Ecuador

Hat Ecuador ein Schuldenproblem?

Nach einer Phase konfrontativer Entschuldung ist Ecuador unter den letzten beiden Präsidenten zu einer Politik extensiver Finanzierungen aus dem Ausland zurückgekehrt. Daraus hat sich erneut ein untragbarer Schuldenberg ergeben, der vor allem aus Zahlungsverpflichtungen gegenüber Anleihezeichnern und multilateralen Entwicklungsbanken sowie China als größtem öffentlichen Gläubiger besteht.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)58,640
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)251,4150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)41,615
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)61,250
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)205,6200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)56,19 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)9,3 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Ecuador?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Ecuadors Gläubigerprofil hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Nach der Teilentschuldung, die Präsident Rafael Correa 2009 erzwungen hat, hat Ecuador kaum noch konzessionäre Kredite erhalten. Diese sind heute fast vernachlässigbar klein. Dagegen hat Ecuador in großem Stil nicht-konzessionäre multilaterale Kredite aufgenommen. Bereits unter Correas ehemaligem Vizepräsidenten und Nachfolger Lenín Moreno war 2019 und 2020 die Kreditaufnahme beim Internationalen Währungsfonds (IWF) drastisch angestiegen. Dazu kommt die erhebliche Kreditaufnahme bei China. Außerdem hat Ecuador an den internationalen Kapitalmärkten in bis dahin unbekanntem Umfang Anleihen platzieren können.

Neben dem IWF sind die Interamerikanische Entwicklungsbank und die Andine Entwicklungsbank sowie die Weltbank in Form der Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung mit Milliardenbeträgen Gläubiger Ecuadors.

Unter den bilateralen Gläubigern ragt China mit mehr als 5 Milliarden US-Dollar kommerziellen Forderungen heraus. Der nächstgrößte Gläubiger Frankreich kommt nur auf etwas mehr als ein Zehntel. Auch weniger traditionelle Geber wie Israel und Russland halten Forderungen an Ecuador. Deutschland ist mit rund 22 Millionen US-Dollar dabei, wobei die Zusammensetzung der Forderungen von Berlin und Quito unterschiedlich gesehen wird.

Trend

Ecuadors Auslandsschulden Haben sich von 2015 bis Ende 2020 mehr als verdoppelt. Das gleiche trifft auch auf die meisten Veschuldungsindikatoren zu.  

Insbesondere zwei Entwicklungen treiben die absolut und relativ stark ansteigende Verschuldung: Die anhaltende Platzierung von Staatsanleihen an den internationalen Kapitalmärkten und die nach der spektakulären Ausweisung von Weltbank und IWF aus dem Land vor fünfzehn Jahren starke Rückkehr der multilateralen Geber.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Ecuador

Ecuador hat seit 1983 achtmal mit seinen öffentlichen Gläubigern im sogenannten Pariser Club verhandelt. Die ersten vier Vereinbarungen sahen dabei nur Umschuldungen vor (Classic Terms). Die folgenden in den Jahren 1992, 1994, 2000 und 2003 unter Houston Terms beinhalteten begrenzte Schuldenerleichterungen, indem die Club-Mitglieder ihre Forderungen zu etwas günstigeren Zinsen und Rückzahlungsbedingungen in die Zukunft verschoben. Auch Schuldenumwandlungen für Entwicklung waren unter den letztgenannten vier noch aktiven Vereinbarungen möglich und wurden vereinzelt umgesetzt – unter anderem mit Deutschland.

Vor dem Amtsantritt der Regierung Correa hatte Ecuador bereits fünfmal seine Schulden bei privaten ausländischen Gläubigern restrukturiert. 1995 und 2000 hatten die Gläubiger dabei beträchtliche Abschreibungen auf den Nominalwert hinnehmen müssen. Das Forum dafür war zunächst der sogenannte Londoner Club der großen Geschäftsbanken. Im Jahr 2009 erzwang die Regierung Correa einen Umtausch der aus alten Restrukturierungen ausstehenden „Global“-Anleihen in neue Anleihen mit einem Abschlag von rund zwei Dritteln des Nennwerts.

Für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Staaten (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) und das Common Framework der G20 zur Unterstützung des Kampfes gegen die Pandemie war und ist Ecuador nicht qualifiziert.

2022 gelang der aktuellen Regierung eine Umschuldung von 1,4 Milliarden US-Dollar gegenüber der Chinese Development Bank und 1,8 Milliarden US-Dollar gegenüber der China ExIm-Bank. Allerdings handelt es sich dabei nur um Streckungen der Rückzahlungen bis 2027 beziehungsweise 2032 ohne ein Erlasselement.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Ecuador weist seit der von den Anleihegläubigern erzwungenen Schuldenerleichterung von 2009 beständig steigende Schuldenindikatoren auf. Ende 2020 liegen insbesondere die Schulden und der Schuldendienst im Verhältnis zu den Exporteinnahmen in Bereichen, die auch von Seiten der internationalen Finanzinstitutionen als kritisch eingeschätzt werden. Der fast ausschließlich nicht-konzessionäre Charakter der Neu-Kreditaufnahmen droht, das Land, das keine eigene Währung mehr hat, zahlungsunfähig werden zu lassen.

Der Verfall der Ölpreise hatte bereits ab 2015 zu einem Wachstumseinbruch geführt und sich dann mit dem Nachfragerückgang als Folge der Corona-Pandemie noch einmal verschärft. Hier zeichnet sich als Nebeneffekt der russischen Aggression gegen die Ukraine eine Entspannung für das ölexportierende Land ab – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die aus Amazonien an die Pazifikküste durch ökologisch hochsensible Bereiche führenden Pipelines nicht erneut durch Erdbeben oder Erdrutsche beschädigt werden.

Eine bislang nicht vorgesehene Belastung kann auf Ecuador durch einen Schiedsspruch des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) der Weltbank zukommen, vor dem die Ölgesellschaft Perenco den Staat verklagt hatte, nachdem die damalige Regierung 2008 mit dem Gesetz Nr. 42 die Einnahmen des Unternehmens deutlich geschmälert hatte. ICSID hat der Firma 412 Millionen US-Dollar zuzüglich Zinsen und Gebühren zugesprochen, welche die Regierung nach einer Erklärung vom August 2022 zu zahlen bereit, aber nicht ohne weiteres in der Lage ist. Perenco versucht derzeit in London und Singapur auf Auslandskonten des Staates zuzugreifen.

Politische Empfehlungen

Ecuador braucht dringend Schuldenerleichterungen, insbesondere aufgrund der sehr teuren Kreditaufnahmen in den letzten Jahren. Die aktuelle konservative Regierung könnte – sofern sie politisch dazu in der Lage ist – an die intensiven Diskussionen innerhalb des Landes um innovative Entschuldungsverfahren anknüpfen. Insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeiten, multilaterale und private Gläubiger in einen Restrukturierungsprozess einzubeziehen, könnte das unter anderem von ecuadorianischen Ökonomen entwickelte Tribunal de Arbitraje sobre Deuda Soberana (TIADS) ein wichtiger Referenzpunkt sein.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN UND MATERIALIEN:

Video: KED-Infoabend am 10.11.2020: “Corona-Krise, Staatsverschuldung und die Lage der Indigenen in Ecuador”. Die Veranstaltung war Teil unserer virtuellen Vortragsrundreise “In Solidarität Gehör verschaffen” im Herbst 2020.

Video: “Staatsverschuldung in Ecuador – Alberto Acosta”

Stand: Oktober 2022