27. September 2024

Forderung nach Staateninsolvenzverfahren: Bundesentwicklungsministerin Schulze nimmt Aktionspostkarten persönlich entgegen

erlassjahr.de

Unsere Forderung nach einem Staateninsolvenzverfahren ist in Berlin angekommen: Am Donnerstag, dem 26.09.2024, hatten wir Gelegenheit, die mehr als 2.000 Aktionspostkarten, die wir im Rahmen unserer Kampagne „Mit Schulden fair verfahren!“ gesammelt hatten, persönlich an Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze zu übergeben.

Im Rahmen der Kampagne hatten etliche Mitträgerorganisationen von erlassjahr.de sowie ehrenamtliche Engagierte zahllose Veranstaltungen durchgeführt: Bei Gottesdiensten, in Weltläden oder beim Gemeindefest wurde über faire Entschuldung informiert und diskutiert. Mehr als 2.000 Menschen hatten daraufhin mit ihrer Unterschrift auf unseren Aktionspostkarten ihre Unterstützung für das Anliegen im Koalitionsvertrag ausgedrückt und wünschen sich von der Bundesregierung an diesem Punkt ein entschlossenes Handeln. 

Svenja Schulze und Malina Stutz
inspizieren den Briefkasten. Bild: BMZ

Die Aktionspostkarten waren bereits bei dem 25-jährigen Jubiläum der „Kölner Kette“ im Juni in Köln zum Einsatz gekommen. Am vergangenen Donnerstag konnten wir die Unterschriften nun offiziell an Bundesentwicklungsministerin Schulze persönlich übergeben. Bei der Übergabe waren neben erlassjahr.de-Vorstandsmitglied Klaus Göke sowie Malina Stutz und Elise Kopper von der erlassjahr.de-Geschäftsstelle zu unserer großen Freude auch mehrere Vertreter*innen von Mitträgerorganisationen des erlassjahr.de-Bündnisses anwesend, die sich an der Kampagne beteiligt hatten. 

Austausch zu lokalen Veranstaltungen und politischem Klima

Vertreter*innen von Mitträgerorganisationen
berichten von ihren Erfahrungen.

Im Anschluss an die offizielle Übergabe mitsamt Gruppenfoto nahm sich Entwicklungsministerin Schulze noch eine gute Stunde Zeit für einen inhaltlichen Austausch. Klaus Göke als Vertreter des oikos-Institut für Mission und Ökumene, Thomas Hempel und Claudia Dorn-Jarchow von der Schwestern- und Brüderschaft des Ev. Johannesstifts, Reinhild Lüder-Scholvin von der Herrnhuter Missionshilfe und Herma Geiss von der attac-Gruppe Aalen berichteten von lokalen Veranstaltungen und Gesprächen, die sie mit Menschen vor Ort über das Schuldenthema geführt haben, und schilderten die Reaktionen, auf die sie dabei gestoßen sind. Ministerin Schulze zeigte großes Interesse, da sie die zunehmende gesellschaftliche Kritik und den Druck auf ihr Ministerium in einem sich nach rechts verschiebenden politischen Diskurs deutlich spürt. Gleichzeitig betonten die Anwesenden auch, wie wichtig es sei, auch in Deutschland eine progressivere Politik zu verfolgen, die die Sorgen der Menschen hier ernst nimmt, um die gesellschaftliche Akzeptanz für Fragen der internationalen Solidarität zu fördern. 

Forderung nach fairer Entschuldung im Kontext

Klaus Schilder von Misereor
betont die Bedeutung des „FfD4“-Prozesses.

Verena Kröss als Vertreterin von Weed e. V., Ute Straub von Brot für die Welt, Klaus Schilder und Barbara Wiegard von Misereor und Carola Gast von SODI e. V. stellten die Verbindung zu anderen internationalen finanz- und wirtschaftspolitischen Themen heraus. Sie betonten, dass die schuldenpolitische Debatte im Kontext einer faireren internationalen Steuerkooperation, einer stärkeren Verankerung menschenrechtlicher Aspekte in Handelsabkommen (z. B. durch einen „UN-Treaty“), einer Stimmrechtsreform zugunsten der Länder des Globalen Südens in internationalen Finanzinstitutionen und einer Stärkung inklusiver, multilateraler Prozesse – anstelle exklusiver Foren wie der G7 oder der G20 – verstanden werden müsse. Im Anschluss ging das Gespräch dann über zu den zentralen Forderungen des erlassjahr.de-Bündnisses zur Schaffung einer faireren internationalen Schuldenarchitektur.

Bundesregierung muss sich für ausreichende Schuldenerlasse stark machen

Mit Blick auf konkrete Umschuldungsverhandlungen forderten wir die Bundesministerin auf, sich dafür stark zu machen, dass die gewährten Erleichterungen ausreichend umfangreich sind, um den betroffenen Staaten eine sozial-ökologisch nachhaltige Erholung aus der Schuldenkrise zu ermöglichen. Denn in aktuellen Verhandlungen werden meist nur minimale Erleichterungen gewährt, wodurch die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte der Bevölkerung in den Schuldnerstaaten häufig verletzt werden. Das sieht man aktuell beispielsweise deutlich in Ländern wie Sri Lanka

Malina Stutz von erlassjahr.de
erläutert die Forderungen
des Bündnisses.

Ein „Safe Harbor“-Gesetz für Deutschland 

Zudem wiederholten wir unsere Forderung, dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode ein sogenanntes „Safe Harbor“-Gesetz in den Bundestag zur Verabschiedung einbringen solle. Ein solches Gesetz würde verhindern, dass unkooperative Gläubiger Schuldnerländer vor deutschen Gerichten auf Rückzahlung ihrer Forderungen in voller Höhe verklagen können. Damit wird sichergestellt, dass internationale Vereinbarungen zu Schuldenerleichterungen von allen Gläubigern eingehalten werden. 

Einsatz für ein Staateninsolvenzverfahren

Auch bekräftigten wir unsere langfristige Forderung nach einem fairen und transparenten Staateninsolvenzverfahren unter dem Dach der UN. Denn neben Schritten auf nationaler Ebene oder in konkreten Umschuldungsverhandlungen muss Deutschland sich auch im multilateralen Rahmen für strukturpolitische Reformen einsetzen. Von zentraler Bedeutung ist hier die Vierte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, die im Sommer 2025 in Spanien stattfinden wird.

Fazit

„Menschenrechte statt Schuldendienst“:
Nicht nur ein Slogan, sondern der entscheidende Grund
für unser jahrzehntelanges Engagement
für faire Entschuldung!

Ministerin Schulze bekräftigte bei dem Termin die hohe Priorität, die sie dem Thema faire Entschuldung beimesse. Insbesondere betonte sie, dass ihr Haus ebenfalls die Notwendigkeit sehe, private Gläubiger stärker in die Pflicht zu nehmen. Nun bleibt abzuwarten, ob ihren positiven Worten konkrete Taten folgen, die sicherstellen, dass die Bundesregierung ihrem im Koalitionsvertrag gesetzten Ziel auch wirklich nachkommt. Wir als erlassjahr.de-Bündnis werden auf jeden Fall nicht locker lassen:

Zur Frage des Einbezugs privater Gläubiger organisieren wir Anfang Oktober eine Veranstaltung im Rahmen der Hamburg Sustainability Conference. Außerdem fordern wir aktuell in einem Offenen Brief Bundesfinanzminister Lindner auf, einen Gesetzesentwurf für ein „Safe Harbor“-Gesetz vorzulegen – zeichnet auch ihr noch bis zum 27. Oktober als Gruppe, Organisation oder Institution mit und sorgt damit dafür, dass wir mit unseren Forderungen nicht nur im Entwicklungsministerium, sondern auch Finanzministerium Gehör finden!

Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich allen, die zum Gelingen der Aktion beigetragen haben: all unseren Mitträgern und Unterstützer*innen, die unermüdlich Postkarten gesammelt, Gespräche geführt und in ihren Kontexten über das Schuldenthema informiert haben; allen Vertreter*innen von Mitträgerorganisationen, die gestern bei dem Gespräch dabei waren; dem zuständigen Referat im BMZ für die kollegiale Zusammenarbeit und insbesondere auch Bundesministerin Svenja Schulze, die sich die Zeit für unser Anliegen genommen hat!

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