte an der US-Passkontrolle beim Umsteigen in Miami übrigens, der mich jovial wissen ließ, dass er auch schon mal in Grenada gewesen sei – allerdings um einen Regierungswechsel zu “ermöglichen”.

Die schöne bunte Welt der Entschuldung

Wer mal so richtig schwelgen möchte in den segensreichen Wirkungen der Entschuldung, der wird von der Weltbank in einem neuen YouTube Video bedient: http://www.youtube.com/watch?v=EJYZCTXU4Dg
Glücklichen Afrikanern und Südamerikanern kann man dabei zusehen, wie sie dank Entschuldung in ihrem örtlichen Krankenhaus zuvor unerschwingliche Medikamente kostenlos verabreicht bekommen. Genauer gesagt: Dank HIPC-Entschuldung. Denn Sinn des Streifens ist natürlich zu demonstrieren, dass die weitsichtige Politik der Bank, deren Mitarbeiter reichlich zu Wort kommen, dieses schöne Ergebnis herbeigeführt hat. Zu Wort kommt übrigens auch der Autor dieses Blogbeitrags, den die PR-Abteilung am Rande einer Tagung im April vor die Kamera bekam.
Überraschenderweise nicht in den Film geschnitten wurde aus den längeren Statements der Hinweis, dass HIPC nach wie vor ein Instrument in der Hand der Gläubiger ist, und am Ende einer langen Kette von Entschuldungs-Verweigerungen steht. Dafür erfährt der Zuschauer, dass durch die Initiative die Bank gezwungen wurde, ihren vorgeblichen “bevorzugten Gläubigerstatus” endlich aufzugeben. Immerhin.

Haiti-Update IV: IWF-Vorstand ignoriert Entschuldungs-Vorschlag des Direktors

Bei seiner gestrigen Sitzung hat das Exekutivdirektorium des IWF lediglich über die neuen Kredite und die Auszahlung der letzten Tranche des alten Programms gesprochen. Damit hat es Haiti gut 100 Mio US-$ neue Schulden beschert – statt, wie von Dominique Strauss-Kahn vollmundig angekündigt, die Weichen für eine umfassende Entschuldung Haitis zu stellen. Hintergründe und Konsequenzen der Entscheidung enthält das aktualisierte Fachinfo Nr.22.

Vor der Wahl: Alle Parteien noch immer für Entwicklungshilfe an Saddam, Mobutu und Co

Im Gespräch mit den Entwicklungspolitiker/innen der Fraktionen gab es in den letzten vier Jahren einige wirkliche Fortschritte, und zwar bei nicht nur den linken, sondern bei allen Parteien. Der wichtigste davon ist die übereinstimmende Unterstützung aller für ein Internationales Insolvenzverfahren.
An einem Punkt indes gab es trotz intensiver Diskussionen, vor allem zu Beginn der Legislaturperiode, überhaupt keinen Fortschritt: Alle, außer der Linkspartei, die sich nach unserer Kenntnis zu dem Punkt nicht geäußert hat, beharren darauf, Schuldenerlasse auf die Entwicklungshilfe- (“ODA-“)Quote anzurechnen. Die Begründung ist stets: Schuldenerlasse setzen reale Mittel für die Entwicklungsfinanzierung frei; deswegen ist es ODA.
Die Wirklichkeit ist leider nicht ganz so einfach. Es stimmt, dass durch Schuldenerlasse neue Finanzierungsspielräume entstehen, und weil diese den Budgets der verschuldeten Länder zugute kommen, sind sie eine sehr effiziente Form der Unterstützung. Praktisch nirgendwo sind diese Spielräume aber identisch mit den erlassenen Summen. Schließlich brauchen Länder Schuldenerlasse, weil sie ihren Schuldendienst nicht mehr aufbringen können. Gerade in den ärmsten Ländern lagen vor dem Schuldenerlass die Zahlungsrückstände bei bis zu 90% der geschuldeten Summen. Das heißt: für 10 Cent, die nicht mehr in den Schuldendienst fließen, rechnet die “großzügige” Bundesregierung sich einen Euro auf ihre Entwicklungshilfe an. Der Irak zum Beispiel, der von Deutschland einen der größten Schuldenerlasse überhaupt bekam, zahlte seit Saddams Krieg gegen Kuwait überhaupt nicht mehr.
Und das ist der zweite Punkt, der die Anrechnungspraxis so unappetitlich macht: Wenn jetzt keine neuen Spielräume für Entwicklungsfinanzierung entstehen, dann bedeutet das nicht anderes, als dass durch den Schuldenerlass die ursprünglichen Kredite in Schenkungen umgewandelt werden. Im Fall des Irak ist das die rege Bautätigkeit der deutschen Industrie im Interesse von Saddams Kriegsinfrastruktur oder die Bereitstellung von Rüstungselektronik durch deutsche Firmen. Im Fall der Forderungen aus den USA, Frankreich und Russland auch ganz direkt die Waffenlieferungen an den Diktator. Die Dankbarkeit der geschundenen irakischen Bevölkerung für diese “Entwicklungshilfe” dürfte sich in Grenzen halten. Und selbst, dass die Deutschen darauf verzichten, auf Jahrzehnte hin der schwachen irakischen Regierung die Öleinnahmen zu pfänden, um sich ihre Geschäfte bezahlen zu lassen, wird man am Euphrat und Tigris nur begrenzt als Großzügigkeit empfinden.
Wir finden, auch Ehrlichkeit ist ein hohes Gut in der Politik, und eine verfehlte Erfüllung der ODA-Zusagen wäre nicht schön gewesen, aber besser als eine erschummelte.

NRO-Treffen mit dem deutschen G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach

Mit etwas Verspätung (sorry) kommt hier der Bericht über das Treffen mehrerer Entwicklungs- und Umwelt-NROs mit dem deutschen Staatssekratär Pfaffenbach, welcher für die Vorbereitung des G8-Gipfels verantwortlich ist.
NGO TREFFEN MIT G8 SHERPA DR. PFAFFENBACH – 02.06.2009
Es ist schon eine Tradition, dass sich die größeren Nichtregierungsorganisationen mit dem Beauftragten der Regierung für die Vorbereitung des nächsten G8 Gipfel vorher zu einem Austausch treffen. Zunächst berichtet der „Sherpa“ über den Stand der Vorbereitungen:
• die logistischen Schwierigkeiten mit dem hastig veränderten Tagungsort L’Aquila;
• die veränderte Tagesordnung: nur ein Tag für die G8 Regierungschefs unter sich, dann G8 + 5 inklusive China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika; später ein Gespräch mit anderen afrikanischen Regierungschefs;
• die Themenschwerpunkte Wirtschaftskrise und Klima;
• die Sonderwünsche des Gastgebers Italien: zur Berechnung der Entwicklungshilfe alle Finanzströme zusammenzuberechnen: ODA, Private Investitionen, Marktzugang, alles außer Militäreinsätzen, ein Vorschlag, der kaum ernst genommen werde.

In der offenen Runde dürfen dann Fragen und Forderungen eingebracht werden. Viele bezogen sich auf den Klimawandel und die kommende Klimakonferenz von Kopenhagen. Für Erlassjahr.de war es wichtig, auf die Gefahr einer neuen Schuldenkrise hinzuweisen und anzufragen, in wie weit die Bundesregierung beim G8 Gipfel auf die Dringlichkeit eines internationalen Insolvenzverfahrens hinzuweisen. Die Antworten versuchten das Problem abzuschwächen: Die USA hätten doch noch viel größere Schulden als alle anderen. Gefährlicher als die willkommenen Kredite von Weltbank und IWF sei doch die großen Finanzflüsse aus China. Die Gefahr sei eher gering, weil die Zinsen so niedrig sind. Die große Hoffnung sei, dass die Kreditspritzen die Wirtschaft der ärmeren Länder so ankurbeln, dass sie die Kredite wieder zurückzahlen könnten. Und im übrigen müsse man erst mal abwarten, wie sich die Situation entwickelt, und, wenn nötig, das Problem in anderthalb bis zwei Jahre noch mal diskutieren.

Es sieht so aus, als ob für das zentrale Anliegen von Erlassjahr, ein internationales Insolvenzrecht, auf dem nächsten G8 Gipfel kaum Raum zu sein scheint.

Die andere, seit kurzem diskutierte Idee, eines Moratoriums für Länder mit akuten Zahlungsschwierigkeiten durch die Finanzkrise war für die meisten völlig neu.

Die Bundesregierung ist wohl überzeugt, dass es einen Bedarf für eine umfassende Schuldenregelung gibt, aber sieht das wohl zum jetzigen Zeitpunkt kaum als prioritär.

Wolfgang Schonecke