El Salvador

Hat El Salvador ein Schuldenproblem?

El Salvadors Schuldenindikatoren haben sich auf hohem Niveau stabilisiert, soweit sie sich auf Schuldenstände beziehen. Der laufende Schuldendienst im Verhältnis zu den Exporteinnahmen liegt allerdings auf Rekordniveau und macht das Land verletzlich für externe Schocks – etwa aus einer Verlangsamung des globalen Wachstums infolge der Corona-Krise. Die Neigung der aktuellen Regierung, anstehende Zahlungsverpflichtungen durch immer abenteuerlichere Refinanzierungen zu gewährleisten, ist für das kleine Land hochriskant.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)74,440
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)239,9150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)68,515
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)82,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)311,9200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)20,171 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)5,904 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Ende 2021 lagen alle Schuldenindikatoren El Salvadors im kritischen Bereich.

Wer sind die Gläubiger von El Salvador?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Die Schulden des Staates sowie privater Unternehmen und Banken gegenüber privaten ausländischen Gläubigern machen jeweils mehr als ein Drittel der Auslandsschulden El Salvadors aus – wobei der Staat fast nur bei Anleihegläubigern und die privaten Schuldner fast nur bei ausländischen Banken verschuldet sind (siehe Graphik). Das verbleibende Drittel entfällt auf Schulden des Staates bei öffentlichen ausländischen Gläubigern – fast ausschließlich multilaterale Finanzinstitutionen und fast ausschließlich zu Marktkonditionen. Entwicklungshilfeschulden und Schulden bei anderen Staaten spielen nur noch eine geringe Rolle.

Wichtigste multilaterale Gläubiger sind die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) und die Zentralamerikanische Entwicklungsbank mit jeweils rund 2 Milliarden US-Dollar an ausstehenden nicht-konzessionären Forderungen. Die Weltbank-Gruppe hält durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und Entwicklung rund 770 Millionen US-Dollar. Mit 118 Millionen US-Dollar ist die IDB auch der einzige nennenswerte multilaterale Entwicklungshilfegläubiger.

Bilaterale Gläubiger sowohl aus konzessionärer wie aus nicht-konzessionärer Kreditvergabe sind in dieser Reihenfolge Japan, Deutschland, Spanien, die USA und Italien. Alle Forderungsbestände sind aber im Vergleich zu den großen multilateralen Kreditgebern gering. Wie in vielen Ländern stimmen die Angaben, die die Weltbank aus Quellen im Schuldnerland zusammenstellt, nicht mit den Beträgen überein, die das deutsche Finanzministerium veröffentlicht.

Trend

Die meisten Schuldenindikatoren haben sich seit 2018 auf hohem Niveau stabilisiert, mit Ausnahme der Auslandsschuldendienstquote, die sich im Corona-Krisenjahr 2020 fast verdoppelt hat. 2021 ist dann wieder eine leichte Entspannung eingetreten. Aber auch in diesem Jahr hat El Salvador zwei von drei durch den Export von Gütern und Dienstleistungen eingenommenen Dollars für die Bedienung seiner Auslandsschulden ausgegeben. Besonders die Schulden bei den multilateralen Kreditgebern sind in den Pandemiejahren stark gestiegen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für El Salvador

Im sogenannten Pariser Club der bilateralen Gläubiger hat El Salvador zum bisher einzigen Mal 1990 verhandelt und einen Betrag von 143 Millionen US-Dollar zu konzessionären Bedingungen umgeschuldet (Houston Terms). Die Zahlungsverpflichtungen sind inzwischen vollständig beglichen. Deutschland war nicht unter den beteiligten Gläubigern.

2019 begann die Umsetzung eines Debt2Health-Swaps El Salvadors mit dem Global Fund von Schulden aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Aus 20 Millionen US-Dollar Entwicklungshilfeschulden werden so knapp 13 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau des nationalen Gesundheitslabors in der Hauptstadt San Salvador.

Umschuldungen gegenüber den privaten Gläubigern gab es bislang nicht. Für die multilateralen Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) war El Salvador als Mitteleinkommensland ebenso wenig qualifiziert wie für die Moratoriumsinitiative Debt Service Suspension Initiative (DSSI) der G20.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Besondere Risiken liegen in der dynamisch wachsenden Verschuldung des salvadorianischen Privatsektors und in den Kosten des von der rechtsgerichteten ARENA-Regierung privatisierten Pensionssystems.

Die Regierung des seit 2019 amtierenden Präsidenten Nayib Bukele setzt trotz der bereits hohen Schuldenstände weiterhin auf Kreditaufnahmen im In- und Ausland. Anfang 2020 destabilisierte der Präsident auch das politische System, als er das Parlament vom Militär besetzen ließ, um die Verabschiedung eines Nachtragshaushalts für die Beschaffung von militärischer Ausrüstung zu erzwingen.

Dazu kommen Risiken durch die große Abhängigkeit des Landes von den Rücküberweisungen salvadorianischer Migrant*innen sowie schließlich die überdurchschnittliche Empfindlichkeit des salvadorianischen Ökosystems für die Auswirkungen des Klimawandels.

2020 führte die Regierung Bukele den Bitcoin neben dem US-Dollar als offizielle Währung ein und schuf mit Zahlungsterminals und der Vergabe eines bescheidenen Grundbetrags an (potenziell) alle Bürger*innen des Landes die Voraussetzungen für die Verwendung der Kryptowährung. Inzwischen ist diese von ihrem Kurshoch von über 50.000 US-Dollar pro Bitcoin auf rund 15.000 US-Dollar abgestürzt, so dass alle einschließlich des Staates erhebliche Verluste zu verzeichnen hatten – die sich aber in den makroökonomischen Daten von 2021 noch nicht widerspiegeln. In der ersten Jahreshälfte 2022 waren 2.300 Bitcoins Teil der die salvadorianischen Währungsreserven.

Im November 2022 hatte die Regierung versucht, Staatsanaleihen, die 2023-2025 fällig werden, angesichts der sich abzeichnenden Risiken vorzeitig mit Abschlägen zwischen 12 und 49 Prozent zurückzukaufen. Das gelang aber nur für einen Teil der in diesen drei Jahren fällig werdenden rund 1,6 Milliarden US-Dollar, davon 800 Millionen US-Dollar im Januar 2023.

Gleichzeitig sucht die Regierung die Annäherung an China als möglichen Finanzier, nachdem El Salvador erst 2018 die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen hatte. Bislang hält sich das chinesische Engagement allerdings noch in engen Grenzen.

Politische Empfehlungen

Die salvadorianische Regierung versucht aktuell noch durch eine Ausweitung von Kreditaufnahmen laufende Zahlungsverpflichtungen zu refinanzieren. Das ist angesichts der global wieder steigenden Zinsen und der jüngsten Zurückhaltung Chinas, weiterhin als Finanzier ärmerer Staaten rund um den Globus aufzutreten, höchst riskant.

Die von der Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) gestellte Vorgängerregierung hatte sich auch im Rahmen der Vereinten Nationen für die Schaffung fairer und transparenter Entschuldungsmöglichkeiten eingesetzt. Mit dem Regierungswechsel 2019 sind solche Initiativen zum Erliegen gekommen. Für das hochverschuldete Land könnte ein international vereinbarter Entschuldungsmechanismus überlebenswichtig sein.

Stand: Januar 2023