Grenada

Hat Grenada ein Schuldenproblem?

Nach den Schuldenerleichterungen durch einzelne Gläubiger im Jahr 2015 haben sich Grenadas Schuldenindikatoren bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie und dem dadurch ausgelösten Einbruch des Tourismus verbessert. Trotzdem betrachtet der Internationale Währungsfonds (IWF) das Land weiterhin als im Zahlungsausfall. Szenarien des IWF, nach denen Grenada aus den verbliebenen Schulden herauswachsen kann, bauen auf sehr optimistische Annahmen hinsichtlich des Wachstums, einer ungestörten fiskalischen Konsolidierung und des Ausbleibens der in der Region zu Recht gefürchteten Wirbelstürme.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2018)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)71,140
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)295,1150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)20,815
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)71,350
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)249,2200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)658,7 Mio.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)44,3 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten 

Wer sind die Gläubiger von Grenada?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Grenadas Auslandsschulden bestehen ausschließlich auf Seiten des Staates. Grenadische Unternehmen und Banken sind nicht im Ausland verschuldet. Mehr als die Hälfte der Schulden besteht gegenüber multilateralen Financiers, und zwar seit einem Jahr nicht mehr nur zu zu Entwicklungshilfekonditionen, also niedrigen Zinsen und langen Laufzeiten, sondern auch zu harten Marktbedingungen. Gegenüber anderen Staaten resultieren nach Angaben der Weltbank alle Schulden aus (marktmäßigen) Handelskrediten. Das Gläubigerprofil ist dadurch außergewöhnlich, dass Nachbarn wie Trinidad & Tobago und Barbados eine Rolle spielen. Unter den Industrieländern ist Österreich interessanterweise bedeutender als die USA und Großbritannien. Die Weltbank weist auch knapp 4 Millionen US-Dollar deutsche Handelsforderungen aus, welche die Bundesregierung nicht benennt. Anders als die Weltbank weist der Pariser Club allerdings noch drei Millionen US-Dollar Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit aus. China und Deutschland sind nicht Gläubiger Grenadas.

Unter den multilateralen Gläubigern sind die Weltbank (Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA)) sowie die Karibische Entwicklungsbank (CDB) die bedeutendsten.

Trend

Infolge der Umschuldungen des Jahres 2015 sind Grenadas Schuldenindikatoren bis 2019 deutlich zurückgegangen. Der dramatische Einbruch des Tourismussektors, der Haupteinnahmequelle des Landes, hat im Laufe des Jahres 2020 aber wieder zu einem deutlichen Anstieg geführt.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Grenada

Vor der aktuellen Krise hatte Grenada mit dem Pariser Club eine weitgehend wirkungslose Umschuldung im Jahr 2006 vereinbart.

2015 erreichte das Land gegenüber seinen privaten Gläubigern eine Teilumschuldung seiner größten ausstehenden Anleihe, die deren Nennwert um rund 5 Prozent reduzierte. Da auch die Zinsen abgesenkt und Zahlungsfristen gestreckt wurden, bemisst sich die Erleichterung beim Schuldendienst über die gesamte Laufzeit der Anleihe auf rund 50 Prozent. Ebenfalls konnte mit Taiwan eine Schuldenerleichterung in vergleichbarer Größe vereinbart werden. Die Gläubiger des Pariser Clubs lehnten eine Schuldenerleichterung ab. Stattdessen schuldeten sie den eher bescheidenen Betrag von 8 Millionen US-Dollar nur zu ursprünglichen Zinssätzen um. Für die Gläubiger (Großbritannien, USA, Russland und Japan) war das ein gutes Geschäft, da sie ihre Kredite in Zeiten bereits sehr niedriger Zinssätze zu den ursprünglichen (höheren) Zinssätzen verlängern konnten.

2020 bekam Grenada von den G20 und dem Pariser Club ein Zahlungsmoratorium unter der Debt Service Suspension Initiative (DSSI) angeboten, welches es auch in Anspruch nahm. 2020 belief sich der eingesparte Betrag in der zweiten Jahreshälfte indes nur auf bescheiden 1,4 Millionen US-Dollar. 2021 waren es schon 10,1 Millionen. Der aufgeschobene Schuldendienst wird allerdings in den Jahren 2023 bis 2027 in fünf gleichen Raten (samt Zinsen) zusätzlich zum regulären Schuldendienst fällig.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Da auch nach den Vereinbarungen mit den Anleihegläubigern und mit Taiwan weiterhin Zahlungsrückstände bestehen, betrachtet der IWF Grenada auch Anfang 2020 weiterhin als in debt distress. Das bezieht sich auf Forderungen gegenüber einigen privaten Gläubigern sowie den öffentlichen Gläubigern Trinidad und Tobago, Algerien und Libyen. Wegen der weiterhin im Zahlungsausfall befindlichen Forderungen verwendet der IWF für Grenada die originelle Formel: „Grenada ist im Schuldenstress, aber seine Schulden sind tragbar.“ Nennenswerte Folgen für die Außenwirtschaftsbeziehungen des Landes hat dies allerdings nicht.

Der IWF prognostiziert ein Wachstum von 2,7 Prozent pro Jahr im Durchschnitt der kommenden Dekade. Allerdings hat Grenada zwischen 1980 und 2014 allein durch Naturkatastrophen (vor allem Wirbelstürme) Schäden von durchschnittlich 6,9 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erlitten. Seit 2004 ist das Land von den schweren Wirbelstürmen, die die Nachbarinseln schwer getroffen haben, verschont geblieben. Eine ähnliche Katastrophe, wie sie 2017 Barbuda und Dominica getroffen hat, könnte die optimistischen Vorhersagen über Nacht zu Makulatur werden lassen. Um auf solche Fälle vorbereitet zu sein, hat der IWF mit den Behörden Grenadas eine Strategie für eine höhere Katastrophen-Resilienz entwickelt. Teil davon sind unter anderem Hurrikan-Klauseln in den seit 2015 getroffenen Umschuldungsvereinbarungen. Sie bewirken, dass im Fall einer Naturkatastrophe der laufende Schuldendienst an einige bilaterale Gläubiger automatisch ausgesetzt wird.

Allerdings berechnet der IWF einen Gesamtfinanzierungsbedarf in seiner Anfang 2022 vorgestellten Disaster Resilience Strategy von 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr, von denen maximal die Hälfte durch externe Hilfe mobilisiert werden kann. Die andere Hälfte soll durch eher klassische Strukturanpassungsmaßnahmen wie eine schrittweise Anhebung des Rentenalters aufgebracht werden.

Politische Empfehlungen

Die Umschuldungen im Jahr 2015 haben gezeigt, dass in den von den Gläubigern beherrschten Verfahren (wie dem Pariser Club) nur sehr begrenzte Schuldenerleichterungen zu erreichen sind. Die Kirchen in Grenada haben deshalb eine umfassende Schuldenkonferenz aller Gläubiger des Landes gefordert. Diese Forderung konnte die Regierung Grenadas nicht durchsetzen.

Grenada sollte nun zusammen mit seinen Nachbarländern auf die Schaffung einer regionalen Entschuldungsinitiative hinwirken, die den fast durchweg hoch verschuldeten Ländern der Ostkaribik für den Fall weiterer externer Schocks die Möglichkeit zu einer fairen und umfassenden Entschuldung einräumen würde. Das Schuldenstatement vom Juni 2020 des Netzwerks der Kleinen Inselstaaten (AOSIS), zu dem Grenada gehört, bieten dafür eine gute Grundlage.

Weitere Informationen und Material

Video: “Heron Belfon, Koordinatorin Jubilee Caribbean, on the debt crisis in Grenada in times of COVID-19” (Juni 2021)

Stand: Mai 2022

Förderhinweis

OSF

gefördert durch einen Zuschuss der Open Society Foundations