Deutsche Chinabanken?

Avatar-Foto Malina Stutz, erlassjahr.de
19. Mai 2023

Wendet Deutschland eine ähnliche Taktik wie China an, um zu verhindern, dass Forderungen staatlicher Banken Teil von Erlassinitiativen sind? Eine neue Studie legt dies nahe.

Seit drei Jahren veröffentlicht die Weltbank Informationen zu den Forderungen einzelner Gläubigerstaaten. Dabei sind die von der Weltbank berichteten öffentlichen deutschen Forderungen Jahr für Jahr höher als die Forderungen, über die das deutsche Bundesfinanzministerium (BMF) selbst berichtet. Dieses Jahr berichtet die Weltbank über öffentliche deutsche Forderungen in Höhe von rund 30 Milliarden US-Dollar; das BMF weist lediglich umgerechnet 13 Milliarden US-Dollar aus. Für Ägypten und Indonesien übersteigen die Angaben der Weltbank die Angaben des BMF jeweils um mehr als 3 Milliarden US-Dollar. In Indien sind es über 2 Milliarden und in Kolumbien und Marokko mehr als 1 Milliarde US-Dollar. In einzelnen Fällen sind jedoch auch die Angaben des BMF höher als die Angaben der Weltbank. Das ist beispielsweise in Argentinien und China der Fall. Wie sich die Differenzen für die einzelnen Staaten zusammensetzen, findet die Informationen hier [Excel].

Die Weltbank berichtet auf Grundlage der Daten, die Schuldnerländer an sie übergeben. Schuldnerländer berichten also in toto über deutlich mehr ausstehende Schulden gegenüber Deutschland, als die Bundesregierung selbst in ihren Büchern stehen hat. Für zivilgesellschaftliche Akteure wie erlassjahr.de ist es unmöglich, im Einzelfall nachzuvollziehen, auf wessen Seite der Fehler liegt. Zum Teil dürften die Differenzen aber daran liegen, dass Deutschland die Forderungen von Finanzinstitutionen wie etwa der KfW-IPEX-Bank, nicht als öffentliche deutsche Forderungen einstuft. Die IPEX ist zu 100 Prozent im Staatsbesitz, führt aber kommerzielle Kreditgeschäfte durch.

Staatseigene Banken als „privat“ zu klassifizieren, wird sonst eigentlich nur China vorgeworfen. Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie und den in Reaktion darauf beschlossenen Maßnahmen der G20-Staaten ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, welche chinesischen Finanzinstitutionen als öffentlich und welche als privat einzustufen werden. Mit der sogenannten Debt Service Suspension Initiative (DSSI) hatten die G20-Staaten einkommensschwachen Staaten in den Corona-Krisenjahren 2020 und 2021 angeboten, ihre Schuldenzahlungen vorübergehend auszusetzen. Dieses Moratorium galt allerdings zunächst nur für Schulden bei öffentlichen Gläubigerstaaten. China argumentierte, dass die Forderungen einer der finanzstärksten chinesischen Institutionen, der China Development Bank (CDB), nicht als öffentliche Forderungen einzustufen seien. Die Bank befindet sich zwar im Staatseigentum, tätigt aber nach Angaben Chinas kommerzielle Geschäfte. Mit dieser Logik begründete die chinesische Führung, dass sich die CDB nicht an dem Moratorium beteiligte. Westliche Staaten – darunter die deutsche Bundesregierung – warfen China dieses Vorgehen wiederholt vor.

Nun zeigt ein Bericht der Politikwissenschaftlerin und China-Expertin Deborah Bräutigam, dass sich die deutsche IPEX-Bank offenbar ebenfalls nicht an dem Moratorium beteiligte. Nach Angaben von Bräutigam begründete die Bank ihren Ausschluss damit, dass sich das Moratorium nur auf öffentliche Forderungen beziehe und die IPEX-Bank als kommerzielle Bank daher nicht davon „betroffen sei“.

Dies ist aus mindestens zwei Gründen skandalös:

  1. Die Appelle der deutschen Bundesregierung in Richtung China büßen dadurch an Glaubhaftigkeit ein. Die Regierung handelt sich zurecht den Vorwurf des Doppelstandards ein. Dass dies auch von chinesischer Seite nicht unbemerkt bleibt, zeigt ein Bericht der chinesischen Zentralbank, die den IPEX-Fall als Rechtfertigung für das eigene Vorgehen anführt.
  2. Die Bundesregierung hat den Einbezug des Privatsektors sowohl in die DSSI als auch grundsätzlich in Schuldenrestrukturierungen als ein zentrales Ziel angegeben. Sie hat private Gläubiger daher wiederholt öffentlich aufgefordert, sich freiwillig an dem Moratorium zu beteiligen. Offenbar hat sie die Beteiligung aber noch nicht einmal bei der staatseigenen Bank durchgesetzt.

Bei künftigen Umschuldungen muss die Bundesregierung die Beteiligung der IPEX-Bank sicherstellen. Wir werden ein Auge darauf haben. Zudem sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, die Differenzen zwischen der eigenen Berichterstattung und den Angaben der Weltbank aufzuklären. Schließlich ist eine verlässliche Datengrundlage die Voraussetzung für ein faires und transparentes internationales Schuldenmanagement. Die Bundesregierung betont dies selbst wiederholt mit Blick auf Transparenzprobleme in Ländern des Globalen Südens. Zunächst sollte sie jedoch vor der eigenen Haustür kehren.

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