Anti-Kapitalismus von rechts: Ungarns Regierung nimmt Banken in die Verantwortung

Die rechtspopulistische Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán bittet die Banken ihres Landes zur Kasse, während die übrigen europäischen Regierungen gerade erst beginnen, in das Lamento über die ungezähmte Macht der Banken einzustimmen.
In den letzten zehn Jahren haben viele Ungarn sich vor allem über Kreditkartengeschäfte in großem Stile verschuldet – häufig, ohne es bewusst wahrzunehmen, in Schweizer Franken statt in Forint. Da der Franken in den letzten zwei Jahren kräftig aufgewertet hat, stiegen auch die Schulden der Kreditnehmer entsprechend. Nach Schätzungen der FTD haben inzwischen 800.000 Ungarn Rückzahlungsprobleme bei ihren Hypotheken oder Kreditkarten-Schulden.
Per Dekret hat die Ungarische Regierung nun verfügt, dass Kreditnehmer ihre Schulden bis zum Jahresende zu einem um 20% günstigeren Wechselkurs zurückzahlen können. Dafür wiederum werden viele erneut Kredite aufnehmen müssen – diesmal allerdings in Forint. Die Verluste aus der Operation haben die Banken zu tragen.
Das Lamento der Banken – die meisten sind Töchter ausländischer, vor allem österreichischer, Mütter – ist so groß wie erwartet. Von Kapitalflucht in andere osteuropäische Staaten und ausfallenden Investitionen ist die Rede. Die Regierung ist davon bislang unbeeindruckt. Sie wolle, so Orbán, die Praxis beenden, dass die Schuldner die Verluste und die Risiken tragen.
Auch, wenn die in Menschenrechtsfragen nur allzu hemdsärmelige ungarische Regierung nicht gerade zu den Sympathieträgern des alten Kontinents gehört, ist es spannend, zu beobachten, wie die Machtprobe zwischen einem internationalisierten Bankensektor und einer vergleichsweise starken (Orbán hat im Parlament eine Zweidrittelmehrheit) ausgeht. Gut möglich, dass Zeter und Mordio der Banken bald verstummen, und die Institute sich vielmehr darauf konzentrieren, auch an den neuen Krediten (wenn auch nicht ganz so viel) zu verdienen.