Somalia

Hat Somalia ein Schuldenproblem?

Somalia war seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 gegenüber allen seinen Gläubigern im Zahlungsausfall. Beginnend mit der schrittweisen Stabilisierung der politischen Situation 2017 gibt es mittlerweile wieder Kontakte zwischen Somalia und seinen Gläubigern. Im März 2021 erreichte Somalia den Decision Point im Rahmen der multilateralen Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC). Wenn die HIPC-Initiative und die ergänzende Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) bis Ende des Jahres 2023 planmäßig umgesetzt werden können, hat das Land gute Chancen ab 2024 mit einem tragfähigen Schuldenniveau einen wirtschaftlichen Neuanfang zu starten.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)66,740
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)269,0150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)1,315
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)47,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)931,4200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)4,853 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)17,4 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Somalia?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Somalias Auslandsschulden gehen vor 2018 auf Kreditvergaben während des Kalten Krieges zurück. Daher resultieren die starken Engagements der USA wie auch Russlands und der ehemaligen Kolonialmacht Italien. Während die damaligen Großmächte vor allem nicht-konzessionäre Kredite vergeben haben, gehen Italiens 624 Millionen US-Dollar Forderungen ausschließlich auf die Entwicklungszusammenarbeit zurück. Weitere wichtige EZ-Geber sind wiederum Russland, Kuwait und Japan. Bei den Handelsforderungen ist neben den genannten USA und Sowjetunion/Russland noch Frankreich ein bedeutender Gläubiger. Deutschland hält keine Forderungen an Somalia.

Unter den multilateralen Gläubigern ist der Internationale Währungsfonds (IWF) seit der Aufnahme des Landes in die HIPC-Initiative der bedeutendste, gefolgt von der Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, und verschiedenen arabischen Fonds.

Trend

Seit dem Zusammenbruch der somalischen Staatlichkeit in den neunziger Jahren blieb der Schuldenstand des Landes nahezu unverändert, da der nur noch ansatzweise existierende Staat weder neue Kredite aus dem Ausland erhielt, noch Schuldendienst leistete.

Das änderte sich mit der Aufnahme in die HIPC-Initiative (siehe unten). Schon im Jahr 2018 stieg Somalias nomineller Schuldenstand von 2,8 Milliarden US-Dollar auf 5,5 Milliarden US-Dollar, ohne dass nennenswerte Mittel ins Land geflossen waren. Fast alle Gläubiger hatten im Hinblick auf eine mögliche Behandlung unter der HIPC-Initiative verzinste Zahlungsrückstände als neue kurzfristige Forderungen an die Weltbank gemeldet.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Somalia

Somalia hatte vor dem Zusammenbruch des Staates zweimal im sogenannten Pariser Club der Gläubigerregierungen Umschuldungen ausgehandelt, nämlich 1985 und 1987.

2005 hat China alle seine Forderungen in Höhe von allerdings bescheidenen 3 Millionen US-Dollar gestrichen. 2006 hat Saudi-Arabien rund 106 Mio. US-Dollar umgeschuldet.

Im März 2021 erreichte Somalia nach einem fragilen Friedensschluss der neuen Zentralregierung mit konkurrierenden Milizen den Decision Point der HIPC-Initiative. Seither steigen die Schulden des Landes nominal nicht weiter an, da den wiedereinsetzenden neuen Finanzierungen vor allem aus multilateralen Quellen bereits Interim-Schuldenerlasse im Rahmen der HIPC-Initiative gegenüberstehen. Diese werden aktuell aber nur auf die laufenden Zahlungen gewährt, so dass der Schuldendienst extrem niedrig bleibt, während die eigentlichen Schuldenstände davon weitgehend unberührt bleiben und bei planmäßiger Umsetzung der Initiative erst Ende 2023 gestrichen werden sollen.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Wenn Somalia die HIPC/MDRI-Initiative planmäßig durchläuft, hat das Land gute Chancen, ab 2024 von seinen Altschulden weitgehend entlastet zu werden (nach IWF-Berechnungen von 5,2 Milliarden US-Dollar auf rund 550 Millionen US-Dollar; das entspräche nur noch 7 Prozent des erwarteten Bruttoinlandsprodukts). Dass dies gelingt, ist allerdings alles andere als sicher:

  • Die politische Stabilität des Landes ist weiterhin fragil; der Completion Point der Intiative kann nur bei weitgehender Umsetzung des IWF-Programms erreicht werden.
  • Der Status der selbsterklärten unabhängigen Teilrepubliken Puntland und Somaliland ist weiterhin ungeklärt. Ob eine friedliche Wiedervereinigung sinnvoll und erreichbar ist, ist offen.
  • Im Jahr 2022 wurde auch Somalia von der in ganz Ostafrika herrschenden Dürre erfasst. Lebensmittelimporte wurden zudem durch die russische Aggression gegen die Ukraine erschwert.
  • Vor einem Schuldenerlass braucht Somalia frisches Geld, um gemäß den Regeln der HIPC-Initiative zunächst die Zahlungsrückstände bei IWF und IDA zu begleichen, bevor alle bilateralen und noch übrigen multilateralen Schulden gestrichen werden.

Die letztgenannte Bedingung im HIPC-Regelwerk ist im Falle Somalias besonders absurd und kontraproduktiv, da alle multilateralen Schulden rückständig sind. Das heißt, der durch die Entschuldungsinitiative angestrebte Erlass multilateraler Schulden fände gar nicht statt. Vielmehr wird erwartet, dass ein gutwilliger und zahlungskräftiger Geber IWF und IDA ausbezahlt. Im August 2019 hat die Weltbank allerdings mitgeteilt, dass sie über die nötigen internen Mittel für eine Streichung ihrer Forderungen an Somalia verfügt. Bei der Afrikanischen Entwicklungsbank ist das nur teilweise der Fall, beim IWF überhaupt nicht. Österreich und im Februar 2023 zuletzt auch Deutschland haben dafür Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt.

Politische Empfehlungen

Die Bemühungen der somalischen Regierung um eine rasche Entschuldung sollten weiterhin von einer breiten Koalition aus somalischen und in Somalia tätigen internationalen Nichtregierungsorganisationen unterstützt werden.

Stand: Februar 2023