Ruanda

Hat Ruanda ein Schuldenproblem?

Ruanda ist eines der 36 Länder, die seit 1996 die Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) vollständig durchlaufen haben. Nach dem umfassenden Erlass der multilateralen Schulden unter der Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) 2005 lagen alle Schuldenindikatoren zunächst stabil unter den kritischen Grenzwerten. Ab 2016 gab es erst moderate und dann immer deutlichere Überschreitungen. Insbesondere das Verhältnis von Schulden und Schuldendienst zu den Hartwährungseinnahmen aus dem Export von Gütern und Dienstleistungen hat sich rapide verschlechtert.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)82,940
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)422,6150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)37,915
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)66,650
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)271,1200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)8,994 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)806,4 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Ruanda?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Drei Viertel von Ruandas Auslandsschulden entfallen auf den öffentlichen Sektor. Private Banken und Unternehmen ohne öffentliche Garantie schulden ziemlich genau ein Viertel. Dieser Anteil wächst indes beständig.

Mit knapp der Hälfte aller Auslandsschulden sind die multilateralen Geber weiterhin die wichtigste Gläubigergruppe und zwar ganz überwiegend zu konzessionären Bedingungen.

Wichtigste Kreditgeber sind die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, mit 2,5 Milliarden US-Dollarr und der Afrikanische Entwicklungsfonds, das konzessionäre Kreditfenster der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) mit 742 Millionen US-Dollar an Forderungen. Dazu kommen fünf kleinere multilaterale Geber. Der OPEC Fonds und die AfDB sind die wichtigsten unter den nicht-konzesssionären Gebern.

Wichtigster bilateraler Gläubiger ist China mit mehr als 333 Millionen US-Dollar an Handelsforderungen. Mit 143 beziehungsweise 102 Millionen US-Dollar folgen Japan und Frankreich; allerdings sind deren Forderungen konzessionär.

Trend

Nach seiner HIPC-Entschuldung (siehe unten) galt Ruanda sehr lange als eine der Erfolgsgeschichten der multilateralen Entschuldungsinitiative. Von 2014 bis 2021 haben sich die gesamten Schulden allerdings verdreifacht. Da in den Krisenjahren 2020 und 2021 die gesamte Wirtschaft und die speziell die Hartwährungseinnahmen nicht mehr im gleichen Tempo wie die Schulden gewachsen sind, verzeichneten gerade die letzten beiden Jahre einen dramatischen Anstieg aller Schuldenindikatoren.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Ruanda

1998, 2002 und 2005 hat Ruanda von seinen bilateralen öffentlichen Gläubigern Schuldenerleichterungen im Pariser Club erhalten. Die beiden letztgenannten Regelungen waren Teil der umfassenden Schuldenstreichung im Rahmen der HIPC-Initiative (2002) beziehungsweise der MDRI (2005).

Für die Debt Service Suspension Initiative (DSSI), die Moratoriumsinitiative der G20 zur Unterstützung des Kampfs gegen Covid-19 war Ruanda qualifiziert, hat eine Beteiligung allerdings abgelehnt.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Ruanda 2022 von einem Land mit niedrigem zu einem mit mittlerem Überschuldungsrisiko hochgestuft. Das heißt, dass das Land zwar nicht unter dem vom IWF als wahrscheinlich angenommenen Basisszenario, aber unter mindestens einem der routinemäßig durchgerechneten Krisenszenarien in Schwierigkeiten kommen würde.

Das Land ist in hohem Maße von den sehr günstigen Finanzierungen durch seine Entwicklungshilfe-Geber abhängig. 2017 deckten diese 39 Prozent des Staatshaushaltes. Sollte es zu politischen Problemen mit einem der wichtigen Geber oder zu Auseinandersetzungen mit der Weltbank-Tochter IDA oder dem Afrikanischen Entwicklungsfonds kommen, können die Auslandsschulden schnell in die Zahlungsunfähigkeit führen.

Ruanda ist weniger als andere afrikanische Länder verletzlich für Rohstoffpreisschwankungen, da es eine vergleichsweise diversifizierte Exportstruktur aufweist: Neben dem Export von Mineralien spielen auch Kaffee und Tee sowie zunehmend Einnahmen aus dem Tourismus eine Rolle.

Die instabile politische Situation in der Region der Großen Seen und die Verwicklung des Landes in den Krieg im Ost-Kongo bergen zudem das Potenzial für eine weitere Verschärfung der Schuldensituation.

Politische Empfehlungen

Ruanda sollte als eine starke Stimme in Ostafrika und in den G77 die aktuell bis in den IWF und die G20 hinein diskutierten Reformen der globalen Schuldenarchitektur unterstützen. Präventiv sollte es die Kreditaufnahme im Ausland weitgehend auf konzessionäre Finanzierungen beschränken und nur für besonders produktive Vorhaben auf marktmäßige Finanzierungen zurückgreifen.

Stand: Februar 2023