Tschad

Hat der Tschad ein Schuldenproblem?

Die Schuldenindikatoren des Tschad sind noch relativ niedrig, aber die sehr kleine und wenig diversifizierte Volkswirtschaft ist seit der Eröffnung der Tschad-Kamerun-Pipeline vor zwanzig Jahren stark abhängig vom Ölexport und deshalb durch die von der Covid-19-Pandemie ausgelöste Rezession hart getroffen worden. Vor diesem Hintergrund hat der Tschad als eines der ersten Länder weltweit Schuldenerleichterungen unter dem Common Framework der G20 beantragt. Inzwischen ist der Ölpreis wieder stark angestiegen, was die Gläubiger am 13. Oktober 2022 dazu bewogen hat, Schuldenerleichterungen für den Tschad abzulehnen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)36,740
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)122,2150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)3,815
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)47,950
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)228,7200
Auslandsschuldenstand 2019 (US-Dollar)3,654 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger 2019 (US-Dollar)113,8 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger des Tschad?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Nur der tschadische Staat ist im Ausland verschuldet, nicht aber Banken, Unternehmen und Einzelpersonen. 2013 und 2014 vergab der Rohstoff-Konzern Glencore Öl-besicherte Großkredite von insgesamt rund 1,5 Milliarden US-Dollar an den Tschad im Zusammenhang mit der Erschließung von Rohstoffen. Inzwischen betragen diese als „andere private“ firmierenden Schulden gut ein Drittel der Auslandsschulden des Tschad.

Demgegenüber blieben die Schulden bei den öffentlichen multilateralen und bilateralen Gläubigern mit zusammen rund 2 Milliarden US-Dollar relativ stabil. Bemerkenswert ist dabei jedoch der für ein Land dieser Einkommenskategorie relativ hohe Anteil an nicht-konzessionären Schulden bei multilateralen Institutionen und in Form von bilateralen Handelsfinanzierungen.

Libyen und China sind die wichtigsten bilateralen öffentlichen Gläubiger. Ihre Forderungen sind durchweg nicht-konzessionär. Unter den im Pariser Club zusammengeschlossenen Gläubigerregierungen spielt nur Frankreich eine (seit 2017 wieder) nennenswerte Rolle als Entwicklungshilfegläubiger des Tschad. Erstaunlicherweise hat auch Angola an den Tschad konzessionäre Kredite in Höhe von 100 Millionen US-Dollar vergeben. Deutschland hält an den Tschad keine Forderungen.

Auch unter den mutilateralen Schulden wurden erhebliche Beträge zu harten Marktbedingungen aufgenommen, insbesondere bei der Zentralafrikanischen Entwicklungsbank und der der Islamischen Entwicklungsbank. Bedeutende konzessionäre Gläubiger sind die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), der Afrikanische Entwicklungsfonds, das Weichkreditfenster der Afrikanischen Entwicklungsbank und wiederum die Islamische Entwicklungsbank.

Trend

Die gesamten Auslandsschulden des Tschad sind seit der Vergabe des Glencore-Kredits 2014 zunächst stärker gestiegen, dann durch die Umsetzung des Erlasses im Rahmen der Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) (siehe unten) wieder deutlich gesunken. In den letzten fünf Jahren ist der Schuldenstand indes weniger volatil gewesen als in Nachbarländern. Durch die Abfolge von Erlass durch den offiziellen Sektor und Neukreditvergabe durch den Privatsektor im Zeitraum 2014/15 hat sich die Gläubigerstruktur des Tschad stark verändert.

Zu den schon in frühe HIPC-Phase zurückgehenden Financiers China, Kongo und Libyen kamen ab 2014/15 auch neue Geldgeber wie Angola und Kamerun. In allen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass die Investitionen im Zusammenhang mit der Ölförderung stehen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für den Tschad

Der Tschad hat erst 2015, volle 14 Jahre nach der Aufnahme in die HIPC-Initiative, die multilaterale HIPC-Initiative erfolgreich durchlaufen. Durch den kombinierten Erlass unter der HIPC-Initiative und der anschließenden Multilateral Debt Relief Initiative wurde der Gesamtschuldenstand von rund 2,4 Milliarden US-Dollar auf rund 1,6 Milliarden – also etwa ein Drittel – reduziert.

Zuvor hatte der Tschad seit 1989 viermal im Pariser Club der Gläubigerregierungen verhandelt. Drei dieser vier Abkommen, die jeweils einen begrenzten Schuldenerlass einschlossen, sind noch „aktiv“, das heißt es werden darauf weiterhin Zahlungen an die beteiligten Gläubiger geleistet.

2016/17 schuldete der Tschad Forderungen der chinesischen Entwicklungsbank ExIm-Bank um, die für den Aufbau der Ölraffinerie in N’Djamena vergeben worden waren und für die der tschadische Anteil an der Raffinerie als Sicherheit diente. Gleichwohl verzichtete China darauf, die Garantie in Anspruch zu nehmen.

Der Kredit des britischen Unternehmens Glencore wurde 2018 umgeschuldet – allerdings ohne dass der Schuldenstand dadurch reduziert würde.

Anfang 2020 hatte der Tschad sich unter dem Eindruck beginnender Zahlungsprobleme mit Angola darauf verständigt, laufende Zahlungsverpflichtungen mit der Lieferung lebender Rinder zu begleichen.

Im April 2020 wurde dem Tschad von den G20 und dem Pariser Club ein Schuldenmoratorium im Rahmen der Debt Service Suspension Initiative (DSSI) angeboten. Die Regierung akzeptierte das Angebot und konnte damit 65,4 Millionen US-Dollar an Schuldendienst des Jahres 2020 auf spätere Jahre verschieben. Das entspricht 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2019. Es kann davon ausgegangen werden, dass China rund 26 Millionen US-Dollar beisteuert, Frankreich etwa eine weitere Million.

Im Januar 2021 hat der Tschad um eine Umschuldung im Rahmen des Common Framework for Debt Treatment beyond the DSSI der G20 gebeten. Diese wurde durch den Streit über die Lastenverteilung zwischen den Gläubigerregierungen und Glencore bis Oktober 2022 blockiert. Dabei stand das schweizerische Rohstoffunternehmen auf dem Standpunkt, dass es mit der Umschuldung 2018 bereits seinen Anteil geleistet habe. Am 13.10.2022 wurde die Entschuldung unter dem Common Framework durch den Pariser Club letztendlich abgelehnt (siehe unten).

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der IWF schätzt das Überschuldungsrisko des Tschad trotz der vergleichsweise niedrigen Schuldenindikatoren (siehe oben) als „hoch“ ein.

Hatte der weltwirtschaftliche Einbruch infolge der Corona-Pandemie die Ölnachfrage und damit den Ölpreis noch auf Talfahrt geschickt, bewirkte die russische Aggression gegen die Ukraine das genaue Gegenteil: Energie wurde teuer wie schon lange nicht mehr. Die für die Entscheidung über einen Schuldenerlass entscheidende Frage ist daher, welchen Ölpreis man für die kommenden Jahre zugrunde legt.

Im Oktober 2022 entschied der Pariser Club, dass der Ölpreis mittelfristig hochbleiben wird und der Tschad daher keine Schuldenerleichterungen benötigt. Deshalb lehnte er dessen Gesuch um Erlasse im Rahmen des Common Framework ab. Dies wird dazu führen, dass die durch den volatilen Ölpreisanstieg erzielten Gewinne nicht der Entwicklung des Landes zugutekommen, sondern direkt in die Taschen der privaten und öffentlichen Gläubiger fließen.

Weiterführende Informationen

Stand: Oktober 2022