Entwicklungshilfe 2006: Nach dem Schaden auch noch Spott

Die vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD (DAC) heute vorgelegten Zahlen über die globalen Entwicklungshilfeleistungen zeigen, dass Deutschland wie schon in 2005 nur durch die Anrechnung von Schuldenerlassen einen leichten Anstieg seiner Hilfe erreicht.

Von insgesamt 10,3 Mrd. US-$ öffentlicher Entwicklungshilfe sind netto 2,7 Mrd. US-$ auf Schuldenerlasse zurückzuführen. 377 Mio US-$ wurden dem Irak erlassen und 1,75 Mrd. US-$ resultieren aus dem Schuldenerlass für Nigeria. Der Rest geht auf die deutsche Beteiligung an der multilateralen Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder (HIPC) zurück.

erlassjahr.de Koordinator Jürgen Kaiser: “Kredite, mit denen seinerzeit West- und Ostdeutschland den Krieg Saddam Husseins gegen den Iran unterstützen, und die undurchsichtigen Geschäfte des nigerianischen Diktators Abacha mit der deutschen Bauindustrie werden nachträglich als Entwicklungshilfe deklariert. Die Bevölkerung der beiden Länder muss so nicht nur einen Teil der Schulden, die einst zu ihrer Unterdrückung gemacht wurden, zurückbezahlen. Sie hat nun zum Schaden auch noch den Spott, indem der Erlass eines ohnehin nicht mehr eintreibbaren Teils als großzügige Entwicklungshilfe verkauft wird.”

Beim Schuldenerlass für Nigeria war überdies der DAC zutiefst gespalten. Einige Mitglieder, darunter die skandinavischen Länder und der Vertreter der EU haben sich gegen die Anrechnung der letzten Tranche des Nigeria-Erlasses selbst unter den aktuellen Regelungen ausgesprochen, da es sich um einen Schuldenrückkauf – also eine klassische Inkasso-Operation – handelte. Andere Mitglieder, darunter Deutschland, haben im Interesse geschönter Entwicklungshilfe-Bilanzen eine Anrechnung im DAC betrieben. In seinem Bericht weist der DAC nun diesen Anteil – 429 Mio US-$ für Deutschland – gesondert aus.

Jürgen Kaiser: “Solche Schuldenerlasse als Entwicklungshilfe zu deklarieren ist ungefähr so logisch, als verlange eine Bank für die Abschreibung eines faulen Kredits eine Spendenquittung.”

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