Georgien

Hat Georgien ein Schuldenproblem?

Die Verschuldung des georgischen Staates alleine ist aktuell weder im Inland noch im Ausland ein Problem. Trotz starken Wachstums der Schulden bei stagnierender Wirtschaftsleistung liegt die öffentliche Verschuldung noch immer unter den niedrigsten kritischen Grenzwerten.

Kritisch ist allerdings die gesamte (private und öffentliche) Auslandsverschuldung des Landes. Hier werden die entsprechenden Grenzwerte teilweise deutlich überschritten.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2018)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)110,640
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)168,2150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)23,715
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)44,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)156,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)17,118 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)2,251 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Georgien?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Georgiens Auslandsschulden bestehen zu weniger als der Hälfte auf Seiten des Staates. Der größere Teil sind Schulden georgischer Unternehmen und Banken bei ausländischen Gläubigern.

Die wichtigsten Gläubiger des georgischen Staates sind multilaterale Geber. Für ein Mitteleinkommensland weist Georgien noch immer einen relativ hohen Anteil Schulden zu konzessionären Bedingungen bei multilateralen Gläubigern auf. Dies wird sich allerdings ändern (siehe unten).

Bilaterale öffentliche Gläubiger spielen mit Forderungen im Umfang von insgesamt 897 Millionen US-Dollar eine weniger bedeutende Rolle. Von diesen Außenständen entfallen nach Angaben der Weltbank 479 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfeforderungen und 418 Millionen US-Dollar auf Handelsforderungen. Wie in zahlreichen anderen Ländern stimmen auch in Georgien die vom Schuldner stammenden Angaben der Weltbank nicht mit den Angaben überein, die der Pariser Club bei seinen Mitgliedern abfragt: Während die Bank nur insgesamt 418 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfeschulden ausweist, beanspruchen die Club-Mitglieder in dieser Kategorie allein 532 Millionen US-Dollar. Von den Entwicklungshilfeschulden entfällt mit 143 Millionen Euro ein wesentlicher Teil auf die Bundesrepublik Deutschland. China ist kein Gläubiger Georgiens.

Trend

Georgiens Auslandsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sowie die beiden Indikatoren zu öffentlichen Schulden sind von 2014 bis 2018 um mindestens 10 Prozent angestiegen. Allerdings liegen die öffentlichen Schulden insgesamt noch im unproblematischen Bereich. Der Anstieg der Indikatoren hat aber nicht nur mit wachsenden Schulden, sondern auch mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung seit 2014 zu tun. Das absolute Niveau der Wirtschaftsleistung jenes Jahres wurde bislang noch nicht wieder erreicht.

Eine für Georgien problematische Entwicklung ist darüber hinaus der Rückgang des konzessionären Anteils an den öffentlichen bilateralen und multilateralen Schulden, was den Schuldendienst verteuert. Dieser ist offenbar wegen der stärker ins Gewicht fallenden privaten Zins- und Tilgungszahlungen zunächst von seinem Höhepunkt 2016 aus spürbar zurückgegangen.

Da Georgien 2019 (erneut) vom Land mit „niedrigem mittlerem“ Einkommen zu einem mit „hohem mittlerem“ Einkommen von der Weltbank hochgestuft wurde, ist der Zugang zu neuen konzessionären Krediten praktisch verschlossen, was den Schuldendienst in naher Zukunft wieder erhöhen dürfte. Zudem ist dadurch auch die bis 2019 noch bestehende Möglichkeit, Schulden aus der Entwicklungshilfe bei Deutschland in heimische Investitionen umzuwandeln, nunmehr verschlossen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Georgien

Georgien hat im März 2001 und im Juli 2004 insgesamt relativ bescheidene 210 Millionen US-Dollar Schulden gegenüber seinen öffentlichen bilateralen Gläubigern im Pariser Club umgeschuldet. 2001 geschah dies ohne ein Erlasselement, 2004 unter den Houston Terms mit begrenzten Zugeständnissen beim Schuldendienst. Beide Abkommen werden aktuell noch weiter abbezahlt.

Die öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern wurden bislang noch nicht umgeschuldet.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Die privaten Auslandsschulden sowohl in der Form von Anleihen (mehr als 1 Milliarde US-Dollar ausstehend) als auch die seit 2010 verdoppelten Bankenschulden (mehr als 6 Milliarden US-Dollar) stellen eine erhebliche Belastung für die Zahlungsbilanz des Landes dar.

Eine in den hier verwendeten Daten noch nicht widergespiegelte Gefahr kann in der Suspendierung direkter Flüge zwischen Georgien und Russland liegen, die die russische Regierung nach Unruhen über einen Auftritt russischer Politiker*innen im georgischen Parlament verhängt hatte. Auch wenn dieser gegen Jahresende 2019 teilweise wieder aufgehoben wurde, schätzen georgische Quellen den Verlust durch das Ausbleiben russischer Tourist*innen auf bislang rund 350 Millionen US-Dollar.

Politische Empfehlungen

Der georgische Staat muss Wege finden, die internationale Kreditaufnahme des Privatsektors zu kontrollieren. Die Anregung des Internationalen Währungsfonds, private externe Kreditaufnahme durch die Erleichterung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften noch weiter zu fördern erhöht die Risiken für die Schuldentragfähigkeit an dem kritischsten Punkt.

 

Stand: Januar 2020

 

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