Hat Ghana ein Schuldenproblem?
Ghana musste kurz vor Jahresende 2022 die Zahlungen an seine bilateralen GlÀubiger einstellen und befindet sich nun im Zahlungsausfall. Zuvor hatten anhaltende Leistungsbilanzdefizite einige Schuldenindikatoren dramatisch ansteigen lassen.
Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)
Indikator | AusprÀgung | Grenzwert |
Auslandsverschuldung im VerhÀltnis zum Bruttonationaleinkommen (%) | 47,8 | 40 |
Auslandsverschuldung im VerhÀltnis zu den jÀhrlichen Exporteinnahmen (%) | 245,5 | 150 |
JÀhrlicher Schuldendienst im VerhÀltnis zu den jÀhrlichen Exporteinnahmen (%) | 21,9 | 15 |
Ăffentliche Verschuldung im VerhĂ€ltnis zum BIP (%) | 90,7 | 49 |
Ăffentliche Verschuldung im VerhĂ€ltnis zu den öffentlichen Einnahmen (%) | 642,4 | 200 |
Auslandsschuldenstand (US-Dollar) | 36,181 Mrd. | – |
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an auslĂ€ndische GlĂ€ubiger (US-Dollar) | 3,23 Mrd. | – |
ErklÀrung zu den Indikatoren und Grenzwerten
Ghanas Auslandsschulden bestehen fast ausschlieĂlich auf Seiten des Staates. Ghanaische Banken und Unternehmen sind (ohne staatliche Garantie) nur minimal im Ausland verschuldet.
Wer sind die GlÀubiger von Ghana?
ErklĂ€rung der Schuldenkategorien Bei den öffentlichen Schulden werden drei GlĂ€ubigergruppen unterschieden, nĂ€mlich multilaterale öffentliche GlĂ€ubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche GlĂ€ubiger – das sind andere Regierungen – und private GlĂ€ubiger. Bei den beiden öffentlichen GlĂ€ubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionĂ€ren, also zinsgĂŒnstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen (ânicht-konzessionĂ€reâ). Bei den öffentlichen Schulden bei privaten GlĂ€ubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nĂ€mlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors. Vor allem durch die stark ausgeweitete Platzierung von Anleihen an den internationalen KapitalmĂ€rkten sind private Geldgeber inzwischen die wichtigste GlĂ€ubigergruppe Ghanas. Als eines der ersten unter der Entschuldungsinitiative fĂŒr hoch verschuldete LĂ€nder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) entlasteten LĂ€nder platzierte Ghana schon 2007 eine öffentliche Anleihe in Höhe von 750 Millionen US-Dollar am Kapitalmarkt. Seit 2013 ist Ghana in groĂem Stil am Anleihemarkt aktiv. Platzierte Staatspapiere stiegen bis 2018 auf mehr als 5 Milliarden US-Dollar und haben sich bis Ende 2021 noch einmal mehr als verdoppelt. Die ZinssĂ€tze auf die ausstehenden Anleihen liegen in der GröĂenordnung von 10 Prozent und sind damit auch im afrikanischen Vergleich hoch. Die Anleihezeichner lassen sich wegen des bestĂ€ndigen Handels auf dem SekundĂ€rmarkt nicht verlĂ€sslich einzelnen LĂ€ndern zuordnen. Bei den etwas weniger umfangreichen Bankschulden ist dies indes möglich: Ghana hat Schulden bei Banken aus nicht weniger als 18 verschiedenen LĂ€ndern, durchweg pro Land im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich. Die umfangreichsten Forderungen halten deutsche Banken mit insgesamt 626 Millionen US-Dollar, gefolgt von britischen und belgischen Instituten. GröĂter multilateraler Geber ist die Internationale Entwicklungsorganisation, eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe, mit mehr als 3 Milliarden US-Dollar an konzessionĂ€ren und rund 1,5 Milliarden US-Dollar an nicht-konzessionĂ€ren Forderungen. Nur die Afrikanische Entwicklungsbank hĂ€lt mit 1,2 Milliarden US-Dollar Forderungen in vergleichbarer GröĂenordnungen. FĂŒnf weitere multilaterale Institutionen halten deutlich kleinere BetrĂ€ge. Unter den bilateralen GlĂ€ubigern hat sich in den letzten Jahren eine bedeutende Verschiebung weg von Entwicklungshilfekrediten und hin zu kommerziellen Finanzierungen ergeben. Die bedeutendsten Inhaber nicht-konzessionĂ€rer Forderungen an Ghana sind drei SchwellenlĂ€nder, die gerade in den letzten Jahren kommerzielle Kredite bereitgestellt haben. Mit deutlichem Abstand werden sie angefĂŒhrt von China (1,44 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Indien (442 Millionen US-Dollar) und Ăgypten (212 Millionen US-Dollar). Erst danach folgen die USA. Unter den Entwicklungshilfegebern liegen dagegen die traditionellen Geber Deutschland (282 Millionen US-Dollar) und Frankreich (227 Millionen US-Dollar) an der Spitze. Bei den deutschen Forderungen handelt es sich wesentlich um neue Finanzierungen nach der Entlastung Ghanas unter der HIPC-Initiative 2002 und 2005. Nach seiner Graduierung zum Mitteleinkommensland ist Ghana eines der wenigen (Ex-)HIPCs, welche aus Deutschland zinsgĂŒnstige Kredite anstelle von ZuschĂŒssen erhalten. Schon Ende 2021 war Ghana gegenĂŒber 10 privaten GlĂ€ubigern, 7 bilateralen öffentlichen und einem multilateralen Kreditgeber (der EuropĂ€ische Investitionsbank) im ZahlungsrĂŒckstand. Im Laufe des Jahres 2022 haben sich diese ZahlungsrĂŒckstĂ€nde bis zur teilweisen Zahlungseinstellung in der zweiten JahreshĂ€lfte weiter erhöht. Ghanas Auslandsschulden haben sich von 2010 bis 2021 vervierfacht und sind seither noch weiter angestiegen. Dabei sind die Verbindlichkeiten gegenĂŒber allen GlĂ€ubigergruppen deutlich gestiegen. Innerhalb der Gruppe der bilateralen öffentlichen GlĂ€ubiger hat es â vor allem infolge kommerzieller Finanzierungen aus China â eine starke Verschiebung von konzessionĂ€ren zu marktmĂ€Ăigen Finanzierungen gegeben. Die deutlich steigenden Schulden haben sich nur deshalb nicht schon vor 2022 in stĂ€rker steigenden Schuldenindikatoren niedergeschlagen, weil der Ălboom vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dann wieder nach dem russischen Ăberfall auf die Ukraine hohe Ălpreise zur Folge hatte. Ghana wurde 2002 in die multilateralen HIPC-Initiative aufgenommen. Nominale 7,4 Milliarden US-Dollar wurden 2004 unter der HIPC-Initiative und im darauffolgenden Jahr unter der Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) gestrichen, was den zweitgröĂten nominalen Schuldenerlass aller HIPC-LĂ€nder bedeutet. Zuvor hatte Ghana den 1996 bei Verhandlungen im Pariser Club der GlĂ€ubiger unter Classic Terms eine Umschuldung ohne Teilerlass und 2001 eine kleinere Umschuldung mit einem Erlasselement von 67 Prozent (Naples Terms) auf die relativ bescheidenen umgeschuldeten FĂ€lligkeiten erhalten. China hat 2003 bis 2007 in drei Schritten insgesamt rund 240 Millionen US-Dollar Forderungen an Ghana gestrichen, und damit in etwa seinen Beitrag zur HIPC-Entschuldung erbracht. Nach der HIPC-Entlastung lagen bis 2017 alle Auslandsschuldenindikatoren Ghanas im unkritischen Bereich. 2018 stieg der Schuldendienstquotient dann erstmal und sprunghaft wieder ĂŒber die kritische Grenze von 15 Prozent. Das gleiche geschah 2020 mit dem Quotienten aus Schuldenstand und Exporteinnahmen. Ghana hatte schon 2020 eine Beteiligung an der Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) abgelehnt und dadurch im kritischen Jahr 2021 rund 516 Millionen US-Dollar geleitstet, die auch hĂ€tten aufgeschoben werden können. Der Internationale WĂ€hrungsfonds (IWF) bescheinigt Ghana ein hohes Ăberschuldungsrisiko und auch der Schuldenreport 2022 von erlassjahr.de bewertet die Verschuldungssituation des Landes als âkritischâ. Ghana weist mit mehr als 600 Prozent ein dramatisch hohes Niveau der öffentlichen Verschuldung im VerhĂ€ltnis zu den öffentlichen Einnahmen auf. Die Regierung gibt an, dass 2021 mehr als 70 Prozent aller öffentlichen Einnahmen fĂŒr den Zinsdienst an heimische und externe GlĂ€ubiger aufgewendet wurden. Seit Dezember 2022 ist das Land auch offiziell im Zahlungsausfall. Am 19. Dezember 2022 stellte die ghanaische Regierung die Bedienung ihrer Eurobonds, privaten Bankschulden und der meisten Schulden bei öffentlichen bilateralen GlĂ€ubigern ein, nachdem es kurz zuvor eine Finanzierung durch den IWF hatte aushandeln können. Bereits zuvor hatte die ghanaische Regierung von den heimischen GlĂ€ubigern einen Schuldentausch mit Abschlag vom ursprĂŒnglichen Wert erzwungen. Der IWF hatte Schuldenrestrukturierungen mit den bilateralen GlĂ€ubigern zu einer Bedingung fĂŒr seinen zugesagten Kredit in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar gemacht Ghana hatte sich nach seiner Entlastung durch die HIPC -Initiative eine bemerkenswerte politische StabilitĂ€t unter anderem auch durch relativ hohe öffentliche Ausgaben erkauft, welche besonders in Wahljahren regelmĂ€Ăig stark angestiegen sind. Aktuell liegen die gesamten öffentlichen Schulden im deutlich kritischen Bereich und in jedem Wahlzyklus weist der IWF erneut (meist vergeblich) auf die Gefahren fĂŒr die fiskalische StabilitĂ€t durch eine allzu groĂzĂŒgige Ausgabenpolitik hin. Von den meisten GlĂ€ubigern und Beobachtern war der Zahlungsausfall von Ende 2022 erwartet worden. Auf der privaten Seite hat sich relativ schnell ein GlĂ€ubigerkomitee unter Beteiligung der wichtigsten Investmentfonds, welche ghanaische Anleihen halten, gebildet. Unter den Investoren ist man vorsichtig optimistisch, dass eine Umschuldung zĂŒgiger ausgehandelt werden kann als in anderen LĂ€ndern, die aktuell im Zahlungsausfall sind, da China in Ghana nicht ganz so dominant vertreten ist wie beispielsweise in Sambia. Die ghanaische Regierung muss verhindern, dass etwa unter Hinweis auf die gerade wieder gestiegenen Ălpreise ein notwendiger Schuldenerlass kleingerechnet wird, wie das jĂŒngst im Tschad geschehen ist. Es wird auch nach einem Schuldenerlass weiterhin eine höchst verwundbare extraktivistische Ăkonomie sein, die durch PreisverĂ€nderungen fĂŒr seine Rohstoffe, auf die es kaum Einfluss hat, immer wieder in Schwierigkeiten geraten kann. Ein nunmehr auch in den Augen der GlĂ€ubiger unvermeidlicher teilweiser Schuldenerlass muss deshalb weitgehend genug sein, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Andernfalls wird er sich schnell als nur das erste Glied in einer neuen Kette serieller Umschuldungen erweisen. Stand: Januar 2023 Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln desTrend
Bisherige Schuldenerleichterungen fĂŒr Ghana
Aktuelle Risiken fĂŒr die SchuldentragfĂ€higkeit
Politische Empfehlungen
WeiterfĂŒhrende Informationen und Materialien: