Indonesien

Hat Indonesien ein Schuldenproblem?

Indonesien hat aktuell und in naher Zukunft kein Schuldenproblem. Allerdings ist das Land durch seine hohen Verbindlichkeiten in Form von Staatsanleihen, welche eine kontinuierliche Refinanzierung am Kapitalmarkt erfordern, sehr verletzlich durch eventuelle Zinserhöhungen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorWertGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)39,040
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)197,0150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)39,615
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)38,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)325,9200
Auslandsschuldenstand 2019 (US-Dollar)402,1 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger 2019 (US-Dollar)81,8 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Indonesien?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Indonesiens gesamte Auslandsschulden bestehen zu vier Fünfteln gegenüber privaten Gläubigern. Dabei ist der indonesische Staat überwiegend durch den Verkauf von Staatsanleihen im Ausland verschuldet, während der private Sektor sich seine ausländischen Finanzierungen hauptsächlich durch Bankkredite beschafft. Größte Einzelkategorie mit der Hälfte aller indonesischen Schulden sind die Kreditaufnahmen des Staates mittels öffentlicher Anleihen.

Das verbliebene knappe Fünftel aller Auslandsschulden teilt sich etwa gleichmäßig auf bilaterale und multilaterale öffentliche Kreditgeber auf. In beiden Kategorien überwiegen dabei inzwischen kommerzielle Schulden, das heißt solche mit hohen Zinssätzen und kurzen Laufzeiten gegenüber günstigeren Finanzierungen im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit.

Bei den bilateralen Schulden reklamiert der Pariser Club in seinen von seinen (Gläubiger-)Mitgliedern übermittelten Daten mehr als doppelt so viel wie die Weltbank an gesamten konzessionären Schulden überhaupt ausweist. Offenbar gehen die Urteile darüber, was konzessionär und was kommerziell ist, zwischen Washington und Paris weit auseinander. Gegenüber Deutschland weist die Weltbank mehr als 2 Milliarden US-Dollar aus, der größte Teil davon Handelsforderungen, während die Bundesregierung lediglich von 456 Millionen Euro Schulden aus der Finanziellen Zusammenarbeit ausgeht. Größter bilateraler öffentlicher Gläubiger Indonesiens ist Japan mit Forderungen von mehr als 11 Milliarden US-Dollar, wovon mehr als 7 Milliarden auf zinsgünstige Kredite im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit entfallen. China folgt mit großem Abstand danach, etwa auf Augenhöhe mit Frankreich und Deutschland.

Trend

Vier von fünf Schuldenindikatoren haben sich von 2016 bis 2020 um mindestens zehn Prozent verschlechtert. Besonders gravierend war der Anstieg bei den öffentlichen Schulden im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen und dem gesamten Auslandsschuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen, also denjenigen Indikatoren, die sich auf im Jahr 2020 besonders volatile Flussgrößen (im Gegensatz zu den Bestandsgrößen der anderen Indikatoren) beziehen. Nach seiner schweren Schuldenkrise zu Beginn des Millenniums und verschiedenen Schuldenerleichterungen (s.u.) sind die Indikatoren zunächst sämtlich stark gefallen. Schon seit Beginn der letzten Dekade sind sie aber auf breiter Front wieder angestiegen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Indonesien

Indonesien musste bereits in den 1960er Jahren viermal Umschuldungen mit dem Pariser Club vereinbaren. Bemerkenswert ist dabei die letzte Vereinbarung von April 1970. Diese weist der Pariser Club als Vereinbarung unter “Classic Terms”, d.h. als Umschuldung ohne Erlasselement aus. Das ist definitiv falsch: Die für damalige Verhältnisse exorbitant große Umschuldungssumme von 2,09 Mrd. US-Dollar wurde in einer gesonderten Vereinbarung von allen Zinszahlungen bis auf eher symbolische 0,5 Prozent ausgenommen, wodurch sich der Barwert der Schulden, den der Pariser Club sonst bei der Berechnung von Schuldenreduzierungen zugrunde legt, um rund die Hälfte reduzierte.

Diese Vereinbarung war auch deshalb bemerkenswert, weil sie unter Vermittlung eines neutralen Mediators zwischen dem Club, der indonesischen Regierung und dem wichtigsten bilateralen Gläubiger außerhalb des Clubs, der Sowjetunion, zustande kam. Offensichtlich in dem Bemühen, ähnlichen Verfahren keine Präzedenzfälle zu liefern, wird die Besonderheit dieser Regelung vom Pariser Club geleugnet.

Nach der erfolgreichen Entschuldung 1970 geriet Indonesien erst 1998 durch die Asienkrise wieder in Schwierigkeiten. Diese wurden durch eine Streckung von Zahlungsverpflichtungen unter den so genannten “Houston Terms” ohne nominellen Schuldenerlass gelöst. Die nach 2000 wieder anspringende regionale und globale Konjunktur half entscheidend, dass Indonesien aus seinen damaligen Schulden herauswachsen konnte. Allerdings ist der laufende Schuldendienst seither anhaltend hoch geblieben.

2005 schließlich erhielt das Land – eher auf Druck der Gläubiger, denn auf eigenen Wunsch – ein vorübergehendes Schuldenmoratorium zur Unterstützung beim Wiederaufbau nach dem verheerenden Tsunami am 26.12.2004.

Umschuldungen mit den Privatgläubigern hat Indonesien bislang noch nicht vereinbart.

Für die multilaterale HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative um das Jahr 2000 sowie das Schuldenmoratorium DSSI der G20 zur Unterstützung des Kampfes gegen COVID-19 war Indonesien nicht qualifiziert.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Besonders hoch ist mit stabilen 39,6 Prozent der laufende Schuldendienst auf die gesamten Auslandsschulden im Verhältnis zu den Hartwährungseinnahmen durch Güter und Dienstleistungen, während die anderen Indikatoren sich bis auf einen gerade erst an oder noch unter den kritischen Grenzwerten befinden.

Die starke Ausweitung der Platzierung von Staatsanleihen auf den Kapitalmärkten – bis Ende 2016 mehr als 100 Milliarden US-Dollar – machen das Land hochempfindlich für Veränderungen der globalen Zinssätze. Sollten die Zinsen für neue Anleihen, die zur Ablösung alter Anleihen aufgenommen werden, spürbar höher liegen als die ihrer Vorgänger, kann Indonesien in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Deswegen wird das Land zusammen mit Indien, Brasilien, der Türkei und Südafrika zu den “Fragilen Fünf” gezählt.

Trotz seiner Größe ist Indonesien überdies durch seine Lage auf dem Pazifischen Feuerring besonderen Risiken durch Naturkatastrophen ausgesetzt, für die es bislang noch keine angemessene finanzielle Antwort der internationalen Gemeinschaft gibt.

Politische Empfehlungen

Als G20-Mitglied in einer fragilen Schuldensituation, welches aber von einer echten Krise noch deutlich entfernt ist, wäre Indonesien in einer guten Position, internationale Abstimmungsprozesse über effiziente und faire Umschuldungsverfahren voranzubringen. Es könnte dabei in besonderer Weise auf seine einzigartige Entschuldung im Jahr 1970 Bezug nehmen.

 

Stand: März 2021