St. Lucia

Hat St. Lucia ein Schuldenproblem?

St. Lucias Auslandsschulden sind als Folge des Tourismus-Einbruchs durch die Corona-Pandemie angestiegen. Das Land ist stark von anhaltenden multilateralen Finanzierungen durch die Karibische Entwicklungsbank und die Weltbank sowie von der Möglichkeit der Verschuldung im Inland abhängig.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)45,740
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)150,4150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)9,215
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)92,149
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)432,8200
Auslandsschuldenstand (2019) (US-Dollar)733,8 Mio.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (2019) (US-Dollar)44,8 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von St. Lucia?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Alle Auslandsschulden St. Lucias entfallen vollständig auf den Staat. Private Banken und Unternehmen des Landes sind nicht im Ausland verschuldet. Etwas weniger als die Hälfte der Auslandsschulden entfällt auf private Gläubiger, ausschließlich in Form von Staatsanleihen. Die andere Hälfte entfällt zum größten Teil auf multilaterale Gläubiger. Die Schulden bei bilateralen Gläubigern resultieren ausschließlich aus Handelsgeschäften. Schulden aus der bilateralen Entwicklungshilfe hat St. Lucia nicht mehr.

Wichtigster Gläubiger ist die Karibische Entwicklungsbank, gefolgt von der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) der Weltbank. Als bilaterale Einzelgläubiger lassen sich mit einstelligen Millionenbeträgen Trinidad und Tobago, Kuwait und Frankreich identifizieren; allerdings gibt es einen größeren Teil von konsortialen Finanzierungen, deren einzelne Bestandteile von der Weltbank nicht offen gelegt werden.

Trend

Alle Schuldenindikatoren St. Lucias sind von 2017 bis 2020 um mindestens 10 Prozent angestiegen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für St. Lucia

St. Lucia hat noch nie seine Schulden restrukturiert. Für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) war es als Mitteleinkommensland nicht qualifiziert. Allerdings hat es 2021 die im Vorjahr von den G20 geschaffene Moratoriumsinitiative (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) in Anspruch genommen. 6,6 Millionen US-Dollar oder 0,3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung konnten im gleichen Jahr dadurch eingespart werden. Ab 2023 muss der eingesparte Schuldendienst allerdings nachgezahlt werden.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt St. Lucia ein „mittleres“ Überschuldungsrisiko, das heißt, dass zwar im vom IWF durchgerechneten Basisszenario keiner der kritischen Grenzwerte in den nächsten zehn Jahren überschritten wird, wohl aber bei mindestens einem der routinemäßig durchgerechneten Schock-Szenarien. Nach der Bewertung des Schuldenreport 2022 ist St. Lucias Schuldensituation „kritisch“. Das ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem Schuldenreport 2020, als die Bewertung noch „leicht kritisch“ lautete.

Eine Besonderheit der Verschuldungssituation St. Lucias ist, dass der Staat nicht nur im Ausland, sondern zusätzlich im Inland stark verschuldet ist. Das heißt: Die Hauptgefährdungen stammen nicht aus der Auslands-, sondern, wie der hohe Indikator der öffentlichen Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zeigt, aus der öffentlichen Verschuldung. Als Teil einer Währungsgemeinschaft (Ostkaribischer Dollar) kann St. Lucia seine Schulden nicht im Bedarfsfall „weginflationieren“, indem es Geld druckt.

Drei Risiken für St. Lucias Schuldentragfähigkeit sind besonders akut:

  • Die Gefahr einer Austrocknung der Einnahmen aus dem Citizenship by Investment-Programm (CBI), das in der Zahlungsbilanz spürbar zu Buche schlägt. Unter CBI können Investoren, die einen Mindestbetrag in St. Lucia investieren, beschleunigt die Staatsbürgerschaft erhalten, die wiederum den visafreien Zugang in die EU, die USA und Kanada ermöglicht. Eine plötzliche Veränderung dieser Regel in den genannten Ländern – etwa im Zuge der Sanktionen gegen reiche Russ*innen wegen des Ukraine-Kriegs – kann die Insel finanziell hart treffen.
  • St. Lucia ist nach dem Umweltrisiken-Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) „extrem gefährdet“. Die Insel hat die letzten beiden Hurrikan-Saisons glimpflich überstanden. Ein Blick zu den Nachbarn in Dominica, wo Hurrikan „Maria“ 2017 rund 200 Prozent der Wirtschaftsleistung in einer Nacht zerstört hat, zeigt, was auch auf St. Lucia passieren könnte, wenn einer der Stürme etwas weiter südlich durchzieht.
  • Der infolge der Corona-Pandemie nahezu komplette Ausfall des Tourismus von dem St. Lucia so abhängig ist wie seine Nachbarn, ist wesentlich für den dramatischen Anstieg der Schuldenindikatoren in den Jahren 2020 und 2021 verantwortlich. Für 2022 wird mit einer Erholung gerechnet. Sollten neue Covid-Wellen diese Hoffnung zunichte machen, hätte das gravierende Folgen für St. Lucia.

Politische Empfehlungen

Die Regierung von St. Lucia sollte zusammen mit den Nachbarstaaten auf die Schaffung einer rasch wirksamen Möglichkeit für ein Schuldenmoratorium und ein faires Entschuldungsverfahren im Falle externer Schocks hinarbeiten. Das karibische Entschuldungsnerzwerk Jubilee Caribbean hat entsprechende Vorschläge vorgelegt. Das „Statement on Debt“ vom Juni 2020 der Assoziation kleiner Inselstaaten (AOSIS) in der St. Lucia aktives Mitglied ist, hat gleichlautende Vorschläge auch in den Vereinten Nationen gemacht.

Stand: April 2022

Förderhinweis

OSF

gefördert durch einen Zuschuss der Open Society Foundations