Kambodscha

Hat Kambodscha ein Schuldenproblem?

Bis auf einen liegen alle Schuldenindikatoren unter dem niedrigsten kritischen Grenzwert. Zwar steigen die Indikatoren an, aber nicht in einem besorgniserregenden Tempo. Eine besondere Situation ergibt sich allerdings durch die mindestens 1,4 Milliarden US-Dollar Schulden bei Russland und den USA, deren Legitimität als fragwürdig betrachtet werden muss.

Die wichtigstens Schuldenindikatoren (Stand 2016)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)54,440
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)76,4150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)6,015
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)36,750
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)184,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)10,23 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)797,5 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Kambodscha?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Zwei Drittel der Auslandsschulden Kambodschas bestehen von Seiten des Staates, das restliche Drittel sind Schulden privater Unternehmen und Banken bei Banken im Ausland. Auslandsanleihen haben weder der kambodschanische Staat noch dortige Privatschuldner ausgegeben. Die öffentlichen Auslandsschulden bestehen ausschließlich gegenüber anderen Regierungen und den internationalen Finanzinstitutionen und zwar fast ausschließlich zu Entwicklungshilfekonditionen, das heißt zinsgünstig und mit langen Rückzahlungsfristen. Diese Angaben des Weltbank-Standardwerks stimmen allerdings nicht mit denen des Pariser Clubs überein. Letzterer reklamiert allein für seine Mitglieder nicht-konzessionäre Forderungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, wo die Weltbank gerade einmal 3 Millionen US-Dollar ausweist.

Die Diskrepanz erklärt sich durch Altschulden Kambodschas in Höhe eben dieser 1,4 Milliarden. US-Dollar gegenüber den Club-Mitgliedern Russland und USA. Der US-Anteil geht auf Kredite in Höhe von 274 Millionen US-Dollar an die Regierung des Prinzen Sihanouk in der Zeit vor der Machtübernahme der Roten Khmer zurück. Wegen des langen Zahlungsverzugs verlangt die US-Regierung darauf mittlerweile Rückzahlungen von 506 Millionen US-Dollar. Dabei handelt es sich um amerikanische Kredite an die Regierung des Generals Lon Nol, die der Versorgung der Opfer amerikanischer Flächenbombardements während des Vietnamkriegs dienten. Die Schulden gegenüber Russland gehen auf ebenfalls unbeglichene Rechnungen für Waffenkäufe in der ehemaligen Sowjetunion nach dem Fall der Roten Khmer zurück.

Mit rund 70 Prozent aller öffentlichen Auslandsschulden ist die Volksrepublik Chinas aktuell mit Abstand der größte bilaterale Gläubiger. Deutschland spielt Ende 2016 mit Handelsforderungen von nur noch 1 Million Euro nur noch eine unbedeutende Rolle.

Trend

Kambodscha wies in den letzten zehn Jahren ein starkes Wirtschaftswachstum auf. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich von 2008 bis 2016 etwa verdoppelt. Allerdings hat sich der gesamte Auslandsschuldenstand in der gleichen Zeit vervierfacht. Wegen des niedrigen Ausgangsniveaus hat das gleichwohl noch nicht zu einer krisenhaften Entwicklung geführt.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Kambodscha

Kambodscha hat 1972 zweimal zu Classic Terms, also ohne Schuldenerleichterungen, im Pariser Club umgeschuldet und dann noch einmal unter Naples Terms im Jahr 1995. 248 Millionen. US-Dollar Schulden bei Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und den USA wurden dabei zu zwei Dritteln erlassen. Das war zu der Zeit noch möglich, da Kambodscha noch ein Niedrigeinkommensland war. Heute stünde eine solche Regelung wegen der Graduierung zum Land mit niedrigem mittlerem Einkommen nicht mehr zur Verfügung.

Außerhalb des Pariser Clubs haben jüngst die Tschechische Republik (3,9 Millionen US-Dollar) und die Volksrepublik China (89 Millionen US-Dollar) Schuldenerleichterungen gewährt.

Umschuldungen gegenüber Privatgläubigern hat es mangels Schulden bei dieser Gläubigergruppe logischerweise noch nicht gegeben.

Die aktuelle kambodschanische Regierung bemüht sich um einseitige Schuldenstreichungen der strittigen Schulden bei Russland und den USA. Präsident Trump hat dies erst 2018 explizit zurückgewiesen. Russland hat 2015 Verhandlungen über eine Streichung im Gegenzug für verbesserte Bedingungen für russische Unternehmen und eventuelle Schuldenumwandlungen aufgenommen, die aber noch nicht zu Ergebnissen geführt haben.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) beurteilt aktuell das Überschuldungsrisiko für Kambodscha als „gering“. Gefährdungen sieht er darin, dass das Land nach seiner Graduierung von einem Niedrigeinkommensland in die Kategorie Niedrige-Mittel-Einkommensland nur noch eingeschränkteren Zugang zu zinsgünstigen Krediten haben wird.

Kambodscha ist eines wenigen Länder, in denen die Regierung eine Obergrenze für Zahlungen im Rahmen von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPPs) festglegt hat, nämlich maximal 4 Prozent der jeweiligen jährlichen Wirtschaftsleistung. Angesichts des erwähnten Drucks, öffentliche Kredite durch private Finanzierungen zu ersetzen, ist eine solche Regelung eine vorausschauende Maßnahme, um böse Überraschungen durch „versteckte Schulden“, wie sie andere Länder derzeit erleben, zu verhindern. Entsprechendes Lob erfährt die Regierung dafür vom IWF.

Politische Empfehlungen

Die kambodschanische Regierung sollte gegenüber den Gläubigern USA und Russland auf der Streichung der Schulden aus dem Kalten Krieg beharren. Eine breiter angelegte Unterstützung für einen solchen mehr als berechtigten Vorstoß durch die Zivilgesellschaft in den beteiligten Ländern und darüber hinaus würde allerdings voraussetzen, dass die Regierung jüngste repressive Maßnahmen gegen die eigene Zivilgesellschaft rückgängig macht.

 

Stand: Juli 2018

 

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