Jamaika

Hat Jamaika ein Schuldenproblem?

Jamaikas Schulden sind bis 2019 langsam aber stetig gesunken, ohne unproblematische Größenordnungen zu erreichen. Durch die Rezession infolge der Covid-19-Pandemie folgte 2020 ein dramatischer Schuldenanstieg, der Jamaika wiederum in die Spitzengruppe der höchstverschuldeten Staaten katapultierte.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2022)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)136,140
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)486,1150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)50,515
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)107,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)368,5200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)18,035 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)1,873 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Jamaika?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Ende 2020 bestanden fast drei Viertel der gesamten Auslandsschulden gegenüber privaten Gläubigern. Die größte Einzelkategorie sind die Auslandsschulden des jamaikanischen Staates gegenüber privaten Anleihegläubigern gefolgt von den Schulden gegenüber multilateralen Gebern (einschließlich dem Internationalen Währungsfonds (IWF)).

Jamaikas Schulden sind für ein Land seiner Einkommenskategorie überdurchschnittlich teuer, weil der Anteil der konzessionären, also zu niedrigen Zinsen und langen Laufzeiten vergebenen Kredite, sehr niedrig ist und überdies weiter abnimmt.

Unter den bilateralen Gläubigern ist China das einzig wirklich bedeutende Land mit Forderungen in Höhe von 574 Millionen US-Dollar. Der Irak, Deutschland und die USA folgen mit Beträgen im niedrigen zwei- bzw. einstelligen Millionenbereich.

Trend

2019 ist Jamaikas Schuldenquote erstmal seit 2001 unter die Marke von 100 Prozent der Wirtschaftsleistung gefallen Diese Stabilisierung war möglich, weil es zwei Restrukturierungen der Schulden des Staates bei seinen internen Gläubigern gegeben hat. Überdies unterlag Jamaika einem drastischen Austeritätsprogramm unter Überwachung des IWF. Für 2019 verlangte der Fonds einen Primärüberschuss (alle staatlichen Ausgaben und Einnahmen ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen) in Höhe von 7 Prozent. Das ist doppelt so viel, wie der IWF von Griechenland verlangte (und im Nachhinein selbst als exzessiv bezeichnete).

Allerdings trifft wegen der Abhängigkeit des Landes vom Tourismus die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Rezession die Insel hart. Inzwischen hat sich der Trend umgekehrt und alle Indikatoren sind bis Ende 2022 wieder angestiegen – teilweise dramatisch. Insbesondere die Schulden beim IWF sind 2020 um fast eine halbe Milliarde US-Dollar gestiegen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Jamaika

Zwischen 1984 und 1993 hat Jamaika siebenmal mit seinen öffentlichen Gläubigern im Pariser Club verhandelt. Dabei gab es – abgesehen von bescheidenen Erleichterungen beim laufenden Schuldendienst in den letzten beiden Runden – keine Schuldenreduzierungen.

2010 hat Jamaika die öffentlichen Schulden bei seinen internen jamaikanischen Gläubigern im Rahmen eines Schuldentauschs (Jamaican Debt Exchange, JDX) spürbar reduzieren können. Gegen die Empfehlung seiner Berater*innen vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen hat die Regierung es 2010 nicht gewagt, auch die Schulden bei seinen ausländischen Gläubigern entsprechend zu reduzieren. Deswegen musste eine ähnliche Operation 2013 wiederholt werden: Der National Debt Exchange (NDX) reduzierte den Barwert der Schulden bis 2020 um 8,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also etwa 1 Prozent pro Jahr.

Jamaika war weder für die Entschuldungsinitiativen für hoch verschuldete arme Länder von Weltbank und IWF um das Jahr 2000 qualifiziert, noch kommt es in den Genuss des im April 2020 ausgesprochenen Schuldenmoratoriums der G20.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Noch Anfang 2020 fiel die Einschätzung des IWF zur Schuldentragfähigkeit Jamaikas ausgesprochen optimistisch aus. Dies gründete sich auf den erwarteten Erfolg einer rigiden Strukturanpassungspolitik gemäß den Vorgaben des IWF.

Die wichtigsten Kanäle durch die die pandemiebedingte Rezession Jamaika erneut in eine Schuldenkrise trieb, sind – ausgehend von den immer noch hohen Schuldenindikatoren zu Beginn der Krise – der drastische Einbruch beim Tourismus und der Rückgang bei den Überweisungen von Migrant*innen infolge der angestiegenen Arbeitslosigkeit in den USA, Kanada und Großbritannien.

2021 hat die Weltbank eine Anleihe von 185 Millionen US-Dollar an verschiedene institutionelle Investoren und Entwicklungshilfegeber verkauft. Diese Summe wird Jamaika im Fall einer Naturkatastrophe zur Verfügung gestellt, die ein bestimmtes Ausmaß überschreitet und zwischen 2021 und 2023 eintritt. Geschieht dies nicht, hat die Anleihe, ein so genannter Cat(astrophe)-Bond, keinen Einfluss auf Jamaikas Verschuldung. Im Katstrophenfall würde der Betrag für keineswegs geringe 4 Prozent pro Jahr Jamaika für Katastrophenhilfe und Wiederaufbau zur Verfügung gestellt.

Politische Empfehlungen

Jamaika war einer der Wortführer in der G77, einem Zusammenschluss von derzeit 134 Ländern im Globalen Süden innerhalb der Vereinen Nationen, für ein ambitionierteres Entschuldungsprogramm bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Im Frühjahr 2020 hat das Land erneut einen Konsultationsprozess zu Entwicklungsfinanzierung in Zeiten der Pandemie zusammen mit Kanada und dem UN-Generalsekretär angestoßen. Es sollte Forderungen nach Entlastung für alle Länder, die Schuldenerleichterungen benötigen, unabhängig von ihrem Einkommensstatus engagiert weiter betreiben. Eine gute Grundlage dafür bietet die Schuldenerklärung des Netzwerks der kleinen Inselstaaten (AOSIS), dem Jamaika angehört, vom Juni 2020.

 Weiterführende Informationen und Materialien:

Stand: Mai 2022

Förderhinweis

OSF

gefördert durch einen Zuschuss der Open Society Foundations