Kolumbien

Hat Kolumbien ein Schuldenproblem?

Kolumbien ist durch die COVID-19-bedingte Rezession 2020 in ernsthafte Schuldenprobleme geraten. Der Verfall des Ölpreises und der Rückgang der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit infolge des Lockdowns sowie die anhaltende Krise im Nachbarland Venezuela sind dabei wichtige Faktoren.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand: Vorhersagen für Ende 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)64,140
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)414,0150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)99,015
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)68,250
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)262,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)134,9 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)23,754 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Kolumbien?

COL Gläubigerprofil 2020.06

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Kolumbiens Auslandsschulden bestehen zu zwei Dritteln auf Seiten des Staates und zu einem Drittel auf Seiten privater Unternehmen und Banken gegenüber ausländischen privaten Gläubigern. Schulden in Form von Staatsanleihen, die am internationalen Kapitalmarkt verkauft wurden, sind die größte Einzelkategorie. Insgesamt ist das Gläubigerprofil für ein lateinamerikanisches Schwellenland typisch. Kredite aus Entwicklungshilfe spielen nur eine marginale Rolle. Neben den privaten Anleihezeichnern und Banken sind die nicht-konzessionären Schulden bei den Multilateralen Finanzinstitutionen, vor allem der Weltbank, auf die die Hälfte aller multilateralen Forderungen entfällt, von Bedeutung.

Wie in zahlreichen anderen Ländern stimmen die Angaben, die die Weltbank auf der Grundlage von Informationen des Schuldnerlandes zusammenstellt, nicht mit denen überein, welche der Pariser Club von seinen Mitgliedern, also von der Gläubigerseite erhält. Anders als die in der Graphik verwendeten Weltbank-Daten weist der Pariser Club 2,124 Milliarden US-Dollar als konzessionäre Forderungen und 264 Millionen US-Dollar Handelsforderungen aus. Deutschland ist mit relativ bescheidenen 19 Millionen Euro Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit dabei, hat aber keine Handelsforderungen. Auch China ist für Kolumbien ein relativ unbedeutender Gläubiger: 73 Millionen US-Dollar Kredite wurden seit 2000 an Kolumbien vergeben.

Trend

Alle fünf Indikatoren haben sich von 2014 bis 2018 um mindestens 10 Prozent verschlechtert. 2017 und 2018 sind besonders die Rückzahlungen stark angestiegen, was auf immer kürzere Zahlungsfristen bei den Krediten hindeutet, zu denen Kolumbien Zugang hat. Die von COVID-19 ausgelöste Pandemie hat dann noch einmal zu einem weiteren dramatischen Anstieg der Indikatoren geführt. Die Schuldendienstquote zeigt, dass Kolumbien praktisch seine gesamten Hartwährungseinnahmen 2020 für den laufenden Schuldendienst aufwenden muss.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Kolumbien

Bisher hat Kolumbien noch nie seine Auslandsschulden restrukturiert.

Beim Moratoriumsangebot der G20 zur Bewältigung der Corona-Pandemie im April 2020 (engl. Debt Service Suspension Initiative, DSSI) wurde Kolumbien nicht berücksichtigt.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der früher einmal wichtige Handelspartner Venezuela fällt weiterhin aus. Im März 2020 hat die Ratingagentur Standard & Poor’s die Aussichten für Kolumbien von „stabil“ auf „negativ“ herabgestuft. Grund dafür ist der durch die von COVID-19 ausgelöste Rezession stark gefallene Ölpreis.

In seiner Schuldentragfähigkeitsanalyse vom Mai 2020, welche erstmals die Auswirkungen der globalen Rezession berücksichtigt, prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) für Ende 2020 dramatisch höhere Auslandsschuldenindikatoren als noch für Ende 2018 ausgewiesen. So soll das Verhältnis des laufenden Schuldendienstes zu den jährlichen Exporteinnahmen von bereits hohen 40,8 Prozent auf spektakuläre 99 Prozent steigen. Das bedeutet, dass laufender Schuldendienst aus der Substanz geleistet werden muss.

Allerdings geht der IWF auch im Falle Kolumbiens davon aus, dass der Einbruch der Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent bereits 2021 durch ein Wachstum von 4,2 Prozent wieder überkompensiert wird. Nur unter der hoch-spekulativen Annahme, dass die Krise damit grafisch betrachtet eine klassische V-Form annimmt, kann diese Vorhersage sich bewahrheiten.

Politische Empfehlungen

Kolumbien könnte wesentlich profitieren, wenn das G20-Moratorium mit eventuell anschließender Umschuldungsoption allen Ländern angeboten würde, die es benötigen, und damit auch Kolumbien. Es sollte daher zusammen mit anderen, häufig lateinamerikanischen Ländern gemeinsam darauf drängen, dass die im April 2020 beschlossene Beschränkung auf arme, IDA-qualifizierte Länder aufgehoben wird.

 

Stand: November 2020