Dominica

Hat Dominica ein Schuldenproblem?

Dominica befindet sich seit der Aufhebung der europäischen Zollpräferenzen für karibische Bananen stets latent in einer kritischen Situation. Das Hauptexportgut konnte seither nur unzulänglich durch Einnahmen aus dem Tourismus ersetzt werden. Zudem erweist der Tourismus sich als volatile Einnahmequelle. Entsprechend sind die Schuldenindikatoren seit den neunziger Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Zugespitzt wurde die Schuldensituation Dominicas zusätzlich durch die Wirbelstürme „Erika“ 2015 und „Maria“ 2018. Die für kleine Inselstaaten typische Bedrohung, in einem einzigen Sturm ein Mehrfaches der gesamten Wirtschaftsleistung zu verlieren, macht die Schaffung eines Ad-hoc-Entschuldungsmechanismus dringend.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)68,040
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)292,3150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)23,715
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)108,749
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)249,4200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)329,0 Mio.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)25,9 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Alle Auslandsschulden Dominicas bestehen ausschließlich auf Seiten des Staates. Der weitaus größte Teil davon zu (teuren) Marktbedingungen. Entsprechend hoch ist der Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie 2020 ist er allerdings als einziger der fünf im Schuldenreport 2022 untersuchten Schuldenindikatoren nahezu konstant geblieben, während die anderen vier Indikatoren deutlich gestiegen sind. Das liegt unter anderem an der zeitweiligen Aussetzung von Schuldendienst im Rahmen der Moratoriumsinitiative der G20 (DSSI) (siehe unten).

Wer sind die Gläubiger von Dominica?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Die bedeutenden bilateralen Gläubiger sind China (28,6 Millionen US-Dollar), Frankreich (19,8 Millionen US-Dollar) und Barbados (5 Millionen US-Dollar).

Auf der multilateralen Seite teilen sich die Karibische Entwicklungsbank (80 Millionen US-Dollar nicht-konzessionäre Forderungen und 15,9 Millionen US-Dollar konzessionäre Forderungen) und die Internationale Entwicklungsorganisationen (IDA) (51,4 Millionen US-Dollar) die Gläubigerposition gegenüber Dominica. Ein kleiner Teil nicht-konzessionärer Forderungen in Höhe von 2,9 Millionen US-Dollar entfällt zudem auf die Europäische Investitionsbank.

Trend

Die Gesamtschulden Dominicas sind seit 2018 deutlich gestiegen. Das ist eine Folge des Hurrikans „Maria“, der im Sommer 2018 die Insel und mit ihr die exportfähige Landwirtschaft und den Tourismus schwer getroffen hat, sowie der ab 2020 spürbaren Folgen der Corona-Pandemie und vor allem des durch sie ausgelösten Einbruchs beim Tourismus.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Dominica

Dominica hatte bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie noch nicht im Pariser Club der Gläubigerregierungen verhandelt und war für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) nicht qualifiziert. Seine Staatsanleihen hat Dominica im Jahr 2004 einmal umgeschuldet, woran sich allerdings mehr als ein Viertel aller Anleihezeichner nicht beteiligt haben. 2020 hat die Regierung das von den G20 und den Pariser Club-Gläubigern angebotene Schuldendienstmoratorium (DSSI) in Anspruch genommen und dadurch in jenem Jahr 1,4 Millionen US-Dollar und im folgenden Jahr 2021 7,5 Millionen US-Dollar Schuldendienst an seine öffentlichen Gläubiger eingespart.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Im August 2015 zerstörte Hurrikan „Erika“ nach Berechnungen der Weltbank 93 Prozent der Wirtschaftsleistung Dominicas. Die Regierung versuchte zunächst den Wiederaufbau mit bescheidener Hilfe aus dem Ausland hauptsächlich mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Anfang 2016 bat die Regierung ihre öffentlichen Gläubiger dann doch um Schuldenerleichterungen. Frankreich und Großbritannien verwiesen auf den Pariser Club, der zunächst überhaupt nicht reagierte, Ende 2016 aber schließlich erklärte, Dominica solle doch mit den einzelnen Gläubigern verhandeln. Eine nennenswerte Schuldenreduzierung als Reaktion auf die Katastrophen wurde indes nicht erreicht. Statistisch ereilt Dominica in jedem sechsten Jahr eine Naturkatastrophe von „Erikas“ Kaliber. Tatsächlich wurde Dominica schon 2017 von Hurrikan „Maria“ getroffen, der 65 Menschen das Leben kostete und 90 Prozent aller Gebäude beschädigte. Insgesamt werden die Schäden auf 200 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung geschätzt. Auch nach dieser Katastrophe wurden Dominicas Schulden nicht reduziert.

Im August 2021 veröffentlichte der IWF eine Disaster Resilience Strategy, die darlegt, wie das Land durch Investitionen in eine widerstandsfähigere Infrastruktur gegenüber diesen periodisch auftretenden Katastrophen resilienter werden kann. Zu ihrer Finanzierung fehlen allerdings Mittel im Umfang von 11 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Trotzdem wurden vom IWF keine weiteren Schuldenerleichterungen nahegelegt, die eine entsprechende Strategie der Regierung gegenüber ihren Gläubigern hätte unterstützen können.

Politische Empfehlungen

Dominica ist der eklatante Fall eines Landes, das durch den Klimawandels massiv geschädigt wurde, zu dem es nahezu nichts beigetragen hat. Es sollte sich mit seinen karibischen Nachbarn und eventuell der ganzen Gruppe der von den Vereinten Nationen als Small Island Developing States (SIDS) klassifizierten Länder um eine regionale Entschuldungsoption bemühen, welche eine halb-automatische Zahlungseinstellung und nötigenfalls eine Reduzierung der Auslandsschulden im Falle einer Naturkatastrophe eines bestimmten Ausmaßes bewirken würde. Außer den internationalen Finanzinstitutionen wäre vor allem die alljährliche Konferenz der Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens (COP) dafür der richtige Rahmen. Das Pariser Abkommen bietet mit dem Themenfeld Loss & Damage und der Idee des Warsaw Mechanism on Loss and Damage dafür eine gute, wenn gleich bislang gänzlich ungenutzte Grundlage. Sowohl das Statement des karibischen Entschuldungsnetzwerks Jubilee Caribbean als auch der Zusammenschluss der keinen Inselstaaten (AOSIS) haben für seine Ausgestaltung konkrete Vorschläge gemacht.

 Weiterführende Informationen und Materialien:

Video: “Staatsverschuldung in Dominica – Bischof Malzaire”

Stand: März 2022

Förderhinweis

OSF

gefördert durch einen Zuschuss der Open Society Foundations