Zum Fortschrittsbericht des G20/IWF Global Sovereign Debt Roundtable

Avatar photo Kristina Rehbein, erlassjahr.de
2. November 2023

Seit einem Dreivierteljahr gibt es den sogenannten Global Sovereign Debt Roundtable (GSDR), dessen Vorsitz IWF, Weltbank und G20 halten. Mitglieder sind Gläubigerländer und ihre -institutionen, einige wenige Schuldnerländer sowie Privatsektorvertreter*innen. Geschaffen wurde der Roundtable von IWF und Co. insbesondere deshalb, weil es innerhalb der G20, auch aufgrund geopolitischer Spannungen um die russische Invasion in die Ukraine, kaum noch Fortschritte in der Verbesserung des G20 Common Framework gab. 2022 wurden geopolitische Spannungen zwischen China und dem Westen auch stellvertretend über das Schuldenthema ausgetragen. Aufgrund dieser Spannungen, gleichzeitig aber zunehmender Dringlichkeit in der rascheren Lösung von Schuldenkrisen, sollte das Format des GSDR insbesondere für China einen als neutraler verstandenen Raum bieten, um dringliche Fragen in laufenden oder kommenden Umschuldungen zu klären. Viel Transparenz für die Öffentlichkeit gab es bislang zum Prozess nicht, obwohl der IWF regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Organisationen den Austausch suchte, über den Prozess (dosiert) informierte und bei einem Workshop ausgewählte zivilgesellschaftliche Organisationen auch teilnehmen durften. Zu Beginn des Prozesses forderten zivilgesellschaftliche Organisationen daher mehr Transparenz und u. a. auch die Veröffentlichung eines Berichts mit den Ergebnissen des Prozesses.

Fortschritte und Stillstände

Zur IWF- und Weltbanktagung im Oktober hat der IWF nun genau das getan und einen Fortschrittsbericht veröffentlicht. Dort werden Fortschritte in einzelnen Länderfällen sowie Themen, zu denen der GSDR diskutiert hat, vorgestellt. Auch zukünftige Themen werden genannt.

Folgende zentrale “Fortschritte” (oder Stillstände) wurden im Bericht aufgezeigt:

Der Einsatz von sogenannten State Contingent Debt Instruments (SCDI) würde als Möglichkeit in Umschuldungen, die mit besonders hoher Unsicherheit behaftet sind, dazu beitragen, „Schuldner-Gläubiger-Differenzen“ rascher beizulegen, “sollten aber nicht zur Norm werden”.

SCDI sind Schuldtitel, die die Schuldendienstzahlungen eines Staates an seine Zahlungsfähigkeit knüpfen. Wenn also beispielsweise ein wirtschaftlicher Abschwung eintritt, wäre die Idee, dass die Schuldendienstbelastung auch entsprechend sinkt, um zu verhindern, dass das Land in eine Schuldenkrise gerät. Umgekehrt könnte das Land wieder mehr zahlen, wenn seine wirtschaftliche Lage sich verbessert. So zumindest der ursprüngliche Gedanke hinter diesen Instrumenten.

Was wir jedoch in den aktuellen Länderfällen beobachten, ist nur ein Teil davon, bzw. das Gegenteil vom ursprünglichen Gedanken: Wir sehen nämlich, dass Schuldnerländer ihren Gläubigern ein saftiges Schmankerl anbieten müssen, damit sie diese überhaupt dazu bekommen, einer Schuldenrestrukturierung zuzustimmen. Und dieses Schmankerl besteht für die Gläubiger darin, von einem zukünftigen Aufschwung zu profitieren und dadurch (noch) weniger Erlass geben zu müssen. Was mit dem Land während eines Abschwungs passiert, spielt keine Rolle – Abwärtsrisiken werden also nicht abgesichert. In Surinam haben sich private Gläubiger etwa durch die Umschuldung Zugang zu Öleinnahmen gesichert, obwohl sie ihre ehemalige Kreditvergabe auf Annahmen ohne Öleinnahmen getätigt hatten. Der IWF schreibt daher, diese Instrumente sollten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Bislang werden sie jedoch eher zur Norm, kamen sie doch in jedem einzelnen Fall zum Einsatz, um insbesondere private Gläubiger von einem eh schon geringen Erlass zu überzeugen.

Was der IWF zudem genau mit “besonders hoher Unsicherheit” meint, ist unklar – in die Zukunft sehen kann niemand, egal ob das Land Sambia oder Ukraine heißt. Unsicher bleiben die zukünftigen Zahlungsaussichten also immer. Also gibt es auch immer wieder einen Anreiz, dieses Instrument einzufordern.

Was der IWF gedenkt zu tun, damit solche Instrumente zum einen im Sinne des Erfinders, zum anderen wirklich nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, wird nicht deutlich.

Es sollte genau abgewogen werden, ob eine Umschuldung von Inlandsforderungen zur notwendigen Bedingung gemacht wird.

Begrüßenswert ist, dass zur genauen Abwägung der gesellschaftlichen, politischen und finanziellen Folgen einer Inlandsumschuldung aufgerufen wird. Hier hatte sich der IWF u. a. in Sri Lanka die Finger verbrannt, wo vor allem auf Druck privater Gläubiger eine Inlandsumschuldung nachträglich im IWF-Programm zur Bedingung gemacht wurde, die vor allem die Ersparnisse der Arbeiter*innen hart trifft.

Was allerdings nicht angesprochen wird, aber ein zentrales Problem darstellt: In Mitteleinkommensländern wie Sri Lanka oder Surinam wendet der IWF – anders als für Niedrigeinkommensländer – ein Modell der Schuldentragfähigkeitsanalyse an, welches Auslands- und Inlandsschulden nicht getrennt voneinander betrachtet. Die Parameter, die der IWF zugrunde legt, beziehen sich allein auf die öffentliche Verschuldung und damit die Auslands- und Inlandsverschuldung der öffentlichen Hand. Sollte ein Land vor allem ein Auslandsschuldenproblem haben, wird dies durch die Parameter des IWF nicht genügend abgebildet. Vielmehr schafft der IWF durch das Zugrundelegen allein der öffentlichen Verschuldung einen Anreiz, Inlandsschulden einzubeziehen, auch wenn es eigentlich gar nicht nötig wäre. Dass das Analysewerk des IWF damit ungeeignet ist, die Wiederherstellung von Schuldentragfähigkeit in Ländern mit (meist niedrigem) mittlerem Einkommen, die ein Auslandsschuldenproblem haben, anzuleiten, wird zwar in Expert*innenkreisen diskutiert. Doch die Erfahrung in Sri Lanka hat der IWF noch nicht zum Anlass genommen, einen Vorstoß für eine Reform vorzulegen.

Vergleichbare Zugeständnisse zwischen öffentlichen und privaten Gläubigern sicherstellen

Das wichtigste – und kontroverseste – Thema des letzten Jahres war die Frage, wie eigentlich ein vergleichbarer Beitrag zur Umschuldung der verschiedenen Gläubiger aussehen und vor allem sichergestellt werden kann. Viel ging es um die Frage, wie die Vergleichbarkeit von Zugeständnissen konkret berechnet werden könnte (lange Zeit vor allem für die Bundesregierung die einzig nötige Diskussion). Doch erfrischend ist auch der explizite Bezug dazu, dass öffentliche Gläubiger auf verschiedenen Wegen versucht haben, gleichwertige Beteiligung von (privaten) Gläubigern zu erzwingen. Darunter fällt etwa die Aufforderung, gegenüber privaten Gläubigern im Verzug zu bleiben, bis eine Vereinbarung gefunden wurde, die die Anforderung an ein vergleichbares Zugeständnis erfüllt. Auch wenn das ein richtiger Schritt hin zur Anerkennung der Notwendigkeit von „Zwangsmitteln“ im Falle fehlender Kooperation ist, so bleiben öffentliche Gläubiger weiterhin die Antwort, wie sie weitere Anreize schaffen wollen, um den vergleichbaren Einbezug zu ermöglichen und nicht allein auf das Schuldnerland abzuwälzen, schuldig. Leider wird im Bericht auch nicht transparent gemacht, ob es zu der Notwendigkeit der Erzwingung von Gläubigerbeteiligung Uneinigkeit gab und wer genau diesen Ansatz proaktiver verfolgt. Noch im Februar hatte die Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken gesagt, sie sehe keinerlei Handlungsnotwendigkeit. Der Abschnitt endet allerdings mit der Aussage, dass „öffentliche bilaterale Gläubiger die Absicht zu haben [scheinen], den oben dargestellten Ansatz in künftigen Fällen beizubehalten.“

Wie geht es weiter?

Zukünftige Themen sollen sich um weitere technische Fragen – etwa den Einbezug von Verbindlichkeiten von Staatsunternehmen oder den Umgang mit Ratingagenturen – drehen, aber auch darum, wie besonders klimaverwundbare kritisch verschuldete Länder unterstützt werden können. Letzteres ist ein mehr oder weniger alter Hut – so gab es schon 2015 konkrete Vorschläge aus der Karibik zu dieser Frage. Interessant wird bei dieser Frage werden, ob die Vulnerable20, eine Gruppe von mehr als 60 klimaverwundbaren Staaten im Globalen Süden, sich durchsetzen und als koordinierte Gruppe Positionen in den GSDR einbringen „dürfen“.  

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