Pakistan

Hat Pakistan ein Schuldenproblem?

Im Juli 2022 wurde Pakistans Ausblick von den Ratingagenturen Fitch und Moody‘s von „stabil“ auf „negativ“ herabgestuft. Der Schuldenreport von erlassjahr.de stuft die Verschuldungssituation des Landes schon länger als „sehr kritisch“ ein. Es gehört zu den Ländern, die immer wieder genannt werden, wenn es um die gefährdetsten in der aktuellen Schuldenkrise geht.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)42,140
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)390,5150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)52,315
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)92,850
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)614,6200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)116,505 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)9,0 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Pakistan?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Fünf Sechstel von Pakistans Auslandsschulden gehen zu Lasten des Staates. Private pakistanische Banken, Unternehmen und Einzelpersonen sind nur in relativ bescheidenem Umfang im Ausland verschuldet und zwar fast ausschließlich bei ausländischen Banken.

Sowohl bei den multilateralen als auch den bilateralen öffentlichen Gläubigern überwiegen die Kredite zu marktnahen Bedingungen. Zinsgünstige öffentliche Finanzierungen sind zwar immer noch ein erheblicher Teil der Auslandsverschuldung, doch die multilateralen Finanzierungen gehen spürbar zurück, während die bilateralen stagnieren.

Der pakistanische Staat ist zusätzlich zu seinen Auslandsschulden auch stark bei inländischen Banken und Anlegern verschuldet.

China ist mit mehr als 20 Milliarden US-Dollar vor allem in Form kommerzieller Kredite im Rahmen der Neuen-Seidenstraßen-Initiative mit Abstand Pakistans wichtigster Gläubiger. Mit deutlichem Abstand folgt Japan. Dessen mehr als 5 Milliarden US-Dollar sind allerdings überwiegend zu Entwicklungshilfekonditionen vergeben worden und deshalb für die Leistungsbilanz Pakistans weniger bedrohlich. Nach Angaben der Weltbank folgen dann Frankreich und Deutschland mit jeweils mehr als 1 Milliarde US-Dollar. Allerdings weichen die Weltbank-Angaben deutlich von denen des Bundesfinanzministeriums ab: Während die Weltbank mehr als 1 Milliarde als Handelsschulden verbucht, weist das BMF 1 Milliarde an Entwicklungshilfekrediten aus. Mit den BMF-Zahlen wäre Pakistan aktuell nach Ägypten, Indien und China der viertgrößte Entwicklungshilfeschuldner Deutschlands.

Unter den multilateralen Gläubigern sind mit jeweils mehr als 10 Milliarden US-Dollar die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Asiatische Entwicklungsbank die bedeutendsten nicht-konzessionären Finanzierer. Aber auch die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) hält Forderungen von über 7 Milliarden US-Dollar, welche die Datenbank der Weltbank als nicht-konzessionär ausweist. Mit weitem Abstand folgen dann die Islamische Entwicklungsbank und die von China jüngst ins Leben gerufene Asiatische Infrastruktur und Entwicklungsbank. Auf der konzessionären Seite hält die IDA über 8 Milliarden US-Dollar zu genuinen IDA-Bedingungen. Bei der Asiatischen Entwicklungsbank fallen 3 Milliarden US-Dollar in diese Kategorie.

Trend

Alle Schuldenindikatoren haben sich zwischen Ende 2016 und Ende 2020 um mindestens 10 Prozent verschlechtert. Besonders kritisch haben sich die gesamten öffentlichen Schulden im Verhältnis zu den laufenden öffentlichen Einnahmen entwickelt. Dies hat mit der relativ geringen Steuerquote in Pakistan zu tun. Aber auch der gesamte (private und öffentliche) Schuldendienst an das Ausland im Verhältnis zu den dort erzielten Exporteinnahmen wird mit 52,3 Prozent nur von Ländern auf der Welt übertroffen.

Bemerkenswert ist, dass Pakistan nach Angaben der Weltbank bis Ende 2020 gegenüber keinem seiner Gläubiger in Zahlungsverzug geraten ist.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Pakistan

Pakistan hat von 1972 bis 2001 insgesamt sechs Mal mit seinen öffentlichen Gläubigern im sogenannten Pariser Club der Gläubiger Umschuldungen ausgehandelt. Dabei handelte es sich lediglich um Umschuldungen ohne ein nennenswertes Erlasselement. Bemerkenswert sind die letzten drei Runden (1999 und zwei in 2001) insofern, als Pakistan das erste Land war, bei dem der Pariser Club darauf bestanden hat, dass auch Schulden in Form von Anleihen unter die so genannte „Gleichbehandlungsklausel“ fallen. Mit dieser Klausel verpflichtet sich das Schuldnerland, von allen Gläubigern außerhalb des Pariser Clubs mindestens die gleichen Umschuldungsbedingungen zu erwirken wie unter dem vorliegenden Abkommen. Anleihen waren bis dahin von solcher Gleichbehandlung ausgenommen. Seither werden sie indes standardmäßig einbezogen.

Für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder um das Jahr 2000 war Pakistan nicht qualifiziert.

Allerdings hat Pakistan im Frühjahr 2020 die von den G20 geschaffene Debt Service Suspension Initiative (DSSI) in Anspruch genommen. Es konnte dadurch insgesamt mehr als 7 Milliarden US-Dollar an laufendem Schuldendienst der Jahre 2020 und 2021 aussetzen. Diese müssen allerdings in fünf gleich großen Raten und verzinst in den Jahren 2023-2027 zurückgezahlt werden. Ein zusätzlicher Schuldendienst von 1,3 Milliarden US-Dollar kommt dadurch auf das Land zu. Da das Moratorium ausdrücklich dazu gedacht war, Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu finanzieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Pakistan für diese zusätzliche Belastung Rücklagen bilden konnte.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Pakistans Schuldenprofil hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert.

Im Sommer 2019 warnte US-Außenminister Pompeo (vergeblich) den IWF davor, ein Paket für Pakistan zu beschließen, welches nur den laufenden Schuldendienst an China sicherstelle. Wenn die Rivalität zwischen den Supermächten den Finanzfluss an Pakistan gefährdet, könnte das Land sehr schnell in die Zahlungsunfähigkeit abrutschen.

Pakistan weist traditionell ein sehr hohes Leistungsbilanzdefizit auf, welches durch Entwicklungshilfe, Rücküberweisungen von pakistanischen Migrant*innen vor allem in den Golf-Staaten sowie Kreditaufnahme gedeckt werden muss.

Der Wirtschaftseinbruch infolge der Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine sowie die politische Instabilität im Zuge der Abwahl von Präsident Khan können Pakistan sehr schnell in eine sehr kritische Lage bringen.

2023 kommen – ohne die zusätzliche Belastung durch die verschobenen Zahlungsverpflichtungen der DSSI – rund 21 Milliarden US-Dollar Schuldendienst auf Pakistan zu. Zwei Drittel davon gehen an den chinesischen Staat und chinesische Banken. Pakistan ist dadurch extrem abhängig von der Bereitschaft Chinas, den laufenden Schuldendienst durch Neukredite zu refinanzieren. Der Konflikt im April 2022 über die Aussetzung chinesischer Stromlieferungen und die Umstrukturierung der gemeinsamen Behörde für die Seidenstraßenprojekte (CPECA) dürften die Atmosphäre zwischen beiden Seiten nicht gerade verbessert haben.

Politische Empfehlungen

Als Atommacht und Nachbar Afghanistans kann Pakistans Schuldensituation nicht isoliert vom geopolitischen Kontext betrachtet werden.

Der bis April 2022 amtierende Präsident Imran Khan hatte unter anderem im Kontext der Vereinten Nationen für kohärente Entschuldungsoptionen und entsprechende Reformen der globalen Finanzarchitektur geworben. Angesichts der fragilen innenpolitischen Lage können von der amtierenden Regierung vergleichbare Initiativen kaum erwartet werden. Bei einer weiteren Zuspitzung der fiskalischen Situation kann es nötig werden, zu kurzfristigen Zahlungseinstellungen gegenüber einzelnen Gläubigern oder die Aushandlung von innovativen Instrumenten wie Schuldenumwandlungen zu greifen.

Weiterführende Informationen und Materialien:

Video: “Abdul Khaliq, CADTM Pakistan, on the debt crisis in Pakistan in times of COVID-19” (Mai 2021)

Stand: August 2022