Wird die nächste Schuldenkrise des Globalen Südens eine chinesische Krise?

Avatar photo Jürgen Kaiser, erlassjahr.de
7. September 2018

Gerade geht in Peking der diesjährige China-Afrika-Gipfel zu Ende. Das Treffen zwischen der chinesischen Staatsführung und zahlreichen afrikanischen Regierungschefs stand im Zeichen großzügiger Kreditzusagen der chinesischen Seite an ihre afrikanischen Partner. Ein großer Teil davon wurde im Rahmen der chinesischen Initiative „Neue Seidenstraße“ zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten zugesagt. Die spektakuläre Zahl von 60 Milliarden US-Dollar wurde berichtet. Davon sollen 15 Milliarden US-Dollar als zinsgünstige Kredite und Zuschüsse bereitgestellt werden und neben verschiedenen Sonderfonds noch 20 Milliarden als nicht-konzessionäre Kredite und 5 Milliarden als Exportkredite für den Kauf chinesischer Waren.

Insbesondere die letztgenannten Positionen beunruhigen westliche Kreditgeber in einer Mischung aus Angst um den traditionellen Hinterhof, in dem britische, französische und oft auch deutsche Geld- und politische Ratgeber seit der Kolonialzeit mehr oder weniger exklusiv das wirtschaftliche Sagen hatten, einerseits und einer (berechtigten) Angst, dass das beträchtliche chinesische Engagement Länder in eine neue Schuldenkrise treibt, bei der am Ende alle Gläubiger um ihre Rückzahlungen und Zinsen fürchten müssen andererseits. Das zeigt sich in der FAZ mit der reißerischen Überschrift „China drängt Seidenstraßen-Länder in die Schuldenfalle“ oder durch die 16 überwiegend republikanische Senatoren, die den US-Präsidenten auffordern, den IWF unter Druck zu setzen, damit dieser nicht eines Tages US-Steuergeld dazu verwendet, unverantwortliche chinesische Kreditgeber zu retten. Schließlich verfolgten die Chinesen mit ihren Krediten vor allem geopolitische Ziele. Aus der amerikanischen Hauptstadt, wo man es gewohnt ist, im Interesse der eigenen geopolitischen Interessen dem IWF bei einem nachmittäglichen Spaziergang mal eben die Direktiven des wichtigsten Anteilseigners mitzuteilen, ist das ein Statement mit erheblichem Satire-Potenzial.

Sowohl in dem FAZ-Artikel wie auch von den amerikanischen Senatoren wird Bezug genommen auf eine sehr informative Studie des Center for Global Development (CGD) in Washington. Sie konstatiert für einige der Seidenstraßen-Länder tatsächlich eine gefährliche Zunahme der Verschuldung – aber fast ausschließlich für asiatische Kreditnehmer. In Afrika sieht sie einzig das kleine Dschibuti in der Gefahr, durch die Kreditaufnahme bei China in eine nicht mehr tragfähige Verschuldung zu geraten.

erlassjahr.de war bei seiner letzten Jahrestagung im November 2017 vom IWF gewarnt worden, dass die chinesische Kreditvergabe nach Afrika inzwischen das sechsfache der Neukredite aller traditionellen Industrieländer ausmache. Auf der Grundlage der CGD-Studie haben wir die Forderungsbestände Chinas mit denen des gesamten Pariser Clubs – also den traditionellen Industrieländern – in den möglicherweise überschuldungsgefährdeten Ländern der Neuen Seidenstraße verglichen: Nur in zwei Fällen (neben dem Sonderfall Dschibuti auch in Äthiopien) wird die Größenordnung von 6:1 tatsächlich übertroffen, während zwei knapp darunter liegen (Laos und die Malediven). In den übrigen 16 vom CGD untersuchten Ländern liegt das Verhältnis von chinesischen Kreditvergaben zu denen der Pariser Club-Gäubiger deutlich darunter.

Das CGD hatte eine neue Überschuldungsgefahr in insgesamt acht Ländern auf das Seidenstraßen-Projekt zurückgeführt. In diesen muss zumindest konstatiert werden, dass auch traditionelle bilaterale Gläubiger einen erheblichen Anteil an den sich aufbauenden Schuldenständen haben. Chinesische Forderungen gegenüber den Forderungen aller Mitglieder des Pariser Clubs:

Dschibuti10,71:1
Kirgisistan2,43:1
Laos5,88:1
Malediven5,58:1
Montenegro1,74:1
Mongolei2,38:1
Pakistan0,56:1
Tadschikistan3,49:1

Das bedeutet natürlich nicht, dass auch in diesen und den Ländern mit absolut großen aber relativ gesehen weniger bedeutenden chinesischen Kreditvergaben, keine Risiken bestünden. Indes sollten westliche Beobachter die in hohem Maße liquiden chinesischen Geldgeber, die nun in afrikanische und asiatische Anlagesphären drängen, nicht zum Bösewicht in einer Geschichte hochstilisieren, in der das eigene Kapital weiterhin mitmischt.

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