Am gestrigen Montag trafen sich mehr als 20 Staats- und Regierungschef*innen und Vertreter*innen von Ministerien sowie Vertreter*innen von internationalen (Finanz-)Institutionen auf Einladung des UN-Generalsekretärs António Guterres und der Regierungschefs von Kanada und Jamaika zum „High Level Event on International Debt Architecture and Liqudity“. Der Gipfel fand im Rahmen der UN-Sonderinitiative zu Entwicklungsfinanzierung in Zeiten von COVID-19 statt, initiiert nach Ausbruch der Pandemie durch Kanada und Jamaika, um auf die besonderen Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie zu reagieren. Der gestrige Gipfel war der erste einer Reihe von für das Jahr 2021 geplanten Veranstaltungen. Genau ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie und dem ersten Gipfel der Staats- und Regierungschef*innen stand erneut die Notwendigkeit systematischer Schuldenerleichterungen im Fokus, um eine globale soziale und humanitäre Katastrophe zu vermeiden. Vor einem Jahr nahm noch die Bundeskanzlerin selbst teil, dieses Mal entsandte sie Staatssekretär Wolfgang Schmidt aus dem Bundesfinanzministerium.
Anders als vor einem Jahr standen nicht nur Maßnahmen zum Ausgleich möglicher Liquiditätsengpässe im Raum. Schuldentragfähigkeit im Globalen Süden als zentrales Problem für die globale Erholung, die Notwendigkeit echter Schuldenerlasse über das Schuldenmoratorium der G20 hinaus und die reale Gefahr eines verlorenen Entwicklungsjahrzehnts im Globalen Süden waren weitestgehend Konsens. Malawi warnte vor einer „development emergency“, einem “Entwicklungs-Notstand”, in den ärmsten Ländern. Namibia mahnte zu pragmatischen, raschen Schritten. Die Chefin der Welthandelsorganisation WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, ermutigte zu ambitionierten Schritten, denn ein verlorenes Entwicklungsjahrzehnt sei eine Politikentscheidung, kein Schicksal. Auch die zwingende Notwendigkeit, Mitteleinkommensländer, die weiterhin von Schuldenerleichterungen ausgeschlossen sind, in Unterstützungsmaßnahmen einzubeziehen, wurde von den meisten Vertreter*innen auf Gläubiger- und Schuldnerseite gesehen. Antigua und Barbuda und Barbados machten eindrücklich deutlich, wieso Betroffenheit und Verwundbarkeit das Kriterium für Entschuldungsoptionen sein müssten, nicht das Pro-Kopf-Einkommen. Konkrete Zusagen wurden jedoch nicht ausgesprochen. China bekräftigte erneut seine Forderung nach fairer Lastenteilung und damit auch nach dem Einbezug multilateraler Gläubiger in Umschuldungsverhandlungen. Sicher scheint die Ausweitung des G20-Schuldenmoratoriums, der Debt Service Suspension Initiative (DSSI), bis Ende 2021; einige Redner*innen sprachen sich auch für einen längeren Zeitraum aus. Praktisch keine Rolle spielten die konkreten Empfehlungen, die in verschiedenen Arbeitsgruppen im Laufe des Jahres 2020 ausgearbeitet und im September den UN-Mitgliedsstaaten vorgelegt worden waren.
Nur einige wenige Staaten auf der Schuldnerseite sprachen sich für langfristige Reformen in der internationalen Schuldenarchitektur aus. Jamaika, dessen UN-Vertreter bereits 2019 die Staatengemeinschaft zur Wiederaufnahme der Verhandlungen um ein Staateninsolvenzverfahren aufforderte, bekräftigte seine Forderung. Immerhin bezeichnete Deutschland die Vereinten Nationen als „Herz der internationalen Gemeinschaft“ für globale Lösungen – ein Fortschritt gegenüber dem Prozess zur Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens in der UN-Generalversammlung von 2014, bei dem mehrere Industrieländer, darunter Deutschland, die Vereinten Nationen noch als ungeeigneten Ort für Schuldenfragen bezeichneten und entsprechend den Verhandlungen dort fernblieben.
Weitere zentrale Momente für konkrete Politikentscheidungen werden das UN Financing for Development Forum und die Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank im April sein.
Weitere Informationen:
Aufnahme des High Level Meetings vom 29.03.2021 in voller Länge [UN Web TV]