Ecuador-Tagebuch: Umwege

Am Montag hiess es früh Aufstehen. Die meisten Mitarbeiter/innen der Unterkommission bilaterale Schulden arbeiten nicht in Quito, sondern in Cuenca. Deswegen ging es um 6:50 ins Flugzeug. Die Flugstrecke von Quito nach Cuenca ist eine der schönsten Ecuador’s, wenn man auf der richtigen Seite sitzt, denn linker Hand passiert man die Vulkane Cotopaxi und Chimborazo. Heute gab es sogar noch mehr Fliegen für’s gleiche Geld. Denn kurz vor Cuenca wurde mitgeteilt, dass der Flugahfen aus meterologischen Gründen nicht angeflogen werden konnte. Also ging’s wir runter an die Küste nach Guayaquil. Dort wurde aufgetankt, und dann  wieder rauf nach Cuenca – wo wir bei strahlend blauem Himmel und Windstärken zwischen 1 und 2 landeten.  Manchmal ist dieses Land ein kleines bisschen rätselhaft.

Gearbeitet wurde dann in der Zentralbank. Wie der Name vermuten lässt, ein opulentes Bürogebäude mit allem Schnickschnack. Ich erinnere mich, wie ich bei meinem bislang einzigen Besuch in Cuenca in einem etwas runtergekommenen Hörsaal in der Universität einen Vortrag über Faire und Transparente Schiedsverfahren hielt. Jetzt werden wir hier nobel beherbergt, und die gesamte Technologie der Institution steht uns zur Verfügung – einschließlich einem kleinen Besuch im Ethnomuseum der Zentralbank nebenan.

Auf der Tagesordnung der Unterkommission stehen die Schulden gegenüber Brasilien. Und dabei geht es zunächst um ein immer wieder mit neuen Kreditverträgen ausgestattes Wasserversorgungsprojekt an der Küste, welches die brasilianische Entwicklungsbank BNDES finanziert hat, und für das  – oh Wunder – eine brasilianische Baufirma mit dem schönen Namen Odebrecht in acht aufeinander folgenden Einzelausschreibungen das günstigste Angebot abgegeben hat.

In diesem und anderen Fällen zeigt sich, dass die lateinamerikanischen Brüder und Schwestern portugiesischer Zunge sich als Gläubiger keineswegs anders aufführen als die Hermesse und Pariser-Club-Heroen im Norden: Wahrhaftige Knebelklauseln, Zinssätze, die weit über dem Weltmarktniveau liegen, vorab vereinbarte Kapitalisierung von Zinsen – alles, was das Herz eines eifrigen Buchprüfers begehrt, fand sich in diesen Verträgen. So wurde Brasilien heute neben einem von Italien finanzierten Kraftwerk, das wir schon seit letztem Oktober im Visier haben, zu unserem Showcase.

In der Arbeit an den konkreten Fällen verloren auch die gestern erwähnten Fundi-Realo-Konflikte deutlich an Schärfe, denn spätestens, wenn wir uns überlegen, welche Empfehlungen wir dem Präsidenten anheim geben wollen, wird klar, dass uns auf existierende Rechtswege oder aussichtsreiche politische Initiativen verständigen müssen.

Ecuador-Tagebuch: Koordinator im Nebel

Am Freitag wurde ich ein Opfer eines besonderen Erlasses des Präsidenten Correa: Ich hatte gerade einen längeren Beitrag über die ersten beiden Plena der Kommission in einen Computer des Finanzministeriums geschrieben, da verschwand die Internet-Verbindung des Ministeriums aufgrund eines Präsidentenerlassen – jedenfalls war das die Meldung, die auf dem Bildschirm auftauchte: Über’s Wochenende werden irgendwelche Server gewartet, und sämtliche öffentlichen Einrichtungen werden bis Montag morgen vom Netz genommen.

Deswegen schreibe ich es jetzt nur ganz kurz noch mal, dass die ersten Debatten recht spannungsgeladen waren: Untersuchen wir Verträge in ihren einzelnen Details, oder verurteilen wir das “System der Verschuldung”? Wie halten wir es mit griffigen aber gleichwohl fragwürdigen Rechtsbegriffen wie dem Zinseszinsverbot? Und wenn die Debatten etwas hitziger wurden, zeigte sich auch, dass innerhalb der Szene noch allerlei ältere und neuere Konflikte aufzuarbeiten gab.

So war ich froh, als nach drei Arbeitstagen endlich Wochenende war.

In Ecuador herrscht erfreulicherweise am Wochenende weitgehende Arbeitsruhe. Das hat es mir ermöglicht, am Samstag und Sonntag mit meiner Gastgeberin, unserem früheren Kampagnenratsmitglied Gaby Weber ein wenig die Umgebung zu erkunden.

Ohne viele Gedanken an Ecuadors drängendes Schuldenproblem, spazierten wir auf kleinen Urwaldpfaden durch einen Nebelwald, der – abgesehen von den für die Gringo-Touristen angelegten Pfaden – wirklich unberührt war. Es war schön, feucht und an manchen Stellen wegen der etwas düsteren Stimmung, die nur hinund wieder von rumschwirrenden Kolibris unterbochen wurde, etwas unheimlich.

Auf der Rückfahrt holten uns die wirtschaftlichen Probleme des Landes dann doch ein, als wir in Mindo an der berühmten OCP-Pipeline vorbei kamen, die vor wenigen Jahren gebaut wurden, um dem Land zusätzliche Einnahmen aus dem Ölexport zu verschaffen, und die uns 2002 dazu brachten der das Projekt finanzierenden WestLB den allerersten Hai des Jahres zu verleihen.

Amnestie fuer einen der Hauptverantwortlichen der Schuldenkrise in Ecuador

Waehrend die Auditoria-Kommission mehr oder weniger aufmerksam einigen Rechtsgelehrten ueber generelle Fragen der Illegitimitaet lauscht, ist die von der Mehrheit der Verfassungsgebenden Versammlung beschlossene Amnestie fuer den Ex-Praesidenten Noboa der Talk of the Town. Gegen den heftigen Widerstand ihres aus diesem Grunde zurueckgetretenen Vorsitzenden Alberto Acosta hatte die Versammlung auf Initiative von Praesident Correa beschlossen, Noboa zu amnestieren.

Fuer die Kommission und die Glaubwuerdigkeit des ganzen Unternehmens “Aufarbeitung der juengeren Finanzgeschichte Ecuadors” ist die Amnestie ein herber Rueckschlag. Noboa wurde, wie Alberto vor der Versammlung ueberzeugend dargelegt hat, eine entscheidende Rolle bei der fuer Ecuador sehr nachteiligen Umwandlung der alten “Brady-” in neue, hoeher verzinste “Global-Bonds” zur Last gelegt. Einige nationale Inhaber dieser staatlichen Schuldverschreibungen haben an diesem Manoever auf Kosten den ecuadorianischen Steuerzahlers wirklich gut verdient.

Unsere Aufgabe, auslaendische Profiteure windiger Finanzierungen Ecuadors zu identifizieren, und ihre weiter bestehenden Ansprueche an den Ecuadorianischen Staat in Frage zu stellen, ist durch dieses Manoever nicht einfacher geworden.

Ecuador-Tagebuch, die zweite: Erster Ministerwechsel, bevor ich überhaupt da bin

Das ist selbst für Ecuador ein Rekord, dessen Minister in einem Tempo und mit einer Unvohersehbarkeit wechseln, bei der selbst die Italiener noch was lernen können. Ein kurzer Blick ins Internet beim Zwischenstopp in Atlanta, und es zeigt sich, dass Finanzminister Fausto Òrtiz heute abgelöst und durch Wilma Salgado ersetzt wurde.

Dieser Wechsel ist für die die Arbeit in der Kommission schon deshalb besonders wichtig, weil sie im Finanzministerium angesiedelt ist, und die Beziehung zu Fausto nie besonders harmonisch war (höflich ausgedrückt).

Wilma ist eine (weitere) Jubileo-Aktivistin, Wirtschaftsprofessorin mit einem in den letzten Jahren ebenfalls sehr bewegten Lebenslauf. Sie war Leiterin der staatlichen Pensionskassen, musste von dem Amt aber zurücktreten als ihre Versuche, den ziemlich korrupten Laden aufzuräumen, wiederum mit Korruptionsvorwürfen gegen sie beantwortet wurden. Als Mitglied des Andinen Parlaments geniesst sie allerdings Immunität.

Einige ej-Aktive kennen sie vielleicht noch von Delegationsbesuchen in Europa oder dem FTAP-Vernetzungstreffen 2002 in Guayaquil.

Teamklausur in Dorsten

Das erste Halbjahr 2008 ist fast um und so nahm sich das erlassjahr.de Team Zeit mit etwas Abstand vom Tagesgeschäft auf die bisherige Arbeit des Jahres zurückzublicken. Anlass war die diesjährige Team-Klausur, die abseits vom Düsseldorfer Büro in Dorsten stattfand. In etwas entspannterer Atmosphäre wurde gemeinsam analysiert, diskutiert und das kommende Halbjahr geplant. Auch die ersten Ideen für das Jahr 2009 wurden ausgetauscht. Nach einem produktiven Tag lagen nicht nur viele Ergebnisse auf dem runden Tisch, auch die Motivation hatte einen zusätzlichen “Kick” erfahren. Passend zum Spiel Deutschland gegen Österreich, zu dem alle Teammitglieder wieder pünktlich zu Hause oder auf den Public Viewing Plätzen der näheren Umgebung waren.

Papst Benedikt fordert Schuldenerlass

Papst Benedikt XVI. hat sich für einen Schuldenerlass für afrikanische Staaten ausgesprochen. Eine Erleichterung oder Aufhebung der Schuldenlast sowie eine gerechtere Verteilung der Güter seien nötig, um Ländern wie Kamerun wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung zu ermöglichen, betonte der Papst beim Empfang des neuen kamerunischen Botschafters, Antoine Zanga, am Montag im Vatikan.
Die Staatengemeinschaft müsse durch ihre Hilfsmaßnahmen und eine gerechte globale Wirtschaftspolitik “den Teufelskreis von Unterentwicklung und Armut durchbrechen”, so der Papst. Zudem verlangte er mehr internationale Aufmerksamkeit für die sozialen Folgen von Überschwemmungen, Klimaveränderung, Seuchen sowie Kriegen und Terrorismus in den armen Ländern.

Papst Benedikt steht mit seiner Forderung in enger Tradition zu seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. Selbiger hatte 1999 mit seiner Forderung nach einem Erlaßjahr zur Jahrtausendwende einen wichtigen Anstoß für die globale Entschuldungsbewegung gegeben.

Liberia: Der IWF als Kredithai

Alle Länder, die unter den Multilateralen Entschuldungsinitiativen entlastet werden, müssen sich verpflichten, sich künftig gar nicht, oder wenn, dann nur zu konzessionären Bedingungen neu im Ausland zu verschulden. Wer unter den ärmsten Ländern teure, marktmäßige Kredite aufnimmt, die die Weltbank (mit einiger Berechtigung) für untragbar hält, muss mit scharfen Sanktionen durch seine Multilateralen Geldgeber rechnen. Mit solchen straffen Regeln hoffen Weltbank und Währungsfonds das baldige Ausbrechen neuer Zahlungsschwierigkeiten in den entschuldeten Ländern zu verhindern.

Nur für sie selbst gelten andere Regeln.

So greift der IWF, wie er in einem Communiqué am 14.3. mitteilte, dem verarmten und kriegszerstörten Liberia mit Neukrediten in Höhe von 952 Mio US-$ unter die Arme. Davon kommen aber nur 391 Mio aus der “Poverty Reduction and Growth Facility” (PRGF). Diese Kredite laufen sehr lange und erheben einen Zinssatz von nur 0,5%. Der größere Teil – 561 Mio US-$ – kommt aus der “Erweiterten Fonds Fazilität” (EFF). Deren Kredite werden zu Marktkonditionen vergeben. Der IWF macht keine Angaben über die genauen Zinssätze und Laufzeiten. Diese liegen aber mit Sicherheit in einem Bereich, für den Liberia von Weltbank und IWF bestraft würde, wenn es entsprechende Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnähme. Zumal die neuen Finanzierungen aus Washington den nach der Entschuldung noch verbliebenen Altschuldenbestand glatt wieder verdoppeln.

Diese seltsame Widersprüchlichkeit zwischen dem IWF als Gutachter und dem IWF als Kreditgeber wäre weniger skandalös, wenn nicht bekannt wäre, dass der Fonds händeringend auf der Suche nach Kunden für seine kommerziellen Kreditangebote ist. In Zeiten, da, bis auf die Türkei, fast alle großen IWF Kreditnehmer ihre Schulden pünktlich oder gar vorzeitig zurückgezahlt haben, hat man in Westafrika offenbar einen Kunden gefunden, der sich nicht wehren konnte.

Die Waffen des Diktators Mugabe und die Geschäfte der KfW: Drei Fragen

Die Affaire um das mit Waffen für Zimbabwe beladene chinesische Schiff An Yue Jiang wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die unappetitliche Unterstützung des Diktators durch China. Interessanter noch ist die Frage nach der offenbar gängigen Geschäftspraxis der IPEX, einer Tochter der öffentlichen deutschen Entwicklungsbank KfW.

erlassjahr.de stellt in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen:

Erste Frage: Wieso arbeitet die IPEX mit einer Inkassofirma zusammen?
“Commercial Intelligence” ist eine der zahlreichen Firmen, die sich darauf spezialisieren, die Aktiva armer Länder aufzustöbern, auf die Gläubiger im Zusammenhang mit kommerziellen Forderungen zugreifen könnten. Das ist ein mühsames Geschäft, denn das Eigentum überschuldeter Staaten im Ausland beschränkt sich im allgemeinen auf diplomatische Liegenschaften, auf die ein Zugriff grundsätzlich nicht möglich ist.
Im Zusammenhang mit der Praxis so genannter “Geierfonds” sind diese privaten Akteure zunehmend ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. In der Regel bedienten sich private Gläubiger solcher Firmen. Formal ist auch die IPEX eine solche private Firma – gleichwohl eine, die sich im Eigentum der öffentlichen KfW befindet, und die sich nach eigenen Angaben den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet weiß. Die Fincial Times Deutschland (FTD vom 23.04.2008) zitiert eine IPEX Sprecherin so: “Damit nehme es nicht nur auf wirtschaftliche und ökologische, sondern auch auf soziale Aspekte Rücksicht”.

Zweite Frage: Warum versucht die IPEX jetzt, ihre Ansprüche durchzusetzen? Zimbabwes Auslandsschulden betrugen bereits Ende 2005 (letzte zur Verfügung stehende Daten) 132% der Brutto Inland Produktes (BIP) und damit mehr als das Dreifache dessen, was Weltbank und IWF für ein noch tragfähiges Schuldenniveau halten. Seither hat sich dieser Indikator vor allem durch den weiteren Rückgang des BIP und die auflaufenden Zinsen auf Zahlungsrückstände weiter verschlechtert – nur weiß niemand um wie viel genau.
Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird (richtigerweise) davon ausgegangen, dass Zimbabwe ein Fall für eine weitreichende Schuldenstreichung unter der Multilateralen HIPC-Initiative ist, “wenn der Alte erst mal weg ist” (sprich Dikator Mugabe abgesetzt wurde). Ob die eigentlich geschlossene HIPC-Initiative dann noch mal geöffnet wird, oder es zu einer vergleichbaren Streichung in einem ad-hoc-Verfahren kommt: auf jeden Fall würden bilaterale kommerzielle Forderungen wie die aus dem deutschen Stahlwerkgeschäft in einem solchen Verfahren weitgehend oder vollständig gestrichen. Da wirkt es befremdlich, dass ein überdies indirekt im öffentlichen Besitz befindlicher Gläubiger gerne noch rausholen will, was zu holen ist, so lange – zum Glück – der “Alte” noch da ist.

Dritten Frage: Was wäre denn, wenn zum Beispiel Nahrungsmittel für die unter Armut und Repression leidende Bevölkerung Zimbabwes auf dem Schiff gewesen wären?
Die IPEX hat deutlich gemacht, dass sie sich an den Waffen für den Diktator die Finger nicht schmutzig machen will. Nun ist die Darstellung in vielen Medien an einem Punkt nicht ganz korrekt: Internationales Recht gestattet durchaus den Zugriff auf Werte, die hoheitlichen Zwecken dienen – vorausgesetzt, dass der Kreditnehmer im Kreditvertrag ausdrücklich auf seine souveräne Immunität verzichtet hat. Das wiederum ist seit den achtziger Jahren routinemässig der Fall, in denen Staaten Kredite im Rahmen kommerzieller Transaktionen aufnehmen. Mit Sicherheit enthält auch der Vertrag über das Stahlwerk in Zimbabwe eine entsprechende Klausel. Wäre also tatsächlich Weizen oder – sagen wir – Lieferungen für ein humanitäres Programm einer Nichtregierungsorganisation auf dem Schiff gewesen, hätten die zwielichtigen Geldeintreiber aus Singapur durchaus Werte für die IPEX/KfW sistieren können. Die in der FTD zitierte IPEX-Sprecherin hat ausdrücklich darauf beharrt, dass man keinesfalls das (politische) Interesse gehabt habe, dem Diktator den Zugang zu seinen Mordwerkzeugen zu entziehen. Vielmehr habe man aus “rein kommerziellen” Erwägungen gehandelt. Von daher ist davon auszugehen, dass jede Art von kommerziell verwertbarem Hab und Gut tatsächlich seinen Weg nach Frankfurt statt nach Harare gefunden hätte. Inwiefern diese Art von Inkasso in einem total verarmten Land “soziale Aspekte berücksichtigt”, sollte die KfW durchaus mal öffentlich erklären.

Fazit:
Es ist offenbar höchste Zeit, dass die zuletzt mit einem Fachgespräch in der Weltbank und Anfang Juni mit einer Bundestagsanhörung anlaufende Diskussion über die Illegitimität von Forderungen an manche Diktatoren zu praktischen politischen Schritten führt. Umso wichtiger ist es, dass diese Diskussion auch in der Öffentlichkeit geführt wird. Unterstützen Sie deshalb jetzt die Kampagne für eine Parlamentariererklärung!

Pariser Club erlässt Liberia 254 Millionen Dollar Schulden

Wie erwartet hat der Pariser Club beschlossen dem afrikanischen Land Liberia einen Teil seiner Schulden zu erlassen. 254 Millionen US-Dollar wurden erlassen, welche nun in Programme zur Armutsreduzierung in Liberia fliessen sollen. Der Pariser Club reagiert damit auf die Ankündigung des Internationalen Währungsfonds Liberia wieder als reguläres Mitglied aufzunehmen. Zudem hatte Liberia im März den Decision Point im Rahmen der HIPC Initiative erreicht. Gleichzeitig hat die US-Regierung angekündigt Liberias komplette bilaterale Schulden in Höhe von 430 Millionen US-Dollar zu erlassen. Die USA wollen so den wirtschaftlichen und politischen Wandel des Landes unterstützen, der unter der Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf eingeleitet worden ist.

Das Thema "Illegitime Schulden" kommt in der Weltbank an – und wir auch

Roundtable zum Thema Illegitime Schulden in der Weltbank

Daran hatten wir lange gearbeitet, dass die Weltbank als ungeliebter aber zentraler Akteur des Internationalen Finanzsystems sich an dem Thema “Illegitime Schulden” nicht länger würde vorbei mogeln können. Am Montag, dem 14.4. war es soweit: Etwa fünfzig Bankmitarbeiter, Regierungsvertreter, Entschuldungscampaigner/innen und Rechtsexpert/innen trafen sich in der Weltbank zum Runden Tisch.

Die erste Enttäuschung war der Tisch: es gab keinen, weder einen runden noch einen eckigen. Vielmehr trafen wir uns in einer Art Auditorium, wo von einem Referenten-Tisch aus das Wort an ein Publikum zu richten war, welches seinerseits in Bürostühlen mit hohen Lehnen und deshalb überhaupt nur teilweise sichtbar, um das Podium herum sass. Nicht gerade das, was wir uns unter einem Dialog auf Augenhöhe vorgestellt hatten.

Positiv dagegen war, dass die Weltbanker nicht versuchten, die Existenz von so etwas wie fragwürdigen Schulden zu bestreiten. Die Arbeit der vergangenen Jahre – bei uns, vor allem aber in Norwegen, dessen Regierung den gesamten Prozess auf den Weg gebracht hatte – zahlte sich an dieser Stelle aus.

Unter den Vertreter/innen der weltweiten Entschuldungsbewegung hatten wir uns tags zuvor getroffen, und unter recht divergierenden Meinungen eine einigermassen klare Linie abgesprochen, die dann mehr oder weniger kohärent von “unseren” Redner/innen auf den drei Podien vertreten wurde.

Im Ergebnis versuchten die Mitarbeiter der Bank sich – wie wir das schon verschiedentlich erlebet hatten – auf die Leitungskompetenz der Exekutivdirektoren zu berufen, die namens der Bank-Mitglieder die Politik der Institution bestimmen. Man merkte, dass Ihnen daran lag, das es nach Möglichkeit überhaupt kein greifbares Ergebnis des Roundtable geben sollte. Erfreulich positiv war dagegen die Haltung der anwesenden Regierungsvertreter, die – teilweise auf der Basis schon bestehender Absprachen mit uns und unseren Kolleg/innen – darauf beharrten, dass es nächste Schritte im Dialogprozess geben müssen. Themen dabei waren die Arbeit an konkreten zweifelhaften Forderungen, z.B. der Bank selbst, aber auch die Definition illegitimer Schulden. An diesem letzteren Punkt schlug auf unserer Seite die Stunde der “Ius Cogens” Theoretiker, die sich zugunsten einer Berufung auf die “zwingenden Normen des Völkerrechts” von der klassischen Doktrin Verabscheuungswürdiger Schulden (wie sie z.B. im Zentrum unseres Handbuchs Illegitime Schulden steht), lösen wollen.

Es wird im Laufe dieses Jahres eine Reihe weiterer Treffen zwischen Regierungen, Kirchen, Internationalen Finanzinstitutionen und Entschuldungsbewegungen geben. Wenn man den Mantel der Geschichte ein kleines bisschen bemüht, kann man sagen, dass die Frage nach der “Qualität” von Schulden bzw. Forderungen des Nordens in diesem Monaten den Punkt erreicht, an dem die Debatte um die Schuldentragfähigkeit vor 12 Jahren gewesen ist: Damals wurde an etwa gleicher Stelle angesichts der absehbaren Untragbarkeit der Schulden der ärmsten Länder von den Gläubigern die erste HIPC-Initiative aus der Taufe gehoben.