Mosambik

Hat Mosambik ein Schuldenproblem?

Mosambik befindet sich seit 2016 im teilweisen Zahlungsausfall. Damals war ans Licht gekommen, dass die vorangegangene Regierung unter Umgehung des Parlaments Kredite dreier halbstaatlicher Unternehmen in Höhe von insgesamt knapp 2 Milliarden US-Dollar autorisiert hatte. Diese Kredite waren überwiegend für die Beschaffung militärischer und sogenannter Dual-Use-Güter verwendet worden oder sind auf fragwürdigen Kanälen gar nicht erst ins Land gekommen. 2022 wurde der Skandal mit der teilweisen Verurteilung der beteiligten Banken „abgeschlossen“.

Mosambik hat trotz des Skandals Zugang zu erheblichen internationalen Mitteln erhalten, wodurch es inzwischen zu einem der am höchsten verschuldeten Länder Afrikas geworden ist. Diese Mittel flossen in der Erwartung erheblicher Gewinne aus dem eigentlich schon für 2022 geplanten Gasexport ganz überwiegend in den mosambikanischen Privatsektor. Politische und militärische Auseinandersetzungen haben den Gasexport immer weiter verzögert. Ohne den klimapolitisch höchst bedenklichen Export des Gases wären die mosambikanischen Energieunternehmen und Banken und in ihrem Gefolge auch der Staat praktisch jetzt schon bankrott.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)398,640
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)948,4150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen(%)109,315
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)106,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)385,1200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)62,8 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)7,195 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Mosambik?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Durch die starke Kreditaufnahme des privaten Sektors in Mosambik ist die gesamte Auslandsverschuldung des Landes stark angestiegen. Private Schulden machen inzwischen vier Fünftel der gesamten Auslandsschulden aus. Das Instrument der Wahl für den Privatsektor sind Kredite bei ausländischen Banken.

Innerhalb der Schulden des öffentlichen Sektors entfällt rund die Hälfte der Schulden auf multilaterale Kreditgeber. Mit Forderungen von mehr als 3 Milliarden US-Dollar ist die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) wichtigster Gläubiger, gefolgt vom Afrikanischen Entwicklungsfonds, dem Weichkreditfenster der Afrikanischen Entwicklungsbank mit knapp unter 1 Milliarde US-Dollar. Der Entwicklungsfonds des Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (International Fund for Agricultural Development, IFAD) und die Arabische Entwicklungsbank (Arab Bank for Economic Development in Africa, BADEA) folgen mit jeweils gut 100 Millionen US-Dollar nicht-konzessionärer multilaterale Forderungen.

Mehr als die Hälfte aller bilateralen nicht-konzessionären Forderungen entfällt auf China. Mit deutlichem Abstand folgen die portugiesisch-sprachigen Staaten Portugal, Brasilien und Angola sowie Indien und aus dem arabischen Raum Libyen und der Irak. Bedeutender bilaterale Entwicklungshilfe-Gläubiger ist wiederum Portugal, dazu kommen mit größeren Beträgen Japan, Südkorea und China. Deutschland hält seit der Streichung alter Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit sowie Ex-DDR-Forderungen im Rahmen der Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Staaten (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) keine Forderungen mehr an Mosambik.

Der mosambikanische Staat ist überdies auch bei portugiesischen Banken verschuldet, mit kleineren Beträgen auch bei Banken aus Österreich, Dänemark und Italien.

Der überwiegende Teil der Auslandsschulden, nämlich die mehr als 45 Milliarden US-Dollar, welche private Unternehmen und Banken ausländischen Banken schulden, werden von der Weltbank nicht nach Herkunftsländern der Gläubiger aufgelistet.

Trend

Zwischen 2018 und 2021 sind die Indikatoren der Auslandsverschuldung um mindestens 10 Prozent gestiegen. Die Schuldenindikatoren des öffentlichen Sektors sind demgegenüber weitgehend stabil geblieben oder sogar leicht gesunken.

Dagegen zeigt die Verschuldung des Privatsektors im Ausland anhaltend steil nach oben. Dies ist auf die massive Kreditaufnahme des Privatsektors ab 2010 zur Finanzierung der Erdgas-Ausbeutung vor der mosambikanischen Küste zurückzuführen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Mosambik

Mosambik hat zwischen 1984 und 2001 achtmal mit seinen öffentlichen Gläubigern im Pariser Club verhandelt. Davon implizierten die ersten beiden Runden keinerlei Schuldenerlass. Ab 1990 wurden dann erste unzulängliche Schuldenerleichterungen gewährt, die bis 2001 auf eine fast vollständige Streichung aller Forderungen der Mitgliedsstaaten des Pariser Clubs unter der HIPC-Initiative ausgeweitet wurden.

Die Entschuldung Mosambiks Rahmen der HIPC-Initiative im Jahr 2001 wurde im Herbst 2005 durch eine nahezu vollständige Streichung der Schulden bei der Weltbanktochter IDA, beim Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie beim Afrikanischen Entwicklungsfonds unter der Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) ergänzt. Mit einem gesamten Erlassvolumen von 6,326 Milliarden US-Dollar gehörte Mosambik zu den absolut am meisten begünstigten Ländern unter der multilateralen Entschuldungsinitiative.

Deutschland war infolge der Unterstützung der ehemaligen DDR für den Kampf der Regierung der Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO) gegen die vom südafrikanischen Apartheid-Regime unterstützten Rebellen der Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO) der zweitwichtigste bilaterale Gläubiger Mosambiks nach Russland/Sowjetunion. Die Forderungen von umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro wurden im Rahmen der HIPC-Initiative komplett erlassen.

Bis Anfang 2022 wurden Mosambik rund 55 Millionen US-Dollar Schuldendienst beim IWF durch eine Finanzierung aus dem Catastrophe Containment and Relief Trust (CCRT) erlassen. Den CCRT bestücken reiche IWF-Mitglieder, um Schuldenerleichterungen zur Unterstützung des Kampfes gegen Covid-19 zu finanzieren.

Mosambik gehört zu den Ländern, die sich 2020 für die Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) zur Unterstützung des Kampfs gegen die Folgen der Corona-Pandemie qualifiziert haben. Noch im gleichen Jahr konnten Zahlungsverpflichtungen im Umfang von 22,3 Millionen US-Dollar auf den Zeitraum 2023 bis 2027 verschoben werden. Im Jahr 2021 waren dies sogar 565,1 Millionen US-Dollar. Da es sich dabei – anders als bei der CCRT des IWF – nur um einen überdies verzinsten Zahlungsaufschub handelt, der in den kommenden fünf Jahren in fünf gleichgroßen Raten nachgezahlt werden soll, stellen die rund 120 Millionen US-Dollar zusätzlicher Schuldendienst eine erhebliche Bürde für Mosambik dar.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Im Zusammenhang mit der Nicht-Bedienung und Nicht-Umschuldung eines Teils der „versteckten Schulden“, die 2016 aufgedeckt wurden, wird Mosambik vom IWF als Land „in Debt Distress“ kategorisiert. Bei diesen versteckten Schulden handelt es sich um eine lange Zeit vor den internationalen Finanzinstitutionen und den wichtigen bilateralen Gebern versteckte Kreditaufnahme von insgesamt rund 2 Milliarden US-Dollar. Die zu Lasten des mosambikanischen Staates aufgenommenen Mittel flossen in wenig sinnvolle Rüstungsprojekte oder verschwanden in den Taschen privater Vermittler*innen sowie mosambikanischer Politiker*innen.

Bis zum Frühjahr 2022 hat der Skandal Mosambik von wichtigen multilateralen Finanzquellen abgeschnitten, so dass neue Finanzierungen über den Privatsektor aufgenommen werden mussten – und auch wurden. Im Mai 2022 hat der IWF und mit ihm andere Institutionen ihre Blockade Mosambiks beendet, nachdem eine juristische Aufarbeitung des Falls zu einer Bestrafung der beteiligten Banken Crédit Suisse und VTB geführt hatte. Allerdings erhielt Mosambik dadurch nur eine relativ bescheidene Entlastung von den versteckten Schulden, während der größte Teil der Strafe von den Banken an den britischen Staat gezahlt wurde, da die Kredite unter britischem Recht vergeben worden waren.

Die dramatisch ansteigende Verschuldung des mosambikanischen Privatsektors erklärt sich vor allem durch die umfangreichen Gasfunde vor der Küste Nord-Mosambiks. Von diesen wurde vor Bekanntwerden des Skandals um die versteckten Schulden erwartet, dass sie Mosambik in kurzer Zeit zu einem wohlhabenden Land machen würden. Stattdessen führte die Erwartung der Bonanza zur Entstehung von regionalen und islamistischen Aufständen, welche das Land erheblich destabilisiert haben. Dem kreditfinanzierten Engagement chinesischer und europäischer Energiefirmen haben diese Entwicklungen indes keinen Abbruch getan.

Neben der Gefahr des „Ressourcenfluchs“, das heißt der immer weiter fortschreitenden Polarisierung der mosambikanischen Gesellschaft in Gewinner und Verlierer des Rohstoffexports, ist die extreme Verletzlichkeit Mosambiks für die Folgen des Klimawandels eine große Bedrohung. 2019 trafen die Wirbelstürme „Idai“ und „Kenneth“ das Land hart.

Politische Empfehlungen

Mit der ungebremsten Kreditaufnahme zur Finanzierung des Gasexports macht sich Mosambik von einem einzigen Wirtschaftssektor abhängig, ohne über die Instrumente zu verfügen, mit denen etwa Norwegen eine nachhaltige Investition der gewaltigen Öleinnahmen im öffentlichen Interesse sicherstellt. Checks and Balances zur Sicherstellung, dass der Gewinn aus dem Export nicht direkt in die Taschen ausländischer Kreditgeber und einer kleinen mosambikanischen Oberschicht fließt, sind dringend notwendig. Außerdem muss dafür Sorge getragen werden, dass Unternehmen und Banken des hochverschuldeten mosambikanischen Privatsektors nicht im Krisenfall vom Staat gerettet werden müssen. Wie das Gläubigerprofil zeigt, würde das den öffentlichen Sektor kollabieren lassen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der mosambikanische Staat zu einer inneren Kolonie des eigenen zahlungskräftigen Rohstoffsektors wird, ist sehr hoch. Von daher sollte – auch unabhängig von aller gebotenen Skepsis gegenüber fossilen Energieträgern – die eingeschlagene rohstoffexportbasierte Entwicklungsstrategie grundsätzlich überdacht werden.

Als begünstigtes Land unter der DSSI, welches überdies vom IWF als in debt distress kategorisiert wird, könnte Mosambik sich auch um eine Schuldenerleichterung unter dem sogenannten Common Framework, dem Umschuldungsrahmenwerkder G20 bemühen, wie es von seinem Nachbar Sambia gerade ausgehandelt wird. Allerdings haben in dem einzigen Land, welches unter dem Common Framework bislang eine Vereinbarung seinen Gläubigern getroffen hat, dem Tschad, die Gläubiger eine Regelung so lange hinausgezögert, bis der Ölpreis infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine so hoch war, dass der Erlassbedarf vom IWF weggerechnet werden konnte.

 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN UND MATERIALIEN:

Video: “The Mozambique Podcast ǀ KKM in conversation with Prof. Adriano Nuvunga” (2022)

Video: “Staatsverschuldung in Mosambik – Dr. Eufrigina dos Reis” (2018)

Stand: Januar 2023