Ghana

Aktuelle Verschuldungssituation und Trend

Ghana ist aktuell im Zahlungsausfall und in einer Schuldenkrise. Kurz vor Jahresende 2022 musste das Land die Zahlungen an seine bilateralen Gläubiger einstellen. Mit Stand November 2024 befindet sich das Land in teilweise bereits abgeschlossenen Umschuldungsverhandlungen mit seinen bilateralen Gläubigern.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2022)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)61,4>60-80 (zweite Stufe)
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)168,6150-225 (erste Stufe)
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)11,9<15 (keine Gefahr)
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)92,4>75-100 (zweite Stufe)
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)583,2>100 (höchste Stufe)
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)44,840 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)3,158 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Ghanas Auslandsschulden bestehen zu mehr als 80 Prozent auf Seiten des Staates. Ghanaische Banken und Unternehmen sind (ohne staatliche Garantie) mit ca. 8,9 Milliarden US-dollar im Ausland verschuldet.

Anteil verschiedener Gläubigergruppen an der öffentlichen Auslandsverschuldung

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm werden nur die öffentlichen Auslandsschulden dargestellt.

Bei den öffentlichen Auslandsschulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Auslandsschulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen.

Vor allem durch die stark ausgeweitete Platzierung von Anleihen an den internationalen Kapitalmärkten sind private Gläubiger die wichtigste Gläubigergruppe Ghanas. Durch den Mitteleinkommensstatus sowie stabile politische Voraussetzungen war Ghana in der Niedrigzinsumgebung nach der globalen Finanzkrise für westliche Investoren ein attraktiver Standort für Kapitalinvestitionen. Von ausstehenden ca. 31 Milliarden US-Dollar an ausländischen öffentlichen oder öffentlich garantierten Schulden wird mehr als die Hälfte von ausländischen Privatgläubigern gehalten, der größte Teil dabei von internationalen Anleihehaltern, zu denen vor allem große Investmentfonds wie BlackRock, Amundi und Greylock zählen. 15 Eurostaatsanleihen (sog. Eurobonds) waren zum Zeitpunkt der Zahlungseinstellung Ghanas im Dezember 2022 ausstehend. Bei sämtlichen Anleihen handelte es sich um hoch verzinste Papiere: Zwischen 7 und 11 Prozent musste Ghana auf die Anleihen zahlen.

Die Anleihezeichner lassen sich wegen des beständigen Handels auf dem Sekundärmarkt nicht verlässlich einzelnen Ländern zuordnen. Bei den weniger umfangreichen Bankgläubigern ist dies indes möglich: Ghana hat Schulden bei Banken aus 17 verschiedenen Ländern, durchweg pro Land im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich. Die umfangreichsten Forderungen halten deutsche Banken mit insgesamt 640 Millionen US-Dollar, gefolgt von britischen und belgischen Instituten.

Multilaterale Gläubiger wie die Weltbank machen ca. 29 Prozent des Schuldenstands aus. Größter multilateraler Geber ist die International Development Association (IDA), eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, mit knapp 3 Milliarden US-Dollar an konzessionären und rund 1,8 Milliarden US-Dollar an nicht-konzessionären Forderungen. Nur die Afrikanische Entwicklungsbank hält mit 1,2 Milliarden US-Dollar Forderungen in vergleichbarer Größenordnungen. Sieben weitere multilaterale Institutionen halten deutlich kleinere Beträge, darunter die Europäische Investitionsbank und der OPEC Fund for International Development.

Bilaterale Gläubiger, die sich im Pariser Club koordinieren (darunter Deutschland), machen 11 Prozent aus; bilaterale öffentliche Gläubiger außerhalb des Pariser Clubs (darunter China) machen knapp 6 Prozent aus. China ist für Ghana – im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern – ein relativ kleiner öffentlicher bilateraler Gläubiger. Unter den bilateralen Gläubigern hat sich in den letzten Jahren eine bedeutende Verschiebung weg von günstigen Finanzierungen aus der Entwicklungszusammenarbeit hin zu Finanzierungen zu Marktbedingungen ergeben. Die bedeutendsten Inhaber nicht-konzessionärer Forderungen an Ghana sind drei Schwellenländer. Mit deutlichem Abstand werden sie angeführt von d3er Volksrepublik China (1,6 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Indien (474 Millionen US-Dollar) und Ägypten (212 Millionen US-Dollar).  

Unter den Geberländern im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit liegen dagegen die Bundesrepublik Deutschland (281 Millionen US-Dollar) und Frankreich (268 Millionen US-Dollar) an der Spitze. Bei den deutschen Forderungen handelt es sich wesentlich um neue Finanzierungen nach der Entlastung Ghanas unter der HIPC-Initiative 2002 und 2005 (siehe unten). Nach seiner Graduierung zum Mitteleinkommensland ist Ghana eines der wenigen (Ex-)HIPCs, welche aus Deutschland zinsgünstige Kredite anstelle von Zuschüssen erhalten.

Bisherige Schuldenrestrukturierungen

Ghana wurde 2002 in die multilaterale Entschuldungsinitiative für „hochverschuldete arme Länder“ (sogenannte HIPC-Initiative) aufgenommen. Nominale 7,4 Milliarden US-Dollar wurden 2004 unter der HIPC-Initiative und im darauffolgenden Jahr unter der nachfolgenden Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) gestrichen, was den zweitgrößten nominalen Schuldenerlass aller HIPC-Länder bedeutet.

Zuvor hatte Ghana den 1996 bei Verhandlungen im Pariser Club der Gläubiger unter Classic Terms eine Umschuldung ohne Teilerlass und 2001 eine kleinere Umschuldung mit einem Erlasselement von 67 Prozent (Naples Terms) auf die relativ bescheidenen umgeschuldeten Fälligkeiten erhalten.

China hat 2003 bis 2007 in drei Schritten insgesamt rund 240 Millionen US-Dollar Forderungen an Ghana gestrichen, und damit in etwa seinen Beitrag zur HIPC-Entschuldung erbracht.

Nach der HIPC-Entlastung lagen bis 2017 alle Auslandsschuldenindikatoren Ghanas im unkritischen Bereich. 2018 stieg der Schuldendienstquotient dann erstmal und sprunghaft wieder über die im Rahmen der HIPC-Initiative als kritisch gesehen Grenze von 15 Prozent. Das gleiche geschah 2020 mit dem Quotienten aus Schuldenstand und Exporteinnahmen.

Ghana hatte schon 2020 eine Beteiligung an der Debt Service Suspension Initiative (DSSI) der G20 abgelehnt und dadurch im kritischen Jahr 2021 einen Schuldendienst in Höhe von rund 516 Millionen US-Dollar geleitstet, die auch hätten aufgeschoben werden können.

Am 5. Januar 2023 wurde bekannt, dass Ghana als viertes Land im Rahmen des seit 2020 bestehenden Gläubigerkoordinationsrahmens „G20 Common Framework“ Umschuldungsverhandlungen beantragen würde. Mit Stand November 2024 sind die Umschuldungsverhandlungen des Landes bereits weit fortgeschritten. Im Januar 2024 wurde eine prinzipielle Vereinbarung mit dem öffentlichen Gläubigerkomitee, also bilateralen öffentlichen Gläubigern des Pariser Clubs und der G20, getroffen. Weder die Verhandlungsprotokolle noch die Details der letztendlichen Vereinbarung sind öffentlich zugänglich. Berechnungen mit den unvollständigen öffentlich bekannten Daten ergaben, dass öffentliche Geber 67 Cent auf den Dollar zurückerhalten. Es ist nicht bekannt, ob weitere nicht-finanzielle Klauseln in die Vereinbarung aufgenommen wurden, wie etwa in Sambia geschehen.

Im April 2024 lag im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes das erste Umschuldungsangebot der Anleihehalter vor. Dieses wurde jedoch von den öffentlichen Gläubigern abgelehnt, da es nicht kompatibel mit der Vereinbarung des öffentlichen Gläubigerkomitees und dem errechneten Erlassbedarf durch den IWF sei. Am 24. Juni 2024 wurde dann eine Grundsatzvereinbarung über ein verbessertes Angebot der Anleihehalter getroffen. Dieses Angebot wurde vom öffentlichen Gläubigerkomitee und dem IWF Anfang Juli abgenickt und im Oktober mit den Anlegern final abgeschlossen. Effektiv werden rund 32,5 Prozent der Kapitalforderungen gestrichen sowie 37 Prozent der durch die Zahlungseinstellung aufgelaufenen Zinszahlungen. Voraussichtlich erhalten Anleger insgesamt noch ca. 64 Cent auf den Dollar zurück, also weniger als öffentliche Gläubiger.

Bislang haben keine Verhandlungen über die Forderungen kommerzieller Banken über 3,9 Milliarden US-Dollar stattgefunden.

Im Rahmen des Common Framework werden in die Umschuldungsverhandlungen nur öffentliche bilaterale und private kommerzielle Forderungen einbezogen. Forderungen von multilateralen Gläubigern wie IWF und Weltbank werden aufgrund ihres bevorzugten Gläubigerstatus – wie auch in anderen Umschuldungsverhandlungen außerhalb des Common Framework – nicht mit verhandelt.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, ob und inwieweit die beiden abgeschlossenen Restrukturierungsdeals die Schuldenindikatoren Ghanas ausreichend reduzieren, damit, wie vom IWF empfohlen, dass Überschuldungsrisiko auf ein mittleres mit Raum für die Absorption von Schocks zu reduzieren.

Politische Veranwortung für ausstehende Forderungen

Im Falle von Schuldenrestrukturierungen wie bei Ghana sind es nach Berechnungen von erlassjahr.de die G7- und EU-Staaten direkt oder indirekt dafür verantwortlich, ausreichend umfassende Schuldenstreichung von 71 Prozent der ausstehenden Forderungen gegenüber multilateralen und privaten Kreditgebern zu gewährleisten. Der große Anteil der politischen Verantwortlichkeit der G7- und EU-Staaten liegt im Falle Ghanas vor allem daran, dass der Großteil der Forderungen von Anleihehaltern gehalten wird, deren Verträge unter englischen oder New Yorker Recht begeben wurden. Im Fall Ghanas ist die vergleichbare Beteiligung privater Anleger bereits gelungen. Dies ist bislang jedoch nicht bei kommerziellen Banken der Fall; die größten Kreditgeber sind dabei in Ländern der G7- und EU ansässig (siehe oben). Diejenigen Staaten, in denen private Gläubiger ansässig sind, haben die regulatorischen und politischen Möglichkeiten, die kooperative und gleichrangige Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenerleichterungen sicherzustellen. Hinzu kommt, dass ein nennenswerter Teil der Forderungen gegenüber Ghana auch von multilateralen Institutionen gehalten wird, in denen die G7- und EU-Staaten den Großteil der Stimmrechte halten.

Weiteres zur Schuldentragfähigkeit

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, ob und inwieweit die abgeschlossenen Restrukturierungsdeals die Schuldenindikatoren Ghanas ausreichend reduzieren, damit, wie vom IWF empfohlen, dass Überschuldungsrisiko auf ein mittleres mit Raum für die Absorption von Schocks zu reduzieren. erlassjahr.de kritisiert, dass die Auslandsschuldenrestrukturierung zum einen an eine Inlandsschuldenrestrukturierung gebunden wurde, zum anderen hohe fiskalische Anpassungen zur Bedingung gemacht wurden, die zu sozialen Härten führen könnten (siehe weiterführendes Material unten).

Optionen und Herausforderungen für Schuldenrestrukturierungen

Von den meisten Gläubigern und Beobachtern war der Zahlungsausfall von Ende 2022 erwartet worden. Auf der privaten Seite hat sich relativ schnell ein Gläubigerkomitee unter Beteiligung der wichtigsten Investmentfonds, welche ghanaische Anleihen halten, gebildet. Unter den Investoren ist man vorsichtig optimistisch, dass eine Umschuldung zügiger ausgehandelt werden kann als in anderen Ländern, die aktuell im Zahlungsausfall sind, da China in Ghana nicht ganz so dominant vertreten ist wie beispielsweise in Sambia.

Die ghanaische Regierung muss verhindern, dass etwa unter Hinweis auf die gerade wieder gestiegenen Ölpreise ein notwendiger Schuldenerlass kleingerechnet wird, wie das jüngst im Tschad geschehen ist. Es wird auch nach einem Schuldenerlass weiterhin eine höchst verwundbare extraktivistische Ökonomie sein, die durch Preisveränderungen für seine Rohstoffe, auf die es kaum Einfluss hat, immer wieder in Schwierigkeiten geraten kann. Ein nunmehr auch in den Augen der Gläubiger unvermeidlicher teilweiser Schuldenerlass muss deshalb weitgehend genug sein, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Andernfalls wird er sich schnell als nur das erste Glied in einer neuen Kette serieller Umschuldungen erweisen.

Weiterführende Informationen und Materialien:

Stand: November 2024

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