Ecuador-Tagebuch: Mittwoch, 13.2.08 Politische Turbulenzen

Böse Überraschung am Morgen: Ein Mitglied unserer Kommission, der argentinische Politologe Alejandro Olmos, hat am Morgen einer großen Radiostation ein Interview gegeben, und sich dabei kritisch zur fehlenden Unterstützung der Kommission durch das Finanzministerium geäußert. Nun sind unsere Arbeitsbedingungen hier nicht immer ganz einfach (siehe Eintrag von gestern), und es sind auch nicht alle im Ministerium glücklich über das, was wir tun. Aber eine solche undiplomatische öffentliche Äußerung war definitiv keine gute Idee. Die Angestellten des Ministeriums erwägen drastische Massnahmen gegen unsere Arbeit, und der Minister hat ein Treffen abgesagt, dass ich eigentlich am Donnerstag früh mit ihm vereinbart hatte. Dabei sollte es überhaupt nicht um die Kommission gehen, sondern um die alternative Schuldentragfähigkeitsanalyse, über die ich beim letzten Mal schon mit ihm gesprochen hatte, und um Schuldenumwandlungen, an denen Ecuador eigentlich sehr interessiert ist. 

Mit zwei Angestellten des Ministeriums hatten wir gleichwohl im Lauf des Tages noch gute Gespräche. Wir versuchen dabei, der Geschichte der ecuadorianischen Umschuldungen im Pariser Club auf die Spur zu kommen. Im Jahr 2000 hatte unsere Ecuador-AG vor dem französischen Finanzministerium zusammen mit den französischen Freund/innen eine hübsche kleine Aktion organisiert, während Ecuador drinnen verhandelte. Das Ergebnis war ausgesprochen mager, und uns wurde hinterher von Gläubiger-Seite signalisiert, wenn Ecuador nicht mehr verlange, gebe es selbstverständlich auch keine weiteren Konzessionen. Jetzt hoffen wir, dass wir in der Zentralbank vielleicht noch Hintergrundpapiere der damaligen ecuadorianischen Delegation finden. Im Finanzministerium waren wir dabei leider nicht erfolgreich.

Ansonsten wühle ich mich im Moment durch Kreditverträge Ecuadors mit Japan. Eine spannende Frage ist dabei die nach dem “Anatozismus”, das ist das Erheben von Zinsen auf (nicht gezahlte) Zinsen. Diese Praxis verbietet das ecuadorianische Handelsgesetz (wie auch das deutsche BGB). Gleichwohl ist die Kapitalisierung von Zinsen gängige Praxis im Pariser Club, und auch andernorts. Ich fände es auch seltsam, wenn ein Schuldner sich einen Gratiskredit beschaffen könnte,indem er einfach die vereinbarten Zinsen nicht zahlt. Das Thema wird uns jedenfalls noch sehr beschäftigen, und wer immer mir bei der Interpretation z.B. des deutschen § 289 BGB und zur gängigen Praxis mit gutem  Rat weiter helfen kann, verdient sich damit die große Verdienstspange der Auditoria-Kommission! Am Bande!

Ecuador Tagebuch: Dienstag 12.2.08: Neue Herausforderungen Japan und Israel

Entgegen unseren Erfahrungen beim letzten Mal, beginnt das Treffen der Unterkommission super-pünktlich um 9 Uhr. Drei Kommissionsmitglieder (Karina Saenz von der Universität Cuenca, Gail und ich), und unsere vier Mitarbeiter/innen planen den Morgen über, welches Dokumente wir noch brauchen, und wer sie wie wann und auf welchem Wege beschafft. Die spannendsten noch nicht bearbeiteten Gläubiger sind Japan und Israel, und ich werde einen Teil der japanischen Verträge heute abend als Bettlektüre genießen.

Nachmittags schlägt das bürokratische Imperium dann zurück: Damit wir morgen die Archive der Zentralbank durchsuchen dürfen, brauchen wir einen Hausausweis. Also fährt die Kommission quer durch die Stadt zur Zentralbank, wartet 45 Minuten in einem Büro auf einen freundlichen Herrn, der in weiteren 45 Minuten nichts anderes tut, als von uns allen ein Foto zu machen, und es in einen künstlerisch sehr hübsch gestalteten Hausausweis einzuschweissen. Keine weiteren Fragen.

Nun eilt dem Archiv der Zentralbank der Ruf einer besseren Müllkippe voraus. Kollegen aus der Kommission haben sich schon in bösen Briefen an die ecuadorianische Regierung beschwert, das man dort absolut nichts findet. Mir wurde immerhin eine Umzugskiste mit der Aufschrift “Hermes Alemania” in Aussicht gestellt. Ich bin sehr gespannt. Aber vor diesem Hintergrund hätte man die Sicherheit vielleicht doch etwas unaufwändiger handhaben können.

Ecuador-Tagebuch: Montag 11.2.08: Blauer Himmel und eine positive Überraschung

Landung in Quito nach einem langen Nachtflug, und anders als im Oktober begrüsst uns die Stadt mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Trotzdem ist es nicht zu heiss, weil wir uns auf immerhin 2800m Höhe befinden. Gail Hurley von EURODAD und ich handeln mit den Compañeros eine kleine Schonfrist bis zum Mittag aus. Dann trifft sich die Unterkommission “Bilaterale Schulden” zum ersten Mal, und wir sind frisch geduscht dabei.

Wir waren mit etwas bangem Herzen nach Quito geflogen, weil es seit der letzten Arbeitssitzung im Oktober nur wenig Kommunikation gegeben hatte, und wir von keiner anderen Kommission (Multilaterale Schulden, Schulden bei Privatgläubigern, Interne Schulden, juristische Fragen und “Ökologische Folgen der Verschuldung”) irgendetwas Aufgeschriebenes gesehen hatten. Wir hatten unsererseits einen recht vorzeigbaren Bericht über die wichtigsten europäischen Gläubigerländer vorzuweisen, der besonders durch die Arbeit unserer Kolleginnen in Italien brisantes über ein Riesenstaudamm-Projekt (“Daule Peripa”) und eine Reihe damit zusammenhängender kleinerer Projekte enthält. Deutschland ist mit insgesamt vier von der KfW finanzierten Entwicklungsprojekten dabei, sowie den vier noch zu bedienenden Umschuldungsverträgen aus den letzten Verhandlungsrunden mit dem Pariser Club. Wir haben in den Verträgen einige reichlich hohe Zinssätze gefunden, und ein paar fragwürdige Detail-Klauseln, aber keine exorbitanten Schweinereien.

Am Nachmittag gab es eine positive Überraschung: nachdem von der Gründung der Kommission im Juli 2007 bis zum Jahresende die Bürokratie im Wirtschafts- und Finanzministerium (“MEF”) die Beschäftigung von Personal für die Kommission verhindert hatte, haben wir nun gleich vier junge Mitarbeiter/innen, die uns bei der Beschaffung von Dokumenten aus der Zentralbank, aus dem Ministerium selbst, und von Organisationen, die mit der Umsetzung von auslandsfinanzierten Projekten befasst waren, helfen sollen.

Als die Sonne über den Bergen untergeht, haben wir einen ambitionierten Arbeitsplan für die nächsten Tage.

erlassjahr.de trifft Bundeskanzlerin Merkel

Bundeskanzlerin Merkel trifft NGO-VertreterBundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am 16. Januar in Berlin mit Vertretern von zwölf internationalen Umwelt-, Gesundheits- und entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen getroffen. Mit den Aktivisten aus Belgien und den G8-Staaten Deutschland, Kanada, Japan und Russland wurde im Rückblick auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm über die Verantwortung in der Entwicklungspolitik und den Klimawandel gesprochen.

Für erlassjahr.de war Koordinator Jürgen Kaiser an dem Treffen beteiligt und brachte gegenüber der Kanzlerin noch einmal den Wunsch nach einem fairen und transparenten Schiedsverfahren im Rahmen internationaler Kreditstreitigkeiten zum Ausdruck. Diesen Ansatz diskutierte er nach dem Treffen auch mit dem Leiter des G8-Sherpa-Stabs Dr. Bernd Pfaffenbach.

Weltbank finanziert Rückkauf von Schulden Nicaraguas

Nicaragua kauft 1,3 Mrd. seiner verbliebenen 1,4 Mrd. US-Dollar Schulden bei 118  unterschiedlichen Privatgläubigern aus den Zeiten der Somoza-Diktatur zu einem Preis von 4,5 Cents/Dollar zurück. Hierfür erhielt das Land einen Zuschuss der IDA-Buy-back-Facility in Höhe von 61 Mio US-Dollar. Dies ist eines der ersten Geschäfte dieser Art, bei dem die Weltbank-Finanzierung nicht als zinsgünstiger Kredit, sondern als Zuschuss kommt.

Augsburger Tagung

Bis er auf die Homepage kommt, hier Walter Ulbrichs Bericht von einer recht interessanten Tagung in der Hauptstadt Bayrisch-Schwabens, man trifft auch nicht jeden Tag Deutschlands Vertreter im IWF:

Anregender Studientag „Statt unbezahlbarer Schulden verantwortliche Kreditvergabe“

Die Referenten der Augsburger Tagungv.l.n.r.: Kaiser (erlassjahr.de), Schneider (oikokredit), Steffens (Wirtschaftsministerium), Ruck (MdB, entwicklungspol. Sprecher CDU/CSU), Wagner (Hypovereinsbank), Bergmann (KED Bayern, Moderation)

Knapp 40 Teilnehmer erlebten am Freitag, den 19.10.2007, in Augsburg eine sowohl vom Inhalt als auch von der Atmosphäre her sehr gelungene informative Veranstaltung. Die überaus kompetenten Referenten aus dem Bundestag (Dr. Ruck, entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion), dem Bundeswirtschaftsministerium (Ministerialrat Steffens, Leiter des Referats Auslandsinvestitionen und der deutschen Delegation im Pariser Club), von der HypoVereinsbank (Herr Direktor Wagner; Leiter Länderrisikoanalyse) sowie Jürgen Kaiser (politischer Koordinator von erlassjahr.de) waren die ganze Zeit anwesend, führten einen sehr offenen Dialog untereinander und äußerten sich dankbar für die vielfältigen Anregungen aus dem interessierten fachkundigen Publikum. Als Grundlage und quasi als Beschreibung des Iststandes diente die Antwort von Bundesministerin Wieczorek-Zeul auf eine vom Oikocredit Förderkreis Bayern ausgegangene Petition an Bundeskanzlerin Merkel im Vorfeld des G8-Treffens (s. www.oikocredit-bayern.de unter News, Rundbrief 2007-1 und Sonstiges). Continue reading “Augsburger Tagung”

Neue Konzepte im Kampf gegen Illegitime Schulden

Antje Queck berichtet aus Bern

Dank unserer Schweizer Partnerorganisation Aktion Finanzplatz Schweiz trafen sich am 3. und 4. Oktober erstmals NGO-VertreterInnen und RechtsexpertInnen zu einer internationalen Fachkonferenz in Bern, um gemeinsame Strategien zur Beurteilung und Streichung illegitimer Schulden zu entwickeln. Übten die Juristen auch starke Kritik an der „klassischen“ Odious-Debts-Doktrin nach Alexander Sack, so zeigten sie doch auch gleichzeitig zahlreiche alternative Ansatzpunkte für praktikable Verfahren im Völkerrecht und im Privatrecht auf. Durch den Austausch erhielten die NGOs das nötige Hintergrundwissen, um die Forderungen in ihrer politischen Arbeit auch rechtlich zu begründen und weiter voranzutreiben.
Weitere Infos bei Antje: antje_queck@web.de und auf der homepage der Aktion Finanzplatz www.aktionfinanzplatz.ch/

Attacademie in Fulda

Rund die Hälfte der 700 Leute hier bei der Sommerakademie in der Fuldaer Fachhochschule sind ganz frisch in der Bewegung. Angefixt durch den G8-Protest sind allein in den letzten 3 Monaten fast 2000 neue Mitglieder bei attac angekommen. In diesen 5 Tagen wird viel gelernt und viel diskutiert: „Wer viel wissen will, darf zuhören und fragen. Wer schon viel weiß, muss mehr reden und mehr antworten.“ Entschuldungscampaignerin Sabine Zimpel nimmt für erlassjahr.de an der Podiumsdiskussion zur Bündnisarbeit von Nichtregierungsorganisationen und Bewegungen teil.


attacademie-fulda-forum.jpg Man diskutiert über den 2-jährigen Prozess zum G8-Protest und vor allem: wie sind die Perspektiven für eine weitere Zusammenarbeit der Akteure? In den meisten Organisationen ist dies noch nicht abschließend diskutiert, auch nicht bei erlassjahr.de. Ob es einen nächsten G8-Gipfel in Deutschland überhaupt geben wird? Welche anderen großen Ereignisse würden überhaupt solche breiten Bündnisse erfordern? Am Samstag gibt es 2 Workshops von erlassjahr.de und der attac-AG Internationale Finanzmärkte: „Was sind illegitime Schulden“ und „Illegitime Schulden streichen! Von Norwegen lernen“. Und wer unseren erlassjahr.de-Infostand sucht, der wird in der großen Veranstaltungshalle fündig.

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