Seychellen

Haben die Seychellen ein Schuldenproblem?

Die Seychellen sind durch den Tourismus-Einbruch infolge der Corona-Pandemie 2020 in eine dramatische Überschuldungssituation geraten. Seit 2021 lässt eine Normalisierung des Tourismus-Sektors erkennen. Nur wenn dieser nachhaltig ist, steuert das Land nicht kurzfristig auf die Zahlungsunfähigkeit zu.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)446,740
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)493,1150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)79,715
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)100,850
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)276,8200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)k.A.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)k.A.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Das Jahr 2020 war extrem kritisch für die Seychellen: Der Export von Dienstleistungen in Form von Tourismus ist infolge der Corona-Pandemie extrem eingebrochen, wodurch alle Indikatoren, die Verschuldung und Wirtschaftsleistung zueinander ins Verhältnis setzen, dramatisch angestiegen sind.

Wer sind die Gläubiger der Seychellen?

Die Seychellen berichten nicht an das Debtor Reporting System der Weltbank. Deswegen liegen keine genauen Informationen über die gesamten Auslandsschulden vor, sondern lediglich über die öffentlichen Schulden. Von 1,026 Milliarden US-Dollar öffentlicher Schulden entfallen 552,5 Millionen US-Dollar auf ausländische und der Rest auf inländische Gläubiger.

Von den öffentlichen Auslandsschulden entfallen 255,5 Millionen US-Dollar auf multilaterale Gläubiger. Die größten davon sind die Weltbank mit 69,7 Millionen US-Dollar, die Afrikanische Entwicklungsbank mit 64,3 Millionen US-Dollar, der Internationale Währungsfonds (IWF) mit 54,1 Millionen US-Dollar, die Europäische Investitionsbank mit 37,1 Millionen US-Dollar und die Arab Bank for Economic Development in Africa mit 19,5 Millionen US-Dollar.

Auf bilaterale Gläubiger entfallen 107,1 Millionen US-Dollar. Die größten davon sind Frankreich mit 30,8 Millionen US-Dollar und China mit 18,3 Millionen US-Dollar, gefolgt von Saudi-Arabien mit 13,8 Millionen US-Dollar. Deutschland hält lediglich Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 3 Millionen Euro an die Seychellen. Bei den übrigen Gläubigern ist die Aufteilung auf konzessionäre und nicht-konzessionäre Schulden nicht veröffentlicht.

189,9 Millionen US-Dollar entfallen auf einen einzigen kommerziellen Gläubiger, nämlich die Scotiabank-Tochter MCB.

Trend

Seit der Umschuldung 2009-2011 verbesserten sich die Schuldenindikatoren der Seychellen bis 2019 kontinuierlich. Dieser positive Trend wurde 2020 durch den Zusammenbruch des internationalen Tourismus dramatisch umgekehrt.

Bisherige Schuldenerleichterungen für die Seychellen

2009 erreichten die Seychellen eine umfassende Umschuldung ihrer bilateralen Verbindlichkeiten im Pariser Club in Höhe von 160 Millionen US-Dollar. Die Verschuldung gegenüber den acht einbezogenen Mitgliedsstaaten des Pariser Clubs reduzierte sich um rund 45 Prozent. Private Banken gewährten eine vergleichbare Reduzierung ihrer Forderungen in Höhe von 110 Millionen US-Dollar.

Anfang 2010 tauschten die Seychellen Anleihen im Umfang von 320 Millionen US-Dollar gegen neue Papiere, deren Nennwert nur noch halb so hoch war. Auf den Barwert bezogen betrugen die Schuldenerleichterungen sogar 75 Prozent.

Für die Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete Länder um das Jahr 2000 waren die Seychellen nicht qualifiziert.

2015 haben die Seychellen rund 30 Millionen US-Dollar ihrer noch ausstehenden Schulden gegenüber Mitgliedern des Pariser Clubs sowie Südafrika in Maßnahmen zum Schutz der Meeresökonomie (Blue Economy) umgewandelt.

Von der Moratoriumsinitiative Debt Service Suspension Initiative (DSSI) der G20 blieben die Seychellen trotz ihres Status als kleiner Inselentwicklungsstaat (SIDS) wegen ihrer Kategorisierung als Hocheinkommensland ausgeschlossen.

Im Juli 2021 gelang der Regierung eine spürbare Streckung der inländischen öffentlichen Schulden durch einen Tausch ausstehender Anleihen gegen länger laufende Papiere.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Im Schuldenreport 2022 wird die Schuldensituation der Seychellen für das Jahr 2020 als „sehr kritisch“ beschrieben. Im Lauf des Jahres 2021 und speziell um den Jahreswechsel 2021/22 haben die Übernachtungszahlen knapp wieder Vorkrisenniveau erreicht, nachdem sie im Vorjahr auf quasi null gefallen waren. Sollte dieser Trend anhalten oder den Seychellen rasch eine spürbare Diversifizierung ihrer Wirtschaftsstruktur gelingen, könnte die aufgelaufene Überschuldung nach und nach wieder abgebaut werden. Dazu könnten gegebenenfalls weitere Streckungen der Zahlungsverpflichtungen ohne einen direkten Schuldenerlass einen Beitrag leisten.

Sollte der Tourismus weiter oder erneut einbrechen, wird das Land dringend eine deutliche Schuldenreduzierung benötigen, wenn es nicht in einen anhaltenden Zahlungsausfall geraten soll.

Eine zusätzliche Bedrohung stellt die dramatische Erhöhung des Zinsdienstes durch Strafzinsen gegenüber dem IWF dar. Die Seychellen nehmen in diesem Jahr 483,44 Prozent ihrer Quote an IWF-Finanzierungen in Anspruch. Damit überschreiten sie die Obergrenze von 187 Prozent. Das heißt, sie müssen auf mehr als die Hälfte der in Anspruch genommenen Mittel einen Strafzins von aktuell rund 2 Prozent zahlen.

Der IWF selbst sieht zusätzliche Bedrohungen indes nicht in seiner eigenen zusätzlichen Belastung der Seychellen, sondern laut seinem Bericht von Juni 2022 in möglichen Preisanstiegen für Importgüter infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine sowie den Klimawandel.

Politische Empfehlungen

Wie einige andere SIDS sind die Seychellen ein Opfer ihres wirtschaftlichen Erfolgs und des resultierenden Aufstiegs zum Hocheinkommensland geworden, der sie von Schuldenerleichterungen sowie von konzessionären Finanzierungen weitgehend abschneidet. Die Regierung sollte sich deshalb besonders dringend dafür einsetzen, dass der Zugang zu multilateral koordinierten Schuldenerleichterungen wie der DSSI und dem Entschuldungsrahmenwerk Common Framework der G20 nicht länger vom Einkommensniveau eines Landes abhängig gemacht wird. Geeigneter als eine Orientierung am Einkommensniveau erscheint ein Multidimensionaler Vulnerabilitätsindex (MVI), an dem im Auftrag des UN-Generalsekretärs derzeit die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) arbeitet.

Darüber hinaus sollten die Seychellen sich zusammen mit anderen betroffenen Staaten für die Abschaffung der Zinsaufschläge des IWF im Falle von Überinanspruchnahmen von IWF-Mitteln einsetzen.

Stand: August 2022