Gambia

Hat Gambia ein Schuldenproblem?

Gambias Schuldenindikatoren sind infolge der Pandemie, des Klimawandels und zuletzt des russischen Überfalls auf die Ukraine deutlich angestiegen. Nur ein zwischenzeitliches Teilmoratorium hat das Land in den letzten Jahren zahlungsfähig gehalten. Gambia könnte wegen seines spezifischen Gläubigerprofils und der guten Reputation der neuen demokratischen Regierung zu einem Pilotfall für eine faire und weiter gehende Entschuldung werden.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2023)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)53,040
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)763,7150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)26,215
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)83,850
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)498,2200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)1,074 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)36,8 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Gambia?

 

Erklärung der Schuldenkategorien
Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Gambias Auslandsschulden bestehen sämtlich von Seiten des Staates oder sind vom Staat garantiert. Gambische Unternehmen und Banken sind nicht im Ausland verschuldet.

Die Gläubiger sind ausschließlich öffentliche Institutionen. Zwei Drittel der Schulden bestehen gegenüber multilateralen und ein Drittel gegenüber bilateralen Gläubigern.

Unter den bilateralen Gläubigern spielen die traditionellen im Pariser Club organisierten Gläubigerstaaten keine Rolle mehr. Auch Deutschland ist kein Gläubiger Gambias mehr, nachdem schon vor der Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Staaten (engl. Heavily Indebted Poor Countries Initiative, HIPC) die noch ausstehenden 10,23 Millionen Euro aus Entwicklungshilfekrediten erlassen worden waren. Die wichtigsten bilateralen Gläubiger stammen stattdessen aus dem arabischen Raum, Indien und China.

Zahlungsrückstände hat Gambia nur in geringem Umfang bei Libyen und Venezuela.

Trend

Die Auslandsverschuldung Gambias hat sich zwischen 2018 und 2022 deutlich dramatisch entwickelt, weswegen es im Schuldenreport 2023 als „sehr kritisch verschuldet“ kategorisiert wird. Dagegen hat sich die Verschuldung des Staates im Inland nicht verschlechtert, sondern ist auf hohem Niveau stabil geblieben beziehungsweise hat sich sogar leicht gebessert. Bedenklich ist die relative Zunahme marktnaher Kredite im Vergleich zu solchen zu Entwicklungshilfebedingungen sowohl auf Seiten der bilateralen als auch der multilateralen Gläubiger.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Gambia

Gambia hat seit 1986 viermal im Pariser Club mit seinen öffentlichen Gläubigern verhandelt. 1986 erhielt es zunächst nur eine Streckung seiner Verbindlichkeiten (Classic Terms). 2003 und 2007 wurden dann jeweils rund 90 Prozent der Fälligkeiten gestrichen (Cologne Terms), bevor 2008 die abschließende HIPC-Vereinbarung getroffen wurde.

Der gesamte Entlastungsprozess durch die HIPC-Initiative mit dem Decision Point 2000 und dem Completion Point in 2007 erbrachte insgesamt nominale Schuldenerleichterungen von 487 Millionen US-Dollar.

Gambia hat die G20-Moratoriumsinitiative zur Unterstützung des Kampfes gegen die Covid-19-Pandemie (Debt Service Suspension Initiative, DDSI) in Anspruch genommen und dadurch in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 27,6 Millionen US-Dollar an seine bilateralen öffentlichen Gläubiger nicht zahlen müssen. Diese müssen allerdings von 2023 an in fünf gleichen Tranchen zusätzlich zum regulären Schuldendienst samt Zinsen nachgezahlt werden.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Im November 2018 war Gambia im teilweisen Zahlungsausfall. Dieser beschränkt sich heute auf die weniger gewichtigen Gläubiger Libyen und Venezuela.

Eine besondere Belastung ist für die seit 2018 amtierende demokratische Regierung dadurch entstanden, dass der 2017 abgewählte langjährige Präsident Yahya Jammeh nur dadurch zum friedlichen Verlassen des Präsidentenamtes bewegt werden konnte, dass ihm die Mitnahme erheblichen öffentlichen Eigentums ermöglicht wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass dadurch 90 Millionen US-Dollar das Land verlassen haben.

Mit der Verschiebung von zinsgünstigen zu marktmäßigen Kreditaufnahmen sowohl unter der Diktatur als auch unter der neuen demokratischen Regierung ist der Schuldendienst erneut in Größenordnungen gestiegen, die das Land vor zwanzig Jahren für die HIPC-Initiative qualifiziert hatten. Wegen der DSSI-Nachzahlungen muss Gambia 2023-2027 mit einem deutlich höheren Schuldendienst als in den beiden Moratoriumsjahren rechnen. Der IWF schätzt das Überschuldungsrisiko als „hoch“ ein.

Politische Empfehlungen

Gambias multilaterale Gläubiger insistieren weiterhin auf ihrem bevorzugten Gläubigerstatus, der Umschuldungen im Prinzip ausschließt. Seine bilateralen Gläubiger aus Asien und dem arabischen Raum kennen bislang kein kodifiziertes Verfahren zur Umschuldung wie es westliche Gläubiger im Pariser Club praktizieren. Andererseits hat Gambia keine Schulden bei privaten Gläubigern, was andernorts – wie zum Beispiel in Sambia oder dem Tschad – Umschuldungen erheblich erschwert hat.

Vor diesem Hintergrund sollte die seit 2018 amtierende demokratische Regierung einen oder mehrere ihrer großen multilateralen Gläubiger um Unterstützung bei der Aushandlung einer flexiblen aber ausreichenden Umschuldungsrunde mit allen ihren Gläubigern ersuchen.

 

Stand: März 2023