Haben St. Kitts und Nevis ein Schuldenproblem?
Dem Staat ist es seit Beginn der 2010er Jahre gelungen, die öffentlichen Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung deutlich zu reduzieren. Allerdings ist der Privatsektor in hohem Maße im Ausland verschuldet. Überdies sind die hohen Einnahmen der letzten Jahre kaum nachhaltig.
Die durch COVID-19 ausgelösten Reisebeschränkungen treffen St. Kitts und Nevis sehr hart und können auch zu einem starken Anstieg der Verschuldung führen.
Die wichtigsten Schuldenindikatoren
St. Kitts und Nevis berichtet nicht an das Debtor Reporting System der Weltbank und zeichnet sich generell durch ein hohes Maß an Intransparenz in Finanzfragen aus. Deswegen können hier nur aus verschiedenen Quellen Indikatoren für unterschiedliche Jahre zusammengetragen werden. Die Indikatoren zum Stand der Auslandsverschuldung beziehen sich auf das Jahr 2018, wobei Daten zum laufenden Schuldendienst überhaupt nicht zur Verfügung stehen und die absolute Auslandsverschuldung nur für 2017 angegeben wird. Für die gesamte öffentliche Verschuldung stehen bereits Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Ende 2020 zur Verfügung, welche die Auswirkungen der von COVID-19 ausgelösten Pandemie berücksichtigen. Entsprechend vorsichtig sind alle hier genannten Daten zu verwenden.
Indikator | Ausprägung | Grenzwert |
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%) (2018) | 20,9 | 40 |
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%) (2018) | 351,5 | 150 |
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%) | k. A. | 15 |
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%) (2020) | 56,2 | 50 |
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%) (2020) | 144,7 | 200 |
Auslandsschuldenstand (US-Dollar) (2017) | 201,8 Mio. | – |
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar) | k. A. | – |
Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten
Wer sind die Gläubiger von St. Kitts und Nevis?
Die Schulden des Staates entfallen je ungefähr zur Hälfte auf heimische und auf ausländische Gläubiger. Allerdings machen die Auslandsschulden des öffentlichen Sektors nur etwa ein Sechstel der gesamten Auslandsschulden von St. Kitts und Nevis aus.
Der Pariser Club hält bescheidene 2 Millionen US-Dollar an Forderungen an St. Kitts und Nevis. Deutschland ist allerdings nicht unter den Gläubigern. China ist kein Gläubiger der Insel. Eine genauere Aufschlüsselung ist aus Mangel an Daten nicht möglich.
Trend
Als eine kleine Volkswirtschaft mit zudem einer unvollständigen Berichterstattung über die Auslandsschulden ist die Situation höchst volatil. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die öffentlichen Schulden deutlich zurückgehen und die privaten Auslandsschulden stabil hoch bleiben.
Bisherige Schuldenerleichterungen für St. Kitts und Nevis
Zu Beginn der Dekade hat St. Kitts und Nevis seinen Schuldenstand teilweise reduzieren können:
- Etwa 300 Millionen US-Dollar Schulden bei Privatgläubigern sollen in Landeigentum umgewandelt werden.
- Anleiheschulden in Höhe von 178 Millionen US-Dollar wurden gegen länger laufende Anleihen getauscht.
- Mit Großbritannien und den USA wurden kleinere Umschuldungen über insgesamt 5 Millionen US-Dollar außerhalb des Pariser Clubs vereinbart.
Für die Entschuldungsinitiative für hochverschuldete arme Länder (engl. Highly Indebted Poor Countries Initiative, HIPC) war St. Kitts und Nevis als Hocheinkommensland nicht qualifiziert. Das gleiche gilt für die im April 2020 von den G20 beschlossene Moratoriumsinitiative zur Bewältigung der Corona-Pandemie, DSSI (engl. Debt Service Suspension Initiative).
Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit
Die bedeutendsten Risiken stammten in der Vor-Corona-Zeit aus der großen privaten Auslandsverschuldung sowie aus der Tatsache, dass öffentliche Haushalte vor allem infolge großer Einnahmen aus dem sehr erfolgreichen Citizenship-by-Investment Programm (CBI) stammen. CBI erlaubt es reichen Privatpersonen aus anderen Ländern, bei entsprechend hohen Investitionen in St. Kitts und Nevis, schnell und unbürokratisch die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Diese wiederum sichert die visafreie Einreise in die USA/Kanada sowie die Europäische Union. Sollten die genannten Staaten hier – z.B. infolge von Gesetzesübertretungen früher eingebürgerter Personen – auf eine restriktivere Linie umschwenken, droht diese wichtige Einnahmequelle über Nacht zu versiegen. Auch wenden mehr und mehr Staaten inzwischen das erfolgreiche CBI-Modell an.
Wie alle vom Tourismus stark abhängigen Staaten trifft der von Corona ausgelöste Lockdown St. Kitts und Nevis sehr hart. Der IWF prognostiziert für 2020 eine Schrumpfung der Wirtschaft um 18,6 Prozent und eine Verringerung der Einnahmen aus dem Export von Waren und (vor allem) Dienstleistungen um rund die Hälfte. Für beide Parameter erwartet er in 2021 bereits wieder starke Wachstumsraten. Das allerdings ist hochspekulativ und baut unter anderem auf der derzeit höchst unsicheren Annahme, dass der Tourismus bereits in der Wintersaison 2020/21 wieder anläuft.
Politische Empfehlungen
Der regionale Staatenbund CARICOM und das weltweite Netzwerk kleiner Inselstaaten AOSIS, dem St. Kitts und Nevis jeweils angehört, bemüht sich aktuell um eine Überarbeitung der Kriterien für sowohl den Zugang zu günstigen Finanzierungen aus multilateralen Quellen als auch den zu Schuldenerleichterungen im Krisenfall. Bislang werden Länder mit höherem mittlerem oder hohem Einkommen davon ausgeschlossen, was der besonderen Bedrohung, wie sie sich in den Vorhersagen des IWF für 2020 manifestiert, nicht gerecht wird. Beides sollte die Regierung deshalb aktiv mit vorantreiben.
Stand: Oktober 2020