Senegal

Hat der Senegal ein Schuldenproblem?

Der Senegal war in den vergangenen Jahren seit der erfolgreichen Entschuldung unter den multilateralen Initiativen HIPC/MDRI ein politisch und wirtschaftlich vergleichsweise stabiles Land in einer wenig stabilen Weltregion. Die enorme Kreditaufnahme in den letzten drei Jahren hat diese Stabilität aufs Spiel gesetzt. Erstmals seit HIPC ist der Senegal wieder ein Kandidat für Schuldenerleichterungen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand Ende 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)81,340
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)389,9150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)30,015
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)65,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)304,5200
Auslandsschuldenstand 2019 (US-Dollar)13,581 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger 2019 (US-Dollar)946 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger des Senegal?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Senegals Auslandsschulden entfallen fast vollständig auf den Staat. Senegalesische Unternehmen, Banken und Privatpersonen sind nur in bescheidenem Umfang im Ausland verschuldet. Noch etwas mehr als die Hälfte der Schulden entfällt auf öffentliche bilaterale oder multilaterale Gläubiger. Wichtigster bilateraler Gläubiger ist China mit Forderungen von mehr 1,2 Milliarden US-Dollar. Etwa halb so hoch sind die Forderungen des Zweitplatzierten, Frankreich. Der Senegal weist eine erstaunlich hohe Zahl an bilateralen Gläubigern auf, ist damit weniger als andere von nur wenigen Gebern abhängig. Die Weltbank weist auch Deutschland mit einem großen Sprung von 8 Millionen US-Dollar Forderungen an den Senegal in 2018 auf 154 Millionen in 2019 aus. In deutschen Statistiken werden überhaupt keine Forderungen an den Senegal aufgeführt.

Unter den multilateralen Gläubigern ist mit großem Abstand die Weltbanktochter International Development Agency (IDA) am wichtigsten.

2009 konnte der Senegal erstmals eine Anleihe am Kapitalmarkt platzieren. Seither ist der Anteil der Anleihegläubiger am Gesamtschuldenstand weiter gewachsen, besonders dramatisch von 2017 auf 2019, als sich die Anleiheschulden von gut zwei auf mehr als vier Milliarden US-Dollar verdoppelten.

Trend

Senegals Auslandsschulden sind seit 2010 kontinuierlich gewachsen. Entsprechend haben die Indikatoren ebenfalls zugenommen. Besonders dramatisch war der Anstieg aller Indikatoren in der Zeit nach 2017, als der Senegal sich massiv im Ausland verschuldete.

Bisherige Schuldenerleichterungen für den Senegal

Der Senegal hält den traurigen Rekord als Spitzenreiter bei den Umschuldungen im Pariser Club: Vierzehn mal hat das Land seit 1981 in Paris verhandelt. In den ersten sechs Runden bis 1987 wurde nur ohne Schuldenerleichterungen umgeschuldet. Bis zur weitgehenden Streichung aller Forderungen der Pariser Club-Mitglieder im Jahr 2004 wurden dann nach und nach erweiterte Schuldenerleichterungen gewährt.

Den Decision Point im Rahmen der HIPC-Initiative erreichte das Land 2000 und den Completion Point im Jahr 2004. Im darauffolgenden Jahr 2005 wurden dann alle noch ausstehenden Forderungen der Weltbanktochter IDA, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) gestrichen. Erst dadurch wurde der Schuldenstand substanziell reduziert: von 3,7 Milliarden US-Dollar auf 1,8 Milliarden US-Dollar, nachdem die HIPC-Entlastungen den Gesamtschuldenstand kaum verringert hatten. Der Senegal gehört damit zu den Ländern, die durch die unabhängig vom noch ausstehenden Schuldenstand gewährte Entlastung der MDRI am meisten profitiert haben.

Vor der HIPC/MDRI-Entschuldung hatte der Senegal zwischen 1984 und 1996 vier mal mit seinen damaligen Privatgläubigern im “Londoner Club” verhandelt und dabei insgesamt 214 Millionen US-Dollar Verbindlichkeiten umgeschuldet.

Im COVID-Jahr 2020 qualifizierte sich der Senegal für die Debt Service Suspension Initiative (DSSI) der G20. Im Jahr 2020 spart er dadurch 139,2 Millionen US-Dollar Schuldendienst an die Mitglieder von G20 und Pariser Club. Das entspricht rund 0,6 Prozent seiner Wirtschaftsleistung von 2019. Allerdings müssen nach den Regularien der DSSI die ausgefallenen Beträge zwischen 2023 und 2025 nachgezahlt werden – wenn es zwischenzeitlich nicht noch zu echten Schuldenerlassen kommt.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der IWF schätzt das Überschuldungsrisiko des Senegal trotz der dramatisch ansteigenden Schuldenindikatoren und absoluten Schuldenstände in seiner Tragfähigkeitsanalyse vom Juni 2020 nur als „mittel“ ein. Das heißt, er geht davon aus, dass der Senegal nicht in Zahlungsschwierigkeiten gerät, wenn er alle mit dem IWF vereinbarten Maßnahmen umsetzt. Ein (weiterer) Schock könnte die Schulden allerdings untragbar werden lassen.

In der Analyse von erlassjahr.de überschreitet der Senegal unter dem Einfluss der Pandemie zehn von fünfzehn Grenzwerten. Vier von fünf Schuldenindikatoren haben sich in den letzten vier Jahren um mindestens zehn Prozent (tatsächlich bedeutend mehr) verschlechtert. Im Schuldenreport 2021 führt erlassjahr.de den Senegal deswegen erstmals als „sehr kritisch“ verschuldetes Land.

Politische Empfehlungen

Der Senegal sollte sich für die Umwandlung des bisherigen Schuldenmoratoriums der G20 in einen echten Erlass einsetzen. Darüber hinaus wird die Frage, ob private Anleihegläubiger, die rund ein Drittel der Forderungen an den Senegal halten, in Schuldenerleichterungen einbezogen werden (was sie Anfang 2021 de facto nicht sind), für den Senegal von entscheidender Bedeutung sein.

Weiterführende Informationen und Materialien:

Präsentation: “Schulden, Entschuldung und unser Partnerland” (2014)

 

Stand: Februar 2021