Madagaskar

Hat Madagaskar ein Schuldenproblem?

Madagaskar ist akut nicht von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Das Land weist zwar steigende, aber mehrheitlich nicht kritische Schuldenindikatoren auf. Allerdings kann die Verletzlichkeit für Naturkatastrophen jederzeit zu einer Verschärfung der Schuldensituation führen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)
37,3
40
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)
158,0
150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)
5,0
15
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)
53,1
50
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)
472,7
200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)
5,347 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)
168,4 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Madagaskar?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Bis auf einen kleinen Betrag von weniger als 100 Millionen US-Dollar entfallen die gesamten Auslandsschulden Madagaskars auf den madegassischen Staat.

Madagaskars wichtigste Gläubiger sind multilaterale Entwicklungshilfegeber, namentlich die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA) und die Afrikanische Entwicklungsbank. Daneben ist der Internationale Fonds für Agrarentwicklung, eine Unterorganisation der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, ein wichtiger konzessionärer Gläubiger. Unter den nicht-konzessionären Kreditgebern sticht auf multilateraler Seite die Europäische Investitionsbank heraus. Das Übergewicht der zinsgünstigen Kreditgeber auf der multilateralen Seite ist hauptverantwortlich für die vergleichsweise geringe Belastung des Landes durch den laufenden Schuldendienst.

Bedeutende bilaterale öffentliche Gläubiger sind China, Japan und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich – allesamt im Zusammenhang mit Entwicklungsfinanzierung. China und Frankreich sind darüber hinaus auch Financiers im Rahmen von Handelsgeschäften zu marktnahen Konditionen – zusammen mit Algerien und Russland. Deutschland hält seit der Entschuldung durch die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Staaten (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) keine Forderungen mehr an Madagaskar. Die Schulden gegenüber Algerien und dem anderen afrikanischen Gläubiger Angola – vermutlich im Zusammenhang mit Rohöllieferungen – befinden sich komplett im Zahlungsausfall.

Trend

Seit der Entschuldung im Rahmen der HIPC-Initiative 2004 und 2005 waren die Schuldenindikatoren Madagaskars im Großen und Ganzen stabil. Nach 2018 sind allerdings alle bis 2021 um mindestens 10 Prozent angestiegen – allerdings von einem weiterhin überwiegend unproblematischen Niveau aus.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Madagaskar

Madagaskar wurde 2000 in die HIPC-Intiative ausgenommen und hat diese 2004 mit einem Schuldenerlass abgeschlossen. Der Schuldenstand wurde durch HIPC und im darauffolgenden Jahr zusätzliche Entlastung durch die ergänzende Multilateral Debt Relief Initiative von durchschnittlich mehr als 100 Prozent in den Vorjahren auf die heutige Größenordnung von gut 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduziert.

Vor den beiden deutlichen Schuldenreduzierungen im Pariser Club nach den Vorgaben der HIPC-Initiative 2001 und 2004 hatte das Land bereits neunmal mit dem Gläubigerkartell verhandelt. Bei fünf Runden zwischen 1981 und 1986 waren überhaupt keine Erlasse, sondern nur Zahlungsverlängerungen gewährt worden. Ab 1988 waren dann jeweils zunehmende, aber stets unzulängliche Schuldenerleichterungen gewährt worden.

Madagaskar hat 2020 und 2021 die Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) zur Unterstützung des Kampfes gegen Covid-19 in Anspruch genommen und in den beiden Jahren insgesamt 20,4 Millionen US-Dollar an Schuldendienst gegenüber seinen bilateralen öffentlichen Gläubigern eingespart. Diese müssen in den Jahren 2023 bis 2027 in fünf gleich großen Jahresraten mit Zinsen nachgezahlt werden – was allerdings kein allzu großes Problem für Madagaskar sein dürfte.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Trotz der insgesamt niedrigen und relativ stabilen Schuldenindikatoren bescheinigt der Internationale Währungsfonds (IWF) Madagaskar ein „mittleres“ Überschuldungsrisiko. Das heißt, dass das Land unter dem vom IWF am wanrscheinlichsten gehaltenen Basisszenario nicht in Zahlungsschwierigkeiten geraten wird, unter mindestens einem der vom IWF routinemäßig durchgerechneten Stress-Szenarien aber schon. Der Grund dafür ist die hohe Verletzlichkeit des Landes für externe Schocks, etwa Einbrüche bei den Preisen für die Exportgüter und vor allem Naturkatastrophen. Zwischen 1990 und 2014 wurde Madagaskar von 55 Naturkatastrophen, insbesondere schweren Stürmen, mit mehr als 3.500 Todesopfern und erheblichen wirtschaftlichen Schäden heimgesucht. Der jüngste von ihnen war Zyklon Freddy, der im März 2023 mindestens 17 Menschenleben forderte. Die Insel war allerdings vergleichsweise gut darauf vorbereitet und internationale Hilfe war recht schnell zu Stelle, so dass gravierende Folgen für die fiskalische Handlungsfähigkeit des Landes dadurch nicht erwartet werden. Der hohe Anteil der Subsistenzlandwirtschaft und generell wetterabhängiger Agrarproduktion macht das Land in höchstem Maße verletzlich für die Auswirkungen des Klimawandels. Das gilt besonders für den Süden Madagaskars, der seit vier Jahren unter einer Dürre leidet.

Politische Empfehlungen

Als ein für externe Schocks besonders empfindliches Land sollte Madagaskar sich für die Schaffung eines Entschuldungsmechanismus für Katastrophenfälle, wie er zum Beispiel von der Allianz der kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States, AOSIS) diskutiert wird, einsetzen.

Stand: April 2023