Malawi

Hat Malawi ein Schuldenproblem?

Malawi hatte bis 2021 kein gravierendes Auslandsschuldenproblem. Unter dem Eindruck von Klimastress und den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine für die globale Lebensmittelversorgung ist das Land seit Mitte 2022 im teilweisen Zahlungsausfall.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)25,740
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)204,3150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)7,115
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)63,950
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)404,8200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)3,185 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)110,9 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Malawi?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Malawi ist ausschließlich von Seiten des Staates im Ausland verschuldet. Malawische Banken und Unternehmen haben keine Schulden im Ausland. Die Auslandsschulden des Staates bestehen zu mehr als vier Fünfteln gegenüber multilateralen und zu knapp einem Fünftel gegenüber bilateralen Gläubigern. Der überwiegende Teil der Schulden wurde zu günstigen Entwicklungshilfekonditionen aufgenommen.

Unter den multilateralen Gläubigern sind die bedeutendsten in dieser Reihenfolge die Internationale Entwicklungsorganisation, die Afrikanische Entwicklungsbank und der Internationale Währungsfonds (IWF). Größter bilateraler Gläubiger ist China, gefolgt von Indien, Kuwait und Saudi-Arabien. Von den Mitgliedsstaaten des Pariser Clubs hat nur Belgien geringe Forderungen an Malawi. Chinas Forderungen sind überwiegend kommerzieller Natur, beim zweitgrößten bilateralen Gläubiger, Indien, ist das Verhältnis zwischen kommerziellen und konzessionären Forderungen in etwa ausgeglichen. Darüber hinaus halten drei Mitglieder des Golf-Kooperationsrats Forderungen an Malawi, nämlich (in dieser Reihenfolge) Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Deutschland hält keine Forderungen an Malawi.

Trend

Drei der fünf im Schuldenreport von erlassjahr.de untersuchten Indikatoren sind von 2018 bis 2021 um mehr als zehn Prozent angestiegen, allerdings weniger dramatisch als in vergleichbaren Ländern unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie. Das liegt auch daran, dass von 2016 bis 2021 die Wirtschaft spürbar gewachsen ist, denn auch die absolute Verschuldung hat kontinuierlich zugelegt.

In den allgemein zugänglichen Daten der Weltbank, die oben dargestellt wurden, ist der Schuldenschock des Jahres 2022 noch nicht abgebildet. Im Mai des Jahres hat der IWF nach drastischen Preiserhöhungen für Malawis Importgüter und einer infolge mehrerer Tropenstürme unterdurchschnittlichen Ernte seine Bewertung des Überschuldungsrisikos von „mittel“ auf „im Schuldenstress“ herabgestuft. Die Regierung bemüht sich seither um Schuldenerleichterungen durch Restrukturierungen und Schuldenumwandlungen für Entwicklung. Bislang noch ohne sichtbaren Erfolg.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Malawi

Malawi wurde 2000 in die Initiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) aufgenommen und hat diese bis 2006 durchlaufen. In den achtziger Jahren hatte Malawi drei Mal im Pariser Club umgeschuldet, wobei nur Zahlungsverpflichtungen in die Zukunft verschoben und zu laufenden Zinnsätzen weiter verteuert wurden (Classic Terms). 2001 und 2006 leistete der Pariser Club seine Beiträge zur Umsetzung der HIPC-Initiative unter Cologne Term  (Streichung von 90 Prozent und teilweise sogar 100 Prozent der ausstehenden bilateralen Forderungen).

1983 und 1988 wurden insgesamt knapp 100 Millionen US-Dollar an öffentlichen Schulden bei privaten Banken umgeschuldet.

Im April 2020 hat sich Malawi für die Übernahme des Schuldendienstes an den IWF durch dessen Catastrophe Containment and Relief Trust (CCRT) qualifiziert. Fällige Zahlungen an den IWF bis Oktober 2020 in Höhe von 5,2 Millionen US-Dollar wurden dadurch faktisch erlassen. Erst 2021 hat die Regierung beschlossen, auch das von den G20 bereits im Vorjahr angebotene Schuldenmoratorium in Anspruch zu nehmen. 36,6 Millionen US-Dollar müssen dadurch bis Jahresende an die bilateralen Gläubiger, mit Ausnahme von Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten, nicht gezahlt werden. Allerdings sind diese Zahlungen nur aufgeschoben und müssen in den Jahren 2023-2027 mit Zinsen zusätzlich zum regulär fälligen Schuldendienst geleistet werden.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der IWF bescheinigte Malawi vor der Corona-Pandemie ein „mittleres“ Überschuldungsrisiko. Das heißt, nach den Vorhersagen des IWF bleibt das Land im wahrscheinlichsten Szenario seiner wirtschaftlichen Entwicklung unter den kritischen Grenzwerten, überschreitet aber mindestens einen Grenzwert in mindestens einem der routinemäßig durchgerechneten Krisenszenarien. Risiken sieht der IWF hauptsächlich in klimatischen Unwägbarkeiten (Malawi wird wie schon 2022 in der Zukunft weitere extremere Wetterlagen gewärtigen müssen) sowie in der unvollkommenen Umsetzung seiner Wirtschaftsprogramme aufgrund schwacher Regierungsführung. Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Rezession stellt für Malawi ein im internationalen Vergleich nur geringes Risiko dar.

Die zuletzt stark angewachsenen Inlandsschulden sind auf die Deckung der öffentlichen Haushaltsdefizite über den heimischen Kapitalmarkt, die Verbriefung alter Zahlungsrückstände des Staates im Inland sowie die Rekapitalisierung der Zentralbank und einer öffentlichen Bank zurückzuführen.

Durch die Folgen der allgemeinen Preisanstiege, vor allem im Lebensmittel- und Energiebereich infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine, ist die zunächst noch relativ entspannte Situation Malawis im Frühsommer 2022 eskaliert. Malawi musste die Zahlungen an einen Teil seiner Gläubiger einstellen und bemüht sich seither sowohl um frisches Geld – prominent durch eine noch engere Bindung an China im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ –, aber auch durch Umschuldungen und die Vereinbarung von Schuldenumwandlungen zur Finanzierung von Ernährungssicherheit.

Ein zusätzliches Problem entstand 2022 dadurch, dass die Regierung über die Umsetzung eines 2018 mit dem IWF vereinbarten Programms falsche Angaben gemacht hatte. Der IWF stellte daraufhin zunächst die Auszahlungen ein, betrachtet inzwischen aber die von der Regierung zur Aufklärung getroffenen Maßnahmen als zufriedenstellend und hat im Oktober 2022 neue Kredite aus dem Kreditfenster für Nahrungsmittelkrisen („Food Shock Window“) der Rapid Credit Facility zugesagt und teilweise ausgezahlt.

Politische Empfehlungen

Wegen des relativ hohen Gewichts der inländischen Schulden sind die Spielräume zur Entlastung des Landes über externe Schuldenerleichterungen begrenzt. Auch kleinere Entlastungsmaßnahmen wie Schuldenumwandlungen zugunsten der Ernährungssicherheit in Malawi sollten deshalb aktiv verfolgt werden. Dies tut die Regierung auch bereits in Kooperation mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.

Stand: Januar 2023