Nie mehr Schuldenkrise, nie mehr, nie mehr…..

In der Höhle: Koordinator erklärt die Welt
In der Höhle: Koordinator erklärt die Welt / © erlassjahr.de

So hätten sie es auch singen können (jeder, der ab und zu ein Fußballstadion besucht, weiß, welche Melodie zu der Zeile gehört…): sowohl die Weltbanker, mit denen ich heute zu tun hatte, als auch die beiden HIPC-Finanzminister – aus Niger und Kamerun – die am Vormittag das Pressebriefing für die HIPC-Finanzminister bestritten. Die Überschuldungskrise der neunziger Jahre war so traumatisch, so die afrikanischen Stimmen, wir werden diesen Weg nie wieder einschlagen. Und die Weltbanker, auf deren Panel ich zusammen mit einem französischen Professor und einem Vertreter der Afrikanischen Entwicklungsbank saß, widersprachen nicht, als ich sie fragte, ob ihrer Ansicht nach die Geschichte von Staatsbankrotten, die mal im alten Ägypten begonnen hat, nun an ihr glorreiches Ende gekommen sei, weil man in Washington endlich ausgerechnet habe, wie viel Kredite ein Land maximal aufnehmen solle.

Interessant war indes ihr Hinweis, dass man zusammen mit den beiden Kollegen auf dem Panel und weiteren internationalen Finanzinstitutionen eine größere Tagung in Tunis plane, bei der man über das Schuldenmanagement der Zukunft reden wolle. Zwei Papiere zum Thema “Internationales Insolvenzverfahren” sollen dazu, erstellt werden, eines möglicherweise von einem uns nahestehenden Juristen. Das kann ziemlich spannend werden, wenn die Herren ein Problem diskutieren, das es ihrer Meinung nach gar nicht mehr geben wird.

Außerhalb der Höhle: Soundstarkes Gotteshaus von der Hotelterrasse aus gesehen
Außerhalb der Höhle: Soundstarkes Gotteshaus von der Hotelterrasse aus gesehen / © erlassjahr.de

Es war ein Höhlentag heute, bei dem ich, außer zum Frühstück mit den Kollegen der Ebert-Stiftung auf der wunderbaren Dachterrasse mit Blick auf’s Meer keine Sonne gesehen habe. Dafür gab es interessante Kontakte mit ebenfalls durch das Konferenzzentrum geisternden NRO-Kolleg/innen aus den USA, von der “Free Dharfur-Campaign und aus Österreich. Morgen habe ich ein Gespräch mit dem Österreichischen Exekutivdirektor im IWF und dem Chef der Zentralbank. Mal sehen, ob sie sich für so etwas genuin Österreichisches wie den Raffer-Vorschlag eines Internationalen Insolvenzverfahrens begeistern können.

Jetzt ist acht Uhr vorbei. Vor meinem Fenster lassen gleich zwei Muezzine die Welt wissen, dass es Zeit um Gebet ist. Ich werde wahrscheinlich an einer der beiden Moscheen vorbei spazieren, und mir ziemlich unislamisch ein EFES genehmigen.

Istanbul-Tagebuch Samstag 3.10.: Willkommen im Orient

Die Sonne, ist, wie es sich gehört, im Bosporus versunken. Vor meinem Hotelfenster schmettert eine Dame von der Dachterrasse eine Musik, wie man sie auch in Kreuzberg nicht orientalischer zu hören bekommt. Ich bin gut gelandet.
Anders als das Konferenzzentrum, in dem Weltbank und IWF tagen, liegt mein, von der FES gebuchtes, Hotel mitten in der Altstadt, fussläufig von Haghia Sofia und Blauer Moschee. Heute Mittag habe ich die Gotteshäuser schon umrundet, aber nur auf der Suche nach einem Geldautomaten und einem Taxi zum Kongresszentrum. Die Taxifahrt bot dann etwas mehr Orient als mir lieb war. Der Taxista hatte offenbar eine Möglichkeit gefunden, seinen Taxameter zu manipulieren – vermutlich, indem er es irgendwie mit dem Gespedal verbunden hat. Jedenfalls zahlte ich, knapp dem Verkehrstod von der Schippe gesprungen. ein Vielfaches dessen, was mir der Kollege auf der Rückfahrt abgeknöpft hat.
Am Kongresszentrum teilte mir dann der Polizist an der Einfahrt mit, ich müsse meine VIP-Karte der Konferenz vorzeigen, wenn ich rein wolle. Mein Hinweis, der Ausweis läge drinnen und wartete darauf, von mir am Empfang abgeholt zu werden, konnte seine Haltung nicht erschüttern. Vor allem, weil er mich nur begrenzt verstand. Englischsprechende Polizisten hat man in der Türkei offenbar nicht – oder zumindest nicht für diese Konferenz. Ein Versuch an einem weiteren Eingang erbrachte dasselbe Ergebnis. Auf einen dritten bin ich dann mit entschlossenem Schritt zumarschiert und hatte das Glück, dass gerade der Gepäck-Scanner kaputt war, so dass der zuständige Zerberus vollständig damit ausgelastet war, meinen Rucksack von Hand zu durchsuchen, und keine dummen Fragen nach irgendwelchen Zugangsberechtigungen stellte. Drin war ich.
Im Konferenzzentrum sieht es aus, wie in allen Konferenzzentren dieser Erde. Ich habe im NRO-Bereich erfreut eine paar internationale Kolleg/innen getroffen, dem IWF bei einer Veranstaltung für die NROs gelauscht, und mich hinterher mit Hugh Bredenkamp aus dem Policy Department des Fonds über die Folgen der Finanzkrise für die ärmsten Länder unterhalten. In seinem Beitrag hatte er erklärt, es gebe zwei Typen von Niedrigeinkommensländern mit kritischer Verschuldung. Den einen könne mit HIPC geholfen werden, weil sie de Completion Point noch vor sich hätten. Die, die durch das Verfahren schon durch seien, brauchten halt jede Menge zinsgünstigen Geldes. Das müsse man eben heranschaffen. Nein, eine Schuldenkrise werde es nicht wieder geben. Jedenfalls werde man hart dafür arbeiten, dass es dazu komme.
Keinesfalls werde der IWF noch mal seinen SDRM-Vorschlag auspacken. Man habe 2003 gemerkt, dass die Welt ihn nicht wolle. Sicher, sei die Lage heute anders, aber bislang habe sich noch keine Regierung in dieser Richtung geäußert. Und wenn ich an der Stelle was bewegen wolle, müsste ich halt mit den Regierungen reden.
So schlau waren wir eigentlich schon vorher. Morgen nachmittag habe ich 7-10 Minuten auf einem Weltbank-Panel, um einer hoffentlich nennenswerten Öffentlichkeit als letzter von vier Panelisten genau diese Sicht der NROs zu vermitteln. Mal sehen, ob ich sie in Verlegenheit bringen kann….

Was sie schon immer über die HIPC-Initiative wissen wollten….. Neuer “Status of Implementation Report” erschienen.

Knapp vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in der kommenden Woche haben die beiden Institutionen den alljährlichen “Umsetzungsbericht zur HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative” (mehr Infos zur Initiative hier) vorgelegt. Der Bericht ist jedes Jahr die wichtigste Datenquelle, um zu beurteilen, was HIPC “gebracht” hat, und was nicht. Er ist im Internet unter http://siteresources.worldbank.org/INTDEBTDEPT/ProgressReports/22326841/HIPCProgressReport20090915.pdf abrufbar.

Auch bei dieser Veröffentlichung zeigt sich die in der Weltbank vielerorts zu beobachtende Tendenz, dass Informationen, die zu kritischen Diskussionen geführt haben, im folgenden Jahr nicht mehr enthalten sind. Im HIPC-Umsetzungsbericht betrifft das die ausführliche Beurteilung des Risikos neuer Überschuldung. Im letzten Jahr hatten wir selbst und andere Kampagnen die Bank mit ihren eigenen Zahlen unter Druck gesetzt. Inzwischen sind länderbezogene Informationen nur noch unvollständig und im Fließtext versteckt enthalten.

Wichtige Grundinformationen über die Entschuldungsinitiativen enthält der Text gleichwohl:
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Vor der Wahl: Alle Parteien noch immer für Entwicklungshilfe an Saddam, Mobutu und Co

Im Gespräch mit den Entwicklungspolitiker/innen der Fraktionen gab es in den letzten vier Jahren einige wirkliche Fortschritte, und zwar bei nicht nur den linken, sondern bei allen Parteien. Der wichtigste davon ist die übereinstimmende Unterstützung aller für ein Internationales Insolvenzverfahren.
An einem Punkt indes gab es trotz intensiver Diskussionen, vor allem zu Beginn der Legislaturperiode, überhaupt keinen Fortschritt: Alle, außer der Linkspartei, die sich nach unserer Kenntnis zu dem Punkt nicht geäußert hat, beharren darauf, Schuldenerlasse auf die Entwicklungshilfe- (“ODA-“)Quote anzurechnen. Die Begründung ist stets: Schuldenerlasse setzen reale Mittel für die Entwicklungsfinanzierung frei; deswegen ist es ODA.
Die Wirklichkeit ist leider nicht ganz so einfach. Es stimmt, dass durch Schuldenerlasse neue Finanzierungsspielräume entstehen, und weil diese den Budgets der verschuldeten Länder zugute kommen, sind sie eine sehr effiziente Form der Unterstützung. Praktisch nirgendwo sind diese Spielräume aber identisch mit den erlassenen Summen. Schließlich brauchen Länder Schuldenerlasse, weil sie ihren Schuldendienst nicht mehr aufbringen können. Gerade in den ärmsten Ländern lagen vor dem Schuldenerlass die Zahlungsrückstände bei bis zu 90% der geschuldeten Summen. Das heißt: für 10 Cent, die nicht mehr in den Schuldendienst fließen, rechnet die “großzügige” Bundesregierung sich einen Euro auf ihre Entwicklungshilfe an. Der Irak zum Beispiel, der von Deutschland einen der größten Schuldenerlasse überhaupt bekam, zahlte seit Saddams Krieg gegen Kuwait überhaupt nicht mehr.
Und das ist der zweite Punkt, der die Anrechnungspraxis so unappetitlich macht: Wenn jetzt keine neuen Spielräume für Entwicklungsfinanzierung entstehen, dann bedeutet das nicht anderes, als dass durch den Schuldenerlass die ursprünglichen Kredite in Schenkungen umgewandelt werden. Im Fall des Irak ist das die rege Bautätigkeit der deutschen Industrie im Interesse von Saddams Kriegsinfrastruktur oder die Bereitstellung von Rüstungselektronik durch deutsche Firmen. Im Fall der Forderungen aus den USA, Frankreich und Russland auch ganz direkt die Waffenlieferungen an den Diktator. Die Dankbarkeit der geschundenen irakischen Bevölkerung für diese “Entwicklungshilfe” dürfte sich in Grenzen halten. Und selbst, dass die Deutschen darauf verzichten, auf Jahrzehnte hin der schwachen irakischen Regierung die Öleinnahmen zu pfänden, um sich ihre Geschäfte bezahlen zu lassen, wird man am Euphrat und Tigris nur begrenzt als Großzügigkeit empfinden.
Wir finden, auch Ehrlichkeit ist ein hohes Gut in der Politik, und eine verfehlte Erfüllung der ODA-Zusagen wäre nicht schön gewesen, aber besser als eine erschummelte.

Geier, und noch mehr Geier

Un vautourUnsere französischen Kolleg/innen der Platte-forme Dette et Developpement haben einen sehr hübschen Report über Geierfonds herausgegeben. “Un vautour peut en cacher un autre”. Jeder, der mal in Frankreich Auto gefahren ist, kennt das entsprechende Warnschild-Schild vor Zügen, die sich gegenseitig verdecken könnten, an jedem Bahnübergang. Für alle, die Französischen mächtig sind, ist der Report die beste und aktuellste Zusammenstellung zum Thema, die derzeit auf dem Markt ist. Im Netz ist der Report zu finden unter: http://www.dette2000.org/data/File/EXE_FONDS_VAUTOURS_bd.pdf

NRO-Treffen mit dem deutschen G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach

Mit etwas Verspätung (sorry) kommt hier der Bericht über das Treffen mehrerer Entwicklungs- und Umwelt-NROs mit dem deutschen Staatssekratär Pfaffenbach, welcher für die Vorbereitung des G8-Gipfels verantwortlich ist.
NGO TREFFEN MIT G8 SHERPA DR. PFAFFENBACH – 02.06.2009
Es ist schon eine Tradition, dass sich die größeren Nichtregierungsorganisationen mit dem Beauftragten der Regierung für die Vorbereitung des nächsten G8 Gipfel vorher zu einem Austausch treffen. Zunächst berichtet der „Sherpa“ über den Stand der Vorbereitungen:
• die logistischen Schwierigkeiten mit dem hastig veränderten Tagungsort L’Aquila;
• die veränderte Tagesordnung: nur ein Tag für die G8 Regierungschefs unter sich, dann G8 + 5 inklusive China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika; später ein Gespräch mit anderen afrikanischen Regierungschefs;
• die Themenschwerpunkte Wirtschaftskrise und Klima;
• die Sonderwünsche des Gastgebers Italien: zur Berechnung der Entwicklungshilfe alle Finanzströme zusammenzuberechnen: ODA, Private Investitionen, Marktzugang, alles außer Militäreinsätzen, ein Vorschlag, der kaum ernst genommen werde.

In der offenen Runde dürfen dann Fragen und Forderungen eingebracht werden. Viele bezogen sich auf den Klimawandel und die kommende Klimakonferenz von Kopenhagen. Für Erlassjahr.de war es wichtig, auf die Gefahr einer neuen Schuldenkrise hinzuweisen und anzufragen, in wie weit die Bundesregierung beim G8 Gipfel auf die Dringlichkeit eines internationalen Insolvenzverfahrens hinzuweisen. Die Antworten versuchten das Problem abzuschwächen: Die USA hätten doch noch viel größere Schulden als alle anderen. Gefährlicher als die willkommenen Kredite von Weltbank und IWF sei doch die großen Finanzflüsse aus China. Die Gefahr sei eher gering, weil die Zinsen so niedrig sind. Die große Hoffnung sei, dass die Kreditspritzen die Wirtschaft der ärmeren Länder so ankurbeln, dass sie die Kredite wieder zurückzahlen könnten. Und im übrigen müsse man erst mal abwarten, wie sich die Situation entwickelt, und, wenn nötig, das Problem in anderthalb bis zwei Jahre noch mal diskutieren.

Es sieht so aus, als ob für das zentrale Anliegen von Erlassjahr, ein internationales Insolvenzrecht, auf dem nächsten G8 Gipfel kaum Raum zu sein scheint.

Die andere, seit kurzem diskutierte Idee, eines Moratoriums für Länder mit akuten Zahlungsschwierigkeiten durch die Finanzkrise war für die meisten völlig neu.

Die Bundesregierung ist wohl überzeugt, dass es einen Bedarf für eine umfassende Schuldenregelung gibt, aber sieht das wohl zum jetzigen Zeitpunkt kaum als prioritär.

Wolfgang Schonecke

Kleiner Schock für's (Kirchentags-)Leben

Mit den Kolleg/innen des Globalisierungsforums müssen wir am Donnerstag Morgen noch mal in den “AWD-Dome”, die größte Veranstaltungshalle des Kirchentags, um mit der Hallenleitung Einzelheiten unseres Forums an den folgenden drei Tagen zu besprechen. Auch für Menschen mit unserem “Mitarbeitenden”–Status ist es nicht ganz leicht, in die Halle zu kommen. Zum einen ist sie, als wir morgens gegen 11 kommen, schon gut gefüllt, denn hier findet eine Veranstaltung mit der Bundeskanzlerin statt. Zum anderen ist der Bühnenbereich doppelt abgesperrt. Hinter einer helferbewehrten Sperre sitzen Menschen, die nach Taschen- und Gesichtskontrolle bis hier vorgelassen wurden. Hinter einer weiteren Sperre in den ersten Reihen vor der Bühne allerlei mittelprächtige Prominente.
Eine von uns überwindet auch diese Sperre, macht den Hallenleiter ausfindig, und regelt für uns, was zu regeln ist. Da brandet am Saaleingang plötzlich Beifall auf. Menschen erheben sich von ihren Stühlen, grelles Kameralicht auf den Mittelgang. Von ganz hinten betritt SIE den Saal und schreitet umringt von den üblichen Gorillas und Medienmenschen nach vorn. Der Beifall verebbt nach und nach von hinten nach vorn.
Wir sehen uns an, und fragen uns wo wir hier sind. Gestern abend lief in der ARD eine nett gemachte Chronik des Kirchentags mit einigen der Highlights widerspenstiger Veranstaltungen, bei denen ein Helmut Schmidt für seine Anregung, die Kirche solle sich gefälligst aus der Tagespolitik raushalten und sich lieber im Allgemeinen ergehen, schon mal eindrucksvoll ausgepfiffen wurde.
Verdammt lang her! (Wobei Schmidt-Schnauze hier und jetzt auch wieder mit von der Partie ist)
Wir retten uns schließlich in eine Art Verschwörungstheorie: Sicher hat Merkel’s Partei dafür gesorgt, dass ausreichend Claqueure im Saal sitzen, und wenn man es dann richtig einfädelt,kriegt man es hin, dass tatsächlich alle aufstehen – schon um die kleine Dame überhaupt noch sehen zu können. Ach, möge es doch so gewesen sein!

Die verwickelte Geschichte einer UNO-Erklärung

Anfang der Woche waren wir ziemlich erfreut, als uns der ersten Entwurf für die Abschlusserklärung der UNO-Weltfinanzkonferenz in New York Anfang Juni zuflatterte. Der Schuldenteil deckte sich über weite Strecken mit den sehr brauchbaren Empfehlungen der “Stiglitz-Kommission”, welche der Präsident der Generalversammlung, der Nicaraguaner Miguel d’Escoto, eingesetzt hatte, und in der (ad personam,nicht ex officio) auch die deutsche Entwicklungsministerin mitarbeitet.
Aber mit dem sandinistischen UNO-Botschafter aus Nicaragua begann auch die Verwirrung. Vertreter des BMZ waren bei einer Fachtagung am Donnerstag in Bonn sichtlich empört über d’Escoto. Dieser hatte nämlich den ersten Entwurf, welchen die von der Vollversammlung bestellten “Fazilitatoren”, die UNO-Botschafter der Niederlande und von St.Vincent gemeinsam erstellt hatten, da er ihm nicht gefiel, kurzerhand in die Tonne gekloppt, und seinen eigenen Text vorgelegt.
Eigentlich darf der so was nicht. Und die Lage wurde noch kritischer, als dann auch der von d’Escoto zurückgehaltene Text durchsickerte. Der ist im klassischen UNO-Stil gehalten, indem er den unter den wiederstreitenden Interessen in der Vollversammlung irgendwie feststellbaren Konsens beschreibt: ein ziemlich langweiliges Papier alles in allem. Während d’Escotos Dokument neben allerlei anti-kapitalistischer Rhetorik auch die Forderung nach unparteiischen Verfahren im Schuldenmanagement enthält, steht im inoffiziellen offiziellen Dokument, dass man die existierenden Mechanismen der Weltbank anwenden soll. Selbst für diejenigen, die das für eine gute Idee halten, nicht gerade die letzte Meldung aus dem Ticker.
Auf der UNO-Bühne wird nun hektisch eine für alle Parteien gesichtswahrende Lösung gesucht. Die BMZ-Beamteten fürchteten nicht ganz zu Unrecht, dass der gesamte, ohnehin mit hinhaltendem Widerstand aus den reichen Ländern kämpfende UNO-Prozess damit zum Kasperletheater werden könnte. An dem sich aus den Industrieländern auch niemand auf der angestrebten Ebene der Regierungschefs beteiligen möchte. Dann könnte die Schlusserklärung noch so viele gute Ideen enthalten – sie würde die Prozesse, wo wirklich über Geld geredet wird – G20, IWF/WB – nicht mehr sehr beeindrucken.
Als deutsche Delegationsleiterin ist bislang noch die Entwicklungsministerin im Programm. erlassjahr wird ab. dem 28.5. in New York durch Eva Hanfstängl vertreten sein, und tägliche Berichte von ihr gibt es dann an dieser Stelle im Blog.

Neuland für die Kanzlerin

“Da habe ich mich noch nicht mit befasst”, so die Kanzlerin auf unsere Forderung, Deutschland solle sich zum “Champion” eines Internationalen Insolvenzverfahrens machen.
Beim inzwischen dritten Gespräch zwischen internationalen Umwelt- und Entwicklungs-NROs und Angela Merkel am Donnerstag Vormittag nahm der Klima-Teil den deutlich größeren Raum ein. Zu den Themen von Entwicklungsfinanzierung unterstrich die Bundeskanzlerin das deutsche Committment für die eingegangenen Entwicklungshilfe-Verpflichtungen: “Wir werden künftig nicht weniger bereitstellen, sondern noch etwas drauflegen”. Auch ihre Aussage zur ODA-Anrechnung von Nicht-Entwicklungshilfeleistungen klang zunächst recht sympathisch (“Entschuldung ist einfach; frisches Geld geben ist schwer. Dass da manches gleich gemacht wird, ist aus der Sicht der betroffenen Länder auch komisch”). Im zweiten Satz erwies sich diese Feststellung aber nicht als Abkehr von der fragwürdigen Praxis, Schuldenerlasse in die Entwicklungshilfe reinzurechnen, sondern im Gegenteil als Neuauflage ihres alten Steckenpferdes, zusätzlich auch die Militärmission in Afghanistan so zu verbuchen. Angesichts der Tatsache, dass im Moment nur die amtierende Entwicklungsministerin solchen schrägen Buchungstricks einen Riegel vorschiebt, kann einem für die Zeit nach der Wahl angst und bange werden.
Zur Forderung nach einem Internationalen Insolvenzverfahren gab es dann doch noch positive Töne von der Regierungsbank, nämlich von dem deutschen G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach. Ihm war das Thema nicht ganz so neu, und er sieht offenbar auch die Brisanz angesichts der massiven Neuverschuldung der ärmeren Länder. Den Satz “Das habe ich notiert und nehme es mit” haben wir aus seinem Mund zwar schon öfter gehört. Es könnte indes sein, dass in diesem Jahr die G8-Konstellation anders ist als früher. Zum einen haben die reichen Länder selbst ein genuines Interesse daran, schleunigst Verfahren für eine effiziente Überwindung von Staats-Überschuldung im Süden zu schaffen. Zum zweiten ließ auch unser italienischer Kollege deutlich erkennen, dass die italienische G8-Präsidentschaft händeringend auf der Suche nach einem guten und kostengünstigen Nord-Süd-Profilierungsthema für den Gipfel ist, nachdem Italien seine Entwicklungshilfe in diesem Jahr um 56% (!) gekürzt hat. Und kosten wird ein faires Entschuldungsverfahren erst mal nichts.

Schulden? Was für Schulden? – Von der Schwierigkeit, einem armen Land Geld zu geben

Am Freitag ging das Seminar über die Schulden Indonesiens aus dem Verkauf von Ex-DDR-Kriegsschiffen an die Suharto-Diktatur zuende. Da die verschiedenen angemeldeten Regierungsvertreter zum Seminar dann doch nicht erschienen waren, gingen wir zu ihnen. Erstaunt hörten wir im Finanzministerium, dass man dort gar keine Orginalunterlagen über Geschäfte aus den neunziger Jahren habe (und die Frage, ob wir die vielleicht hätten). Alles, was man wisse, sei, dass es überhaupt keine Schulden gebe, sondern Indonesien seinerzeit die Schiffe bar bezahlt habe. Das ist definitiv falsch, deckt sich aber im Ergebnis mit einem Brief, den INFID im letzten Jahr aus dem Kanzleramt bekommen hatte. Dort erklärte man, der Kredit von 1993 sei inzwischen komplett zurückgezahlt. Auch das war eine Falschinformation, die auf eine Besonderheit in den Pariser-Club-Umschuldungen von 2000 und 2002 zurückzuführen ist.
Mit den indonesischen Ministerialen sind wir die jeweiligen Informationsstände zum verbliebenen Schuldenstand (nach unserer groben Schätzung 100 Mio €) durchgegangen und haben verabredet, dass die indonesische Seite mit Hilfe der anderen beteiligten Ministerien unserer Schätzungen überprüfen wird. In Deutschland ist nicht einmal das Parlament, geschweige denn die Öffentlichkeit berechtigt, zu erfahren, wie viel unser Fiskus noch aus solchen Geschäften erhalten soll. Wir haben die Hoffnung, dass die Republik Indonesien sich an diesem Punkt als transparenter erweisen wird.