Der Tschad hat eine Entlastung von seinen Auslandsschulden im Rahmen des von der G20 im November 2020 beschlossenen Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI beantragt. Für die G20 ist das eine erste Gelegenheit, das neue Etikett Common Framework auf die Entlastung eines besonders armen Landes zu kleben. Welche Folgen das an entscheidenden Punkten überaus vage Rahmenwerk tatsächlich haben wird, ist indes schwer abzusehen:
Die Auslandsschulden des Tschad bestehen zu rund 40 Prozent (1,5 von 3,5 Milliarden US-Dollar) gegenüber dem britischen Rohstoffhändler Glencore. Diese wurden zuletzt 2018 umgeschuldet.
Nächstgrößter Gläubiger ist der Internationale Währungsfonds (IWF) mit Forderungen in Höhe von 470 Millionen US-Dollar (Ende 2019). Diese Forderungen sind nach dem Verständnis der G20 sowie natürlich des IWF selbst jeder Restrukturierung auch unter dem Common Framework entzogen. Zumal der IWF parallel gerade ein neues Kreditpaket in Höhe von 560 Millionen US-Dollar in Aussicht gestellt hat, ohne das der Tschad in Kürze zahlungsunfähig wäre.
Weitere nennenswerte Forderungen halten China, Saudi-Arabien und Libyen mit jeweils rund 250 Millionen US-Dollar. Die beiden erstgenannten sind Teil der G20 und könnten von daher in die Pflicht genommen werden. Mit wem eine Regelung mit Libyen mit welchem Grad von Verbindlichkeit derzeit ausgehandelt werden könnte, ist unklar.
Schließlich sind auch Weltbank und Afrikanische Entwicklungsbank mit niedrigen dreistelligen Millionenbeträgen im Tschad engagiert. Die Weigerung der multilateralen Entwicklungsbanken, sich selbst an Schuldenerleichterungen zu beteiligen (während Weltbank-Chef David Malpass zu den lautstärksten Stimmen für Schuldenstreichungen durch die bilateralen Gläubiger gehört), ist seit Beginn der G20-Beratungen im Frühjahr ein Running Gag. Auch hier sind reale Erleichterungen deshalb nicht zu erwarten.
Wichtige Weichenstellungen, die das Common Framework eigentlich leisten sollte, um Schuldenerleichterungen für ein Land wie den Tschad zu ermöglichen, werden daher gar nicht stattfinden: Weder werden alle Gläubiger einbezogen, noch kann unter den einbezogenen von einer wirklichen Gleichbehandlung die Rede sein. In welchem Umfang überhaupt Schuldenerlass gewährt werden soll, ist im Moment noch das Geheimnis des IWF, der dazu seit August noch keine neue Schuldentragfähigkeitsanalyse vorgelegt hat.
Fazit: Vermutlich wird der Tschad in den kommenden Wochen eine Reduzierung seiner Schulden bei Saudi-Arabien und China sowie einiger weiterer kleinerer Gläubiger wie Indien und Frankreich zugesprochen bekommen. Das wird sich – alles zusammengenommen – im einstelligen Prozentbereich seiner gesamten Auslandsschulden bewegen, und das Land zusammen mit dem bereits gewährten Moratorium unter der DSSI zunächst zahlungsfähig halten. Müssen ab 2024 wieder Glencore und der IWF bedient werden, beginnen die gleichen Diskussionen erneut.
Aber ein schönes neues Etikett auf dem, was dem Tschad in den kommenden Wochen angeboten werden wird, gibt es schon jetzt.
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Bild: www.welt-flaggen.de