Wem nützt 'aggressive Schuldenpolitik'?

Avatar-Foto Jürgen Kaiser, erlassjahr.de
11. März 2009

In Zeiten drohender Zahlungsunfähigkeiten von armen und ärmsten Ländern interessiert sich auch der IWF wieder verstärkt dafür, wie Zahlungseinstellungen aussehen, und wie eine erfolgreiche Umschuldung zu gestalten wäre. Dazu hat der IWF eine Studie bei dem Berliner Volkswirt Christoph Trebesch in Auftrag gegeben. (Trebesch,C.: The Cost of Aggressive Sovereign Debt Policies: How much is the Private Sector Affected? IMF Working Paper 09/29, Feb. 2009).

Die Studie geht dem auch uns in der Vergangenheit von Gläubiger-Vertretern entgegengehaltenen Argument nach, wer sich seinen Gläubigern widersetze, schneide sich ins eigene Fleisch, weil er nie wieder einen Kredit bekäme. Und sie untersucht, inwieweit kooperatives gegenüber aggressivem Verhalten des Schuldners eher zu einer erfolgreichen Restruturierung führt. Die Ergebnisse sind auf der einen Seite banal (Grundsätzlich mögen Gläubiger es lieber, wenn man zahlt so lange man irgend kann), auf der anderen Seite aber hoch interessant. Im Kern sagt die Untersuchung von Zahlungseinstellungen in 13 Ländern zwischen 1980 und 2004:

Keinesfalls schliesst sich jemand, der aggressiv gegenüber den Gläubigern die Zahlungen verweigert, dauerhaft vom Kreditmarkt aus. Vielmehr muss man von einer Quarantäneperiode von bis zu zwei Jahren ausgehen. Danach funktioniert das Gedächtnis der Gläubiger ohnehin nicht mehr, wenn sie irgendwo Geschäfte wittern.

Es stimmt, dass in dieser Zeit der Zugang zu neuen Krediten erschwert ist, aber es ist nicht eindeutig zu beweisen, ob dies in einer unkooperativen Haltung beim Umschulden oder einfach an der Tatsache einer einseitigen Zahlungseinstellung begründet liegt.

Wer auf eine einvernehmlich Lösung mit den Gläubigern hinarbeitet kann überdies davon ausgehen, dass diese zu einer Zunahme des Kreditangebots in den folgenden Jahren führt.

Gerade der letzte Punkt ist ein starkes Argument für die Schaffung eines fairen und transparenten Entschuldungsverfahrens. Schließlich haben nicht nur die Schuldner, sondern auch die alten, aber mehr noch die neuen Gläubiger ein Interesse daran, dass künftig wieder normale Schuldner-Gläubiger-Beziehungen möglich sind.

Wie bei Publikationen aus dem Fonds üblich, werden „Aggressivität“ und „unkooperatives Verhalten“ ausschließlich auf der Seite des Schuldners vermutet und analysiert. Dass Gläubiger – durch ihr Beharren auf sinnlosen Tragfähigkeits-Berechnungen, hochgradig unfairen und ineffizienten Verhandlungsforen oder schlicht durch die Zurückweisung vernünftiger Angebote der Schuldner eine einvernehmliche Regelung blockieren, ist zwar alltägliche Realität vieler Schuldnerländer; der IWF – selbst wichtiger Gläubiger und zentraler Akteur im internationalen Schuldenmanagement, kann sich das offenbar überhaupt nicht vorstellen.

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