Jemen

Hat der Jemen ein Schuldenproblem?

Von den vielen Problemen des Landes im Bürgerkrieg sind die Schulden bei ausländischen Gläubigern sicher nicht das drängendste. Allerdings wird ein wirtschaftlicher Neuanfang nach einem wie auch immer gearteten Ende des Bürgerkriegs auch eine umfassende Reduzierung der Auslandsschulden des Landes erfordern.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2017)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)374,540
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)1.868,0150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)28,515
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)74,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)2.135,0200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)7,186 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)98,9 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Die Datenlage zur Verschuldung des Jemen, sowohl was die Schulden und den Schuldendienst selbst angeht, als auch im Blick auf die Vergleichsparameter, ist nach Jahren des Bürgerkriegs sehr fragwürdig. Die obigen Angaben stützen sich auf Zahlen der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der CIA.

Wer sind die Gläubiger des Jemen?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Bis auf sehr geringe nicht-konzessionäre Beträge ist der Jemen ausschließlich zu Entwicklungshilfekonditionen im Ausland verschuldet. Gläubiger sind ausschließlich öffentliche Entwicklungshilfegeber, je etwa zur Hälfte bilaterale und multilaterale. Größter Einzelgläubiger ist die Weltbanktochter Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) mit Forderungen von knapp 1,7 Milliarden US-Dollar.

Der Pariser Club beansprucht 452 Millionen US-Dollar aus der Entwicklungszusammenarbeit, was durchaus realistisch erscheint. Allerdings beansprucht er weitere 1,148 Milliarden an Handelsforderungen, was mit den oben angegeben Zahlen der Weltbank nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Ende 2016 waren 620 Millionen US-Dollar Schulden bei den Mitgliedern des Pariser Clubs im Zahlungsverzug.

Bei Deutschland steht nur noch rund 1 Million Euro Handelsforderungen in den Büchern.

Trend

Der gesamte Auslandsschuldenstand des Jemen ist seit 2009 weitgehend stabil, da das Land nur sehr wenige offiziell registrierte Kredite erhält. Das registrierte Bruttoinlandsprodukt ist in der gleichen Zeit ebenfalls ungefähr gleich geblieben, so dass die auf die gesamte Wirtschaftsleistung bezogenen Indikatoren nicht dramatisch gewachsen sind. Anders verhält es sich mit den Hartwährungseinnahmen durch den Export von Gütern und Dienstleistungen. Dieser ist bis 2016 auf ein Zehntel des Wertes für 2014 gefallen. Entsprechend exorbitant fällt der Indikator für den Schuldenstand im Verhältnis zu den Exporteinnahmen aus.

Aktuell wir die Regierung des Landes wirtschaftlich und militärisch von Saudi Arabien unterstützt. Seit 2014 erhebt der mächtige Nachbar, der ein wesentlicher Faktor für das Anheizen des Krieges ist, mehr als 1 Milliarde US-Dollar Forderungen an den Jemen aus dieser Unterstützung.

Bisherige Schuldenerleichterungen für den Jemen

1996, 1997 und 2001 hat der Jemen jeweils Umschuldungsabkommen unter Naples Terms mit seinen Gläubigern im Pariser Club vereinbart. Am bedeutendsten war das Abkommen von 1997, als fast 1,5 Milliarden US-Dollar zum Teil erlassen und zum Teil langfristig und zu günstigen Zinssätzen umgeschuldet wurden.

Bemerkenswert an der Umschuldung von 2001 ist, dass sie zwar ebenfalls unter Naples Terms vereinbart wurde, aber nicht die vorgesehenen 67 Prozent, sondern nur 26 von 420 Millionen US-Dollar erlassen wurden. Zudem enthält das Abkommen eine Pullback Clause, mit der die Gläubiger sich vorbehalten, auch diese Erleichterungen wieder zurückzunehmen, falls der Jemen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht umfassend nachkommt oder es ihm nicht gelingt, andere Gläubiger zu einem vergleichbaren Entgegenkommen zu bewegen.

Der Jemen war eines der Länder, die sich Ende der neunziger Jahre im Prinzip für die Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (HIPC-Initiative) qualifizieren konnten. Unmittelbar nach der Jahrtausendwerte kamen Weltbank und IWF allerdings zu dem Schluss, dass traditionelle Schuldenerleichterungen – gemeint sind die beschriebenen Pariser Club-Vereinbarungen sowie eine gleichwertige Entlastung durch Nicht-Club-Mitglieder – ausreichen werden, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Von Schuldentragfähigkeit kann im Jemen nach vier Jahren Bürgerkrieg heute keine Rede sein; entsprechend kann sie auch nicht in Gefahr geraten. Bemerkenswert ist die Rolle der Zentralbank, die als eine der letzten staatlichen Institutionen des Zentralstaates eine von beiden Bürgerkriegsparteien akzeptierte Währung funktionsfähig hält.

Politische Empfehlungen

Das Weiterfunktionieren der Zentralbank ist eine wichtige Grundlage für einen wirtschaftlichen Neuanfang des Landes nach der Beendigung des Bürgerkriegs. Sie sollte, so weit irgend möglich, bewahrt werden.

Ein wirtschaftlicher Neuanfang des Jemen wird eine umfassende Regelung der Auslandsschulden und der Inlandsschulden des Staates voraussetzen. Dabei könnte an die ursprüngliche Qualifizierung des Landes für die HIPC/MDRI-Initiative angeknüpft werden.

 

Stand: Mai 2019

 

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