Zyklon „Harold“, ein Wirbelsturm der stärksten Kategorie, traf am 6. April den kleinen Pazifikstaat Vanuatu mit Windgeschwindigkeiten über 200 km/h. Vereinzelt sah man erschreckende Bilder in regionalen Medien, eine verlässliche Berechnung der erlittenen Schäden gibt es aber noch nicht. Die gute Nachricht: Von den 300.000 Einwohnern scheint niemand zu Tode gekommen zu sein.
Die Katastrophe im Pazifik hätte der Welt einen starken Eindruck davon geben können, was Ländern droht, bei denen die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie auf große Armut und den zusätzlichen Schock durch den Klimawandel trifft – wenn die Welt denn hingesehen hätte.
Die Regierung sah sich gezwungen, die zuvor erlassenen Bestimmungen zum Social Distancing aufzuheben, damit Evakuierungen stattfinden und Helfer*innen zu Verletzten und Eingeschlossenen durchdringen können. Offiziell gab es bislang auf Vanuatu noch keinen registrierten Covid-19-Fall. Das könnte sich unter diesen Umständen schnell ändern.
Die Auslandschulden Vanuatus entsprechen der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung des Inselstaats. Die Verschuldungssituation des Landes wird im Schuldenreport 2020 von erlassjahr.de und Misereor aufgrund der aktuell niedrigen, jedoch steigenden Schuldenindikatoren als „leicht kritisch“ eingestuft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt aufgrund der extremen Verwundbarkeit für externe Schocks ein „mittleres Überschuldungsrisiko“. Als potentielle Schocks nennt der IWF insbesondere einen Nachfragerückgang in China, eine Beeinträchtigung des Tourismus und Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. In den letzten vier Wochen sind alle drei dieser externen Schocks gleichzeitig eingetreten.
Beobachter*innen vor Ort vergleichen die Zerstörungen durch „Harold“ mit denen durch den Zyklon „Pam“ 2015, der damals die gesamte Region schwer getroffen hatte. Die Schätzungen beliefen sich damals auf 30 bis 50 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Die absehbaren Verluste durch Covid-19 in Deutschland werden für dieses Jahr auf 5 bis 12 Prozent des Bruttoinlandprodukts geschätzt.
Die wichtigsten Gläubiger Vanuatus sind China und Japan mit 130 bzw. 67 Millionen US-Dollar an Forderungen. Der IWF ist nach der Asiatischen Entwicklungsbank der zweitwichtigste multilaterale Gläubiger. 2020 stehen Rückzahlungen an den IWF in Höhe von 3 Millionen US-Dollar an. Von der Sache her hätte Vanuatu sich dafür qualifizieren können, dass sein Schuldendienst an den IWF vom Catastrophe Containment and Relief Trust (CCRT) übernommen wird. Leider liegt aber das Pro-Kopf-Einkommen mehr als doppelt so hoch wie der Grenzwert für die Einbeziehung in die CCRT. Die zweitärmste Nation im Südpazifik ist für Schuldenerlasse einfach zu reich.