Nordmazedonien

Hat Nordmazedonien ein Schuldenproblem?

Nordmazedonien hat eine für europäische Verhältnisse geringe Wirtschaftsleistung. Im Verhältnis dazu sind die Auslandsschulden und der jährliche Schuldendienst in den letzten zwei Jahren auf ein kritisches Niveau gestiegen. Während die öffentlichen Inlands- und Auslandsschulden nicht kritisch hoch sind, führt die erhebliche Verschuldung privater Unternehmen, Banken und Einzelpersonen im Ausland zu Auslandsschuldenindikatoren, die teils erheblich über dem Grenzwert liegen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2019)*

IndikatorWertGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)72,240
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)153,6150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)35,515
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)47,850
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)163,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)8,744 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)1,291 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

*Alle Indikatoren aus der IWF-Schuldentragfähigkeitsanalyse von April 2020.

Wer sind die Gläubiger von Nordmazedonien?

MKD Gläubigerprofil 2020-09
Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Etwas mehr als die Hälfte von Nordmazedoniens Auslandsschulden entfällt auf den öffentlichen Sektor, der Rest auf Schulden mazedonischer Bürger*innen, Banken und Unternehmen bei ausländischen Banken. Nur noch geringe Teil der Schulden des nordmazedonischen Staates wurden zu konzessionären Bedingungen gewährt. Die Verschiebung hin zu teuren marktnahen Finanzierungen hat den Schuldendienst deutlich ansteigen lassen. Von den verbliebenen konzessionären Schulden entfällt der größte Teil (85 von 92 Millionen US-Dollar) auf die Mitglieder des Pariser Clubs. Deutschland ist daran mit 28 Millionen Euro beteiligt.

Die nicht-konzessionären bilateralen Forderungen entfallen ausschließlich auf China, dessen Gesamtforderungen auf 580 Millionen US-Dollar beziffert werden. Hier können allerdings auch Dateninkongruenzen zwischen den Weltbankdaten und den in akademischen Veröffentlichungen für China zusammengetragenen Forderungen bestehen.

Trend

Bis 2018 sind die meisten Indikatoren auf einem unteren mittleren Niveau in etwa stabil geblieben. 2019 wurde indes bereits die Verschiebung von konzessionären zu marktmäßigen Finanzierungen deutlich spürbar. Nach den Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die von der COVID-19 Pandemie ausgelöste Rezession die Schulden und den Schuldendienst im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung weiter ansteigen lassen. Für 2020 wird statt des vor COVID-19 angenommenen Wachstums von 3,4 Prozent nun eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 4 Prozent angenommen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Nordmazedonien

Nordmazedonien hat bislang zweimal mit dem Pariser Club Umschuldungen durchgeführt, ohne dass dabei ein Schuldenerlass stattgefunden hätte: zunächst 290 Millionen US-Dollar unter Classic Terms im Juli 1995 – die Rückzahlung steht teilweise noch aus – und dann 46 Millionen US-Dollar im September 2000 unter Ad-hoc-Bedingungen. Bemerkenswert an letzterem Abkommen ist, dass es Nordmazedonien verpflichtete, privaten nordmazedonischen Schuldnern uneingeschränkt Zugriff auf die Devisenreserven des Landes zu ermöglichen, soweit dies für deren Schuldendienst an Regierungen und private Gläubiger aus den Mitgliedsländern des Pariser Clubs notwendig wäre.

Außerdem gab es 1997 eine Umschuldung von 229 Millionen US-Dollar mit privaten Gläubigern, auch hier allerdings ohne Schuldenerlass. Für die multilaterale HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative war Nordmazedonien ebenso wenig qualifiziert wie für die 2020 vom IWF (Katastrophenfund CCRT) und den G20 (Schuldenmoratorium DSSI) zur Bewältigung von COVID-19 angebotenen Schuldenerleichterungen.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Nordmazedonien ist sehr abhängig von Rücküberweisungen von Migrant*innen aus dem Ausland, die die Leistungsbilanz des Landes stützen: Geringere Rücküberweisungen als Folge von Entlassungen in von COVID-19 betroffenen Gastgeberländern werden das Leistungsdefizit verschlimmern und indirekt auch Probleme für die öffentlichen Haushalte darstellen. Nordmazedonien ist zudem extrem abhängig von Importen, was die Hauptursache für die negative Handelsbilanz darstellt. Ein schwankender Weltmarktpreis für bestimmte Hauptexportgüter wie Chemieprodukte, Maschinen, Textilien, Minerale und Metalle, die zusammen über 70 Prozent von Nordmazedoniens Exporterlösen ausmachen, kann sich negativ auf das Handelsdefizit auswirken. So könnten beispielsweise Turbulenzen auf dem europäischen Markt nach Nordmazedonien überschwappen, z.B. durch geringere Nachfrage nach den oben genannten Gütern oder einen verschlechterten Zugang zum Kapitalmarkt, der für Nordmazedonien essentiell ist, um das fiskalische Defizit und den Schuldendienst überhaupt finanzieren zu können.

Politische Empfehlungen

Für ein relativ armes europäisches Land weist Nordmazedonien einen hohen Anteil privater Verschuldung im Ausland auf. Die Regierung sollte eine schärfere Kontrolle des ausländische Kredite in Anspruch nehmenden Privatsektors prüfen.

Die Gesamtverschuldung hat mit der COVID-19-Pandemie nach Jahren auf einem unproblematischen Niveau nunmehr kritische Grenzwerte erreicht oder – wie beim Schuldendienst im Verhältnis zu den Exporterlösen – bereits deutlich überschritten. Es sollte sich mit anderen Mitteleinkommensländern dafür einsetzen, dass Schuldenerlassmöglichkeiten nicht nur den ärmsten Ländern zugestanden werden.

 

Stand: September 2020

 

Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des