Mosambik, Tansania, El Salvador: neue Länderinfos erschienen

Bild der Länderinfoseiten von erlassjahr.de

Das Informationsprogramm für Partnerschaftsgruppen, Gemeinden und Länder-Interessierte (“Die Schulden, die Entschuldung und unser Partnerland”) hat einige Erweiterungen zu bieten.

Nachdem die erlassjahr-Homepage nun den neuesten Absturz verkraftet hat, sind aktuellste Analysen zu El Salvador, Mosambik und Tansania hinzugekommen. In gänzlicher Kürze: So wie El Salvador Privatbanken mit Geldern aus Sozialprogrammen aus der Pleite freikaufen musste, so ist die recht brenzlige Verschuldungssituation von Mosambik von den IFIs klein gerechnet worden, indem nur die Spitze des Schulden-Eisbergs mit in die Risikountersuchung genommen wurde. An dem (im Hinblick auf die Entschuldung unter HIPC) gerne herangezogenen Paradebeispiel Tansania zeigt sich, dass die Entschuldung unter HIPC zwar ein definitiv wichtiger Schritt zur Lösung des Solvenz-Problems Tansanias war, aber es zeigt auch, dass die Entschuldung unter HIPC keine Lösung für (strukturell wiederkehrende) Schuldenkrisen ist (und auch nicht sein kann).

Das Programm umfasst Kurz- und ausführliche Hintergrundinformationen, Gemeindeabende oder Seminare – jeweils abgestimmt auf hochverschuldete Partnerländer, die Teil (oder eben auch nicht Teil) der HIPC-Initiative sind.

Die neuen Infos sind zu finden unter:

https://staging.erlassjahr.net/dev2/cms/front_content.php?idcat=88&idart=473

Seid doch bitte optimistisch!

Nicht nur bei erlassjahr.de wurden IWF und Weltbank oft für ihre Schuldentragfähigkeitsanalysen (DSA) an den Pranger gestellt. Oft erwiesen sich die im Vergleich zur Vergangenheit viel zu optimistischen Vorhersagen des Wirtschaftswachstums als unrealistisch. Oft wurde auf deren Grundlage auch eine zu optimistische Einschätzung der zukünftigen Schuldentragfähigkeit von armen Ländern vorgenommen. Fragt man Mitarbeiter in Washington persönlich, warum sie Länder mit recht hohen Schuldenindikatoren (wie z.B. Mosambik) kein Verschuldungsrisiko bescheinigen, so erhält man ein Schulterzucken: „die Länder wollen das so“.

Nun werden aber auch Stimmen immer lauter, dass IWF und Weltbank bisher viel zu konservativ (und nicht zu optimistisch) über die Schuldentragfähigkeit von Entwicklungsländern geurteilt haben und damit die Finanzierung der MDG gefährden. Denn zu negative Beurteilungen hätten und würden den Zugang zu (nicht- konzessionären) Krediten weitestgehend unterbinden. Aufgegriffen wurde diese „Sorge“ in einer Überprüfung des Rahmenwerks für Schuldentragfähigkeitsanalysen (DSF) von August 2009 (siehe http://www.imf.org/external/np/pp/eng/2009/080509a.pdf) und in einem Treffen des „Commonwealth Ministerial Debt Sustainability Forum“ (CMDSF) im Oktober 2010.

Nun, eine konservative und damit möglicherweise tatsächlich realistische Einschätzung von Verschuldungsrisiken: das ist schließlich Sinn der ganzen Übung. Viele Kreditgeber orientieren sich jedoch an den Schuldentragfähigkeitsanalysen von IWF/Weltbank, wenn es um die Kreditvergabe an Entwicklungsländer geht. Auch beeinflussen die Risikokategorisierungen die Kreditkonditionen bei IWF und Weltbank. Je höher ein Verschuldungsrisiko eingeschätzt wird, desto enger sind Kreditlinien, das ist logisch. Wird einem Land ein mittleres oder hohes Verschuldungsrisiko bescheinigt, weil es z.B. bedenkliche Schuldenquoten aufweist, so ist der DSF nicht unbedingt konservativ und damit starr angewandt worden, sondern hat vielmehr seinen eigentlichen Zweck erfüllt.

In oben genannten Diskussionen wird nun die Forderung laut, dass z.B. geplante Investitionen in die Infrastruktur oder neue Einkommensmöglichkeiten, viel mehr in der Beurteilung Beachtung finden müssten, da diese ja schließlich in Zukunft das Wirtschaftswachstum fördern (sollen). Hier wird der IWF also aufgefordert, bitte optimistischer und nicht zu vorsichtig zu urteilen. Sicherheit über den realen und messbaren Einfluss einer bestimmten Investition auf das zukünftige Wachstum gibt es logischerweise nicht.

Der „Schrei“ nach optimistischeren Einschätzungen ist gar nicht so unverständlich. Möchte man Investitionen finanzieren braucht es Geld. Geld kommt nicht nur von IWF und Weltbank, sondern auch vom Finanzmarkt. Kreditgeber orientieren sich bei Entwicklungsländern hier am Urteil des IWF. Der Finanzmarkt reagiert jedoch überaus empfindlich auf Negativschlagzeilen, wie man an Griechenland, Irland oder Spanien sieht. Fällt das Wort Insolvenzrecht oder Staatsbankrott, bricht Ländern und dem Kapitalmarkt der Angstschweiss aus. Zinsen steigen rasant, Investoren suchen sich andere Anleihen.

Sagt nun die Schuldentragfähigkeitsanalyse von IWF und Weltbank, dass Entwicklungsland xy ein hohes oder mittleres Verschuldungsrisiko hat, so heißt das nichts anderes, als dass ein erhöhtes Risiko einer möglichen Zahlungsunfähigkeit bescheinigt wird. Klar, dass Kreditgeber dann nicht gerne leihen, wenn doch schon vorher die Vermutung besteht, dass das Land den Kredit vielleicht gar nicht vollständig bedienen kann.

Trotzdem darf nicht vergessen werden, wozu der DSF eigentlich geschaffen wurde. In jedem Fall nicht dazu, verschuldeten armen Ländern einen Freifahrtschein für teure Kredite zu verschaffen, die es dann möglicherweise doch nicht tragen kann. Verständlich ist jedoch die indirekte Forderung von „Gleichbehandlung“: Möglichen Kreditgebern wird bei Entwicklungsländern durch die Schuldentragfähigkeitsanalysen die Einschätzung gegeben, ob eine mögliche Gefahr einer Überschuldung und damit Zahlungseinstellung besteht. Bei verschuldeten Euroländern jedoch ist der IWF-„Tipp“ an Kreditgeber vielmehr, dass sie das unwahrscheinliche Risiko von Staatspleiten nicht überschätzen sollen (siehe dazu ausführlicher den Blogbeitrag „IWF an Europa: Zahlt um Himmels willen Eure Schulden!“ vom 21.09.2010).

Das Problem ist da nicht der DSF. Vielmehr kann es nicht sein, dass das Thema Verschuldung so unterschiedlich gehandhabt wird: bei Entwicklungsländern sind Pleiterisiken bei jeder DSA ein selbstverständliches Thema, im Kontext von Euroländern gilt die Angst davor aber plötzlich als viel zu überbewertet. Ob Burkina Faso oder Irland – Staatspleite bleibt Staatspleite!

Die schöne Welt des Engagements

Eingeladen an der (Spaß)Veranstaltung “Engagement fairbindet” teilzunehmen, haben sich die Campaignerin und Rechercheassistentin von erlassjahr.de am Freitag, den 03.09.2010, nach Bonn begeben. Der “Parcours des Engagements” bestand aus vielen schönen weißen Zelten, die im Park des BMZ-Geländes der Präsentation und Vernetzung von Stiftungen, NGOs und staatlichen Institutionen der Entwicklungshilfe dienen sollten.

Man traf bekannte Gesichter wie die Partner von “VENRO”, kirchliche Hilfswerke und die „Großen“ der deutschen Entwicklungshilfe. Auch wurde z. B. das hauseigene Weltwärts-Programm, das DIE (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik), die bpb (Bundeszentrale für politische Bildung) und die Arbeit der UNO Bonn vorgestellt. Länder und Kommunen, die sich in Städtepartnerschaften engagieren, Migranten, die sich für Ihre Heimatländer einsetzen, Unternehmen aus der Privatwirtschaft und Stiftungen durften sich natürlich auch präsentieren. Kurz: ein kunterbunter, fröhlicher, vorbildlicher Haufen, den Staatssekretär Beerfeltz und Minister Niebel da zusammen getrommelt haben. Auch der “Global Plaza” strahlte durch seine hübsche Bühne und einen fröhlichen  Entwicklungsminister, der tapfer die ständige Frage des Moderators Cherno Jobatey nach “den Beweggründen für Ihr Engagement” beantwortete und sich unheimlich über (*Achtung: Wortwitz-Gefahr*) den “blau-gelben” Himmel freute, der die für ihn so betont wichtige und hoch-effiziente Vernetzungs-Veranstaltung begleitete.

Zumindest scheint das BMZ der NGO- und zivilgesellschaftlichen Basis durch solch eine zwar nette, aber eher inhaltsleere Veranstaltung mit Inbrunst beweisen zu wollen, dass sein Interesse an einer vernünftigen Zusammenarbeit weiterhin sehr groß ist. Kein Wunder,  nachdem Herr Niebel das Ministerium zuerst vollständig auflösen wollte. Ein bisschen Eigenwerbung kann da nicht schaden. Betont wurde auch die Präsenz von Firmen, die sich in Entwicklungsländern engagieren, wie auch die Pflege der wirtschaftlichen Beziehungen dorthin (die neue Agenda des BMZ?). Was haben wir von dieser fairbindenden Veranstaltung mit zurück nach Düsseldorf genommen? Wie wichtig doch Engagement und Zusammenarbeit für unsere Welt ist. Danke, Herr Niebel, dass Sie uns daran noch einmal erinnert haben!

Schuldenerlass für Liberia unter HIPC

Nun auch Liberia: Das hochverschuldete Land mit dem höchsten Schuldenindikator “Schuldenstand im Verhältnis zum BIP” der Welt hat am 29.6.2010 den Completion Point (Vollendungspunkt) und somit einen dringend benötigten Schuldenerlass unter der HIPC-Initiative erreicht. Liberia geht als das 29. Land in die Geschichte der HIPC-Initiative für hochverschuldete arme Länder ein. Dem westafrikanischen Land sollen 4,6 Milliarden US-Dollar (3,8 Mill. Euro) erlassen werden und der Schuldenstand wird somit um 90 % verringert – auf nur noch 15 % des Bruttoinlandsprodukts.

Liberia hatte allein 2008 einen Schuldenstand von 515 % des BIP, im Jahr 2007 waren es bereits 659 % und 2005 und 2006 sogar unvorstellbare knappe 1000 %. Zum Verständnis: Als tragfähig gelten höchstens 40 % Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. Da das Land also bereits seit Jahren nicht nur keinen tragfähigen Schuldenstand aufweisen konnte, sondern auch die Verringerung der Schulden auf eine tragfähige Basis in völlig unerreichbarer Ferne lag (das Land hat einen Staatshaushalt von gerade mal 80 Millionen US $), war die Erreichung des Vollendungspunkts und daraufhin die Zustimmung zum Schuldenerlass wirklich dringend nötig.

erlassjahr.de hatte bereits 2007 im Zuge des Besuchs von Angela Merkel (Deutschland ist einer der größten Gläubiger Liberias) in Liberia einen Erlass der Schulden des Landes gefordert: So hat Liberia noch immer immense Auslandsschulden aus den Zeiten der Taylor-Diktatur in Höhe von 3,1 Mrd. US-$, die als illegitime Schulden zu Lasten der Bevölkerung fallen, zum anderen sind die Schulden Liberias nach langen Jahren des Bürgerkriegs einfach uneintreibbar. Trotzdem schafften es die Geierfonds, das Land auf Rückzahlungen von alten Schulden zu verklagen. Das seit Mai 2010 geltende britische Gesetz untersagt solche Handlungen aber mittlerweile.