„Das ganze Elend“

Avatar-Foto Jürgen Kaiser, erlassjahr.de
25. Oktober 2011

Am vergangenen Freitag, den 21.10.2011, leitete der IWF im Namen der gesamten Troika den europäischen Regierungen seine Schuldentragfähigkeitsanalyse zu Griechenland zu.

Die gute Nachricht ist, dass der IWF nicht einmal mehr versucht, den Eindruck zu erwecken, Griechenland käme ohne einen weit reichenden Schuldenerlass zurecht. Die schlechte Nachricht ist alles andere.

Der IWF entwickelt ein gegenüber seinen Vorhersagen in der ersten Jahreshälfte „revidiertes Basis-Szenario“. Dessen Eckpunkte sind:

  • eine um 5,5% schrumpfende Volkswirtschaft in 2011; weitere Schrumpfung um 3% in 2012, und anschließend ein sich nur langsam wieder aufbauenes Wirtschaftswachstum von 1,25% in 2013/4 auf bis zu 2,6% bis 2030;
  • Privatsierungserlöse von 46 Mrd. € bis 2030 statt des bisher angenommenen 66 Mrd.;
  • Das aktuelle fiskalische Defizit vor Schuldendienst („Primärdefizit“) von 5% soll sich gleichwohl schon 2013 in einen Überschuss von 1,4% des BIP verwandeln.
  • Frühestens 2021 kann unter diesen Umständen wieder eine Finanzierung über den Kapitalmarkt erfolgen – vorausgesetzt, dass der im Juli vereinbarte Schuldenschnitt von 21% bei den Privatgläubigern umgesetzt wird.

Unter den genannten Voraussetzungen, bei uneingeschränkter Umsetzung aller mit dem IWF vereinbarter Maßnahmen und bei Abwesenheit jeglicher externer Schocks, würde in diesem Szenario der Schuldenstand bis 2013 weiter auf 186% des Bruttoinlandsprodukts steigen, danach bis 2020 auf 152% und bis 2030 auf 130% fallen. Das heißt: Griechenland würde rund 20 Jahre lang keinerlei wirtschaftspolitischen Spielraum haben, die Bevölkerung würde allenfalls minimale wirtschaftliche Verbesserungen erleben – und das auch nur, wenn 20 Jahre die Weltwirtschaft störungsfrei wächst, es keine Erdbeben, Exportpreiseinbrüche und Ölpreisschocks gibt. Dass es so kommt, glaubt nicht einmal der IWF!

Also rechnet er alternative Szenarien durch. Was auch immer schief geht – niedrigerer Primärüberschuss, geringere Privatsierungserlöse, schwächeres Wachstum, höhere Kosten für die öffentlichen Hilfskredite infolge eines Zinsanstiegs in Deutschland – nichts von alledem könnte Griechenlands Wirtschaft mit der bislang zugesagten Unterstützung auffangen. Es wäre umgehend wieder zahlungsunfähig.

Konsequenz: der IWF verlangt „umfassende öffentliche Unterstützung zu großzügigen Bedingungen und zusätzlichen privaten Schuldenerlass“. Bis zu 444 Mrd. € zusätzlicher Unterstützung können unter den widrigsten Bedingungen notwendig sein. Nur, wenn der Privatsektor sich mit mindestens 60% Schuldenstreichung an dem Paket beteiligt, kann die öffentliche Unterstützung bei den vorgesehenen 109 Mrd. bleiben.

Und da wird aus der grottenschlechten Nachricht fast schon wieder eine gute: Das ganze elende Gequatsche der letzten 18 Monate, einen Schuldenschnitt dürfe es auf gar keinen Fall geben, weil sonst Griechenland sonst nie mehr einen Kredit bekäme und überhaupt die ganze Eurozone zusammenbräche, hat sich unter dem Druck der Fakten in Luft aufgelöst.

Das hätte man im Sommer 2010 deutlich billiger haben können!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir verarbeiten Ihre in diesem Formular angegebenen, personenbezogenen Daten für die Beantwortung bzw. Bearbeitung Ihrer Anfrage bzw. Ihrer Kommentare sowie damit sachlich zusammenhängender Zwecke. Dabei nutzen wir die angegebene E-Mailadresse zum Bezug von Profilbildern bei dem Dienst Gravatar des amerikanischen Anbieters Automattic Inc.. Weitere Angaben zu der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie Ihren Rechten nach Maßgabe der Datenschutzgrundverordnung entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hinweise zu der Nutzung des Dienstes Gravatar finden Sie in Ziffer 12.1 unserer Datenschutzerklärung.